Es gibt Momente, da schau ich mir meine Romane an und denke darüber nach, ob ich nicht doch mal die Bewerbung bei Agenturen ins Auge fassen sollte. Neben Anfällen hochgradiger Unsicherheit und Selbstzweifel passiert es mir nämlich durchaus, dass ich mein Geschreibsel nicht ganz so schlecht finde. Vor allem, wenn ich nette Rückmeldungen bekomme wie etwa voriges Wochenende bei einer kleinen Vorleserunde.
Nun sollte man sich aber wohl für eine Bewerbung bewusst machen, was eigentlich die Zielgruppe ist (okay, theoretisch wäre es natürlich noch günstiger, das beim Schreiben schon zu wissen) und Vergleiche ala „für Leser von blablablubb“ sind angeblich durchaus gern gesehen. Hmmmm … Nur womit zum Geier ließen sich meine Romane vergleichen? Ich geh sie also mal der Reihe nach durch und überlege mir ein paar größenwahnsinnige, gänzlich unbescheidene Vergleiche.
(Achtung, das ist nicht wirklich ernstzunehmen ;-))
Die Göttersteine
Jahaha, da fängt es schon mal an. „Epische High-Fantasy“ ist mein erster Gedanke dazu. Aber irgendwie gibt es vergleichsweise wenig Action und Gekämpfe, dafür sehr viele zwischenmenschliche Beziehungen. Andererseits aber geht es doch um magische Artefakte und weltbewegende Dinge, und man sollte sich nicht wirklich darauf verlassen, dass wichtige Figuren und Perspektiventräger bei mir zwangsläufig alle überleben.
Also … Für Leser von George R. R. Martin, die statt Kriegen, Politik und viel nackter Haut gern ein bisschen Romantik und mehr Magie haben. *g*
Bühnenzauber
Ui. Ein schwerer Brocken. Es gibt Magie, aber keine epischen Dinge. Wir sind zwar in einer Fantasywelt, aber der Handlungsspielraum ist fast gänzlich auf eine Stadt und dort in erster Linie auf ein Theater konzentriert. Es gibt seltsame Ereignisse, eine verzweifelte Liebe, eine gefeierte Schauspielerin und eine nicht mehr so ganz jugendliche, eigensinnige Heldin.
Phantom der Oper meets Die Maske des Apoll und Rosamunde Pilcher mit tragischer Liebesgeschichte in einem High-Fantasy-Umfeld. Na, wenn darauf nicht die Welt gewartet hat! 😉
Die geraubte Seele
Ha, das ist leicht! Das ist Romantasy, nur dass meine Hauptfigur sich nicht in den dunklen Fremden verliebt (sondern ihn bekämpt). Und es gibt keine Vampire und keine anderen sexy Wesen, dafür aber ein stinkendes, durchgeknalltes Wassermännlein. Ach ja, und meine weibliche Heldin rettet den Love Interest (mehrfach) anstatt sich als anständiges schwaches Hascherl retten zu lassen.
Ähhhh … doch nicht so leicht?
Frostpfade
Zumindest das müsste aber doch simpel sein. Es gibt eine Abenteuergeschichte sowie eine jugendliche Heldin, die sich im Laufe der Handlung weiterentwickelt. Es findet eine Reise durch unbekannte Lande statt, wo meine kleine Linn allerlei interessante Wesen und Leute kennenlernt.
Also irgendwie für Leser der „Reise auf der Morgenröte“ sowie Jules Vernes „Die Kinder des Kapitän Grant“. Aber irgendwie hinken da die Vergleiche, und so brandaktuell sind diese Werke jetzt auch nicht mehr. Trallala.
Der Nachtjäger
Das schwierigste hab ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Mein Nachtjäger, ja.
Eigentlich reiht der sich ja in die momentan so beliebten Dystopien ein. Aber so wirklich ist das dann doch nicht das Hauptthema, und anstatt in einer düsteren Metropole sind wir hier in der tiefsten oberösterreichischen Provinz unterwegs. Hm, sehr glamourös. *gg*
Vielleicht ist es dann doch eher eine Fantasygeschichte mit Weltenwechslerei. Nur so ganz trifft es das auch nicht – und die Parallelwelt ist ziemlich sperrig und seltsam.
Okay, also ein phantastisches Jugendbuch mit Liebesgeschichte? Jein. Meine Heldin ist zwar im richtigen Alter und eine Liebesgeschichte ist durchaus geplant, aber so richtig scheint sie nicht zu funktionieren. Es sieht sogar fast so aus, als könnte diese eher zwischen dem potentiellen Love Interest und der besten Freundin meiner Ich-Erzählerin stattfinden. Ups.
Davon abgesehen ist das ganze ja auch noch ein bisschen etwas wie ein Märchen bzw. eine Neubearbeitung von mitteleuropäischen Sagen.
Also, ich fasse es zusammen: Dystopische Endzeitstimmung trifft in der Provinz auf eine Parallelwelt mit grausamen Sagengestalten im Mantel einer Liebesgeschichte, die offensichtlich doch keine ist. Alle Klarheiten beseitigt? 😉
Mein Fazit also: Näää, das funktioniert nicht. Meine Romane sind einfach seltsame Mischungen, die sich einer klaren Einordnung ziemlich widersetzen. Und die Zielgruppe – nun, das sind einfach Leser, denen das gefällt. Basta.
(Oh, ich kann übrigens doch etwas klar einordnen: Meine Pferdegeschichten sind einfach Pferdegeschichten für reitbegeisterte Mädels. HA!)
Das ist doch toll, dass sich deine Geschichten nicht so leicht in Schubladen pressen lassen. Find ich viel ansprechender, als wenn immer schon dieser Stempel "Für Leser von…" drauf gedrückt wird und man dann schon so ahnen kann, was einen erwartet. Und vor allem kann man sich in meinen Augen auf diese "Stempel" auch nicht wirklich verlassen; ich hab schon ab und zu Bücher gelesen, in denen auf dem Umschlag mit großen Vergleichen zu anderen Büchern geworben wurde – Vergleiche, die ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte.
Mich persönlich sprechen anhand deiner kurzen Einordnungsversuche übrigens am meisten "Die geraubte Seele" und "Bühnenzauber" an… 😀
"Meine Romane sind einfach seltsame Mischungen, die sich einer klaren Einordnung ziemlich widersetzen."
Was eindeutig spannender ist, als wenn man sie einfach in eine Schublade stecken könnte. Vielleicht solltest du doch mal den Versuch mit einer Agentur wagen – ich habe das Gefühl, dass die Verlage gerade mehr denn je auf der Suche nach Titeln sind, die sich von der Masse abheben. 🙂
Liebe Neyasha,
von mir bekommst du ein ganz deutliches: JA! Schicke doch ein Kurzexposé an ein paar ausgewählte Agenturen. Auch wenn ich keines deiner Manuskripte gelesen habe, gefallen mir die wenigen Zeilen, die du hier reinstellst, immer sehr gut 🙂
Ausserdem, ärgerst du dich vielleicht eines Tages, nicht zumindest den Versuch gewagt zu haben, meinst du nicht? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt…
Vorsatz für die zweite Hälfte des Jahres 2011: Schreib den Agenturen!
Liebe Grüsse,
mirjam
Ich hatte damals, als du den "Nachtjäger" im Helikon vorgestellt hattest, ja nicht viel davon mitbekommen und mich deshalb schon immer über die dystopischen Elemente gewundert bzw. warum der Roman in der Zukunft spielt. Inwiefern ist das für den Roman notwendig?
"Die geraubte Seele" hattest du glaube ich schon einmal als "Urban Fantasy" bezeichnet. "Romantasy" finde ich persönlich ein schrecklich neumodisches Wort, mit dem der aktuelle Massengeschmack mit bunten Funkelcovern wohl in eine eigene Sparte einsortiert werden sollte. Und in dieser würde ich persönlich nie nach Lesestoff suchen, während ich deinen Roman auf jeden Fall gern lesen würde. 😉
Der Nachtjäger spielt eigentlich nicht zwangsläufig in der Zukunft, sondern nur in einer nicht näher definierten Zeit. Und die dystopischen Elemente ergeben sich durch den Nachtjäger und sind der Grund, weshalb etwas gegen den Jäger unternommen werden muss.
Es ist auch nicht wirklich eine dystopische "Welt", sondern halt eine zerfallende, verlorene Gegend, in der man nach Sonnenuntergang seines Lebens nicht mehr sicher ist.
@mirjam: Mein Problem ist halt auch, dass ich nicht weiß, ob ich dem ganzen Agenturstress überhaupt schon gewachsen bin. Ich bin ja immer gleich beim Schreiben blockiert, sobald ich da bereits daran denke, dass andere das dann lesen werden. Daher schreibe ich Rohfassungen immer mit dem Gedanken "das ist erst mal nur für mich". Wenn ich mir aber vorstelle, ich müsste dann Romane für eine Agentur/einen Verlag schreiben … uff, da würde ich gleich wieder "dicht" machen.
@Caroline und Winterkatze: Ja, ich halte auch nicht soviel von Schubladen. Aber man sollte eigene Romane halt irgendwoe einordnen können, und auch wenn ich das nur spaßeshalber versuche, bin ich da immer recht schnell ratlos. 😉
"Dystopische Endzeitstimmung trifft in der Provinz auf eine Parallelwelt mit grausamen Sagengestalten im Mantel einer Liebesgeschichte, die offensichtlich doch keine ist."
😀
Neyasha, ich würde alle deine Bücher kaufen, einfach weil ich weiß, dass der Humor darin stimmt. 🙂
Herrlich!!! *leise vor mich hin kicher*
Ich befürchte, in meinen Romanen schreibe ich weniger humorvoll als auf meinem Blog. *hüstel*
Wow, du hast schon so viel geschrieben, Neyasha, ich glaube schon, dass du für Agenturen und Verlage bereit bist. Es passiert dann ja nichts von heute auf morgen. In der Verlagswelt braucht alles seine Zeit und so kannst du dich vielleicht in Ruhe an die Aufmerksamkeit und den wahrscheinlich schon vorhandenen Druck gewöhnen. Du kannst ja noch ein paar Monate warten und dich darauf vorbereiten, indem du die Manuskripte nochmal mit einer möglichen Veröffentlichung im Hinterkopf liest. Aber dann versuch es, auf jeden Fall! Deine Beschreibungen klingen sehr vielversprechend. Und ich stimme mirjam zu: Andernfalls bereust du es sicher irgendwann.
Mut und liebe Grüße sendend,
Lena