Mit diesem kurzen Satz hat Heiko Uecker mal die Isländersagas charakterisiert und damit quasi eins der wichtigsten Handlungselemente knapp umrissen.
Wie ich ja letzte Woche geschrieben habe bin ich derzeit in Sagas vergraben, und hier kommt jetzt mal eine kleine Zusammenfassung, womit man es mit den Isländersagas überhaupt zu tun hat (keine Sorge, es wird nicht wissenschaftlich).
Die Isländersagas sind sozusagen ein Untergenre der altnordischen Sagaliteratur, die als ein wesentliches Merkmal eine Balance zwischen historischer Wirklichkeit und Fiktionalität haben. Sie erzählen von einer Periode in der isländischen Geschichte von etwa 930-1030, sind aber doch im Wesentlichen Fiktion. Niedergeschrieben wurden sie erst um das 13. Jh. herum und erzählen vor allem von Familien aus der Zeit (nach) der isländischen Besiedlung. Und dabei ist eben einer der wesentlichen Bestandteile der Konflikt zwischen Einzelpersonen und Familien, der sich nach dem Prinzip der Blutrache oft immer weiter hochschaukelt.
Fehden zwischen bedeutenden Familien stehen also meist im Zentrum und führen im Laufe der Handlung oft zu zahlreichen Toten. Phantastische Elemente wie Flüche, Zauberinnen, prophetische Träume, Wiedergänger und Trolle spielen dabei auch teils eine Rolle und werden ganz selbstverständlich in die „realistische“ Handlung eingebettet.
Das alles liest sich recht spannend und mitunter auch unterhaltsam, aber wer sich mal über Isländersagas drübertrauen mag, sollte sich natürlich dennoch keinen modernen Roman vorstellen. Die Sagas sind recht nüchtern geschrieben und berichten sozusagen objektiv von äußeren Vorgängen, weniger aber von dem Innenleben der Figuren. Man muss außerdem meistens ein recht großes Personal jonglieren, da neue Figuren oft mitsamt ihrem Familienumkreis eingeführt werden. In der Hinsicht sind die kürzeren Sagas teilweise eine größere Herausforderung, da man bei einigen innerhalb weniger Seiten mit einer beängstigenden Anzahl von neuen Figuren konfrontiert wird.
Ich habe bisher vor allem kürzere Sagas gelesen und dabei gemerkt, dass mir die längeren besser liegen. So habe ich die Njáls saga in sehr guter Erinnerung, obwohl die mit einem äußerst umfangreichen Personal aufwartet, und von denen der letzten Zeit hat mir die Vatnsdœla saga am besten gefallen, bei der es sich im Grunde um eine Familiensaga handelt, die über mehrere Generationen reicht. Andere Sagas wiederum stellen mehr eine Einzelperson in den Mittelpunkt.
Auch im Erzähltempo gibt es klare Unterschiede – so gehen manche bei Beschreibungen bis ins kleinste Detail, während andere ein beachtliches Tempo vorlegen und sich kaum mit längeren Beschreibungen aufhalten.
Die Hauptfiguren sind manchmal echte „Überflieger“, manchmal aber auch in starken Grauschattierungen gezeichnet oder gehen überhaupt in die Richtung „Antiheld“. Frauen spielen in manchen praktisch gar keine Rolle (außer, dass sie geheiratet werden), während sie in anderen die Handlung vorantreiben. So geht die Fehde und das daraus resultierende Unglück in der Njáls saga von der streitbaren Hallger∂r aus und in der Þórðar saga hreðu würde der Held ohne die Hilfe der resoluten Ólöf manchmal ziemlich alt aussehen.
Soweit mal ein allgemeiner Überblick. Vielleicht habt ihr ja Lust bekommen, es mal mit einer Isländersaga zu probieren – ich kann sie euch durchaus ans Herz legen, gebe aber dennoch die Warnung mit, dass man es eben nicht mit moderner Literatur zu tun hat und einem manches sowohl in der Erzählstruktur als auch im Inhalt wohl recht fremd vorkommt.
Ich habe nun – auch als Ansporn für mich selbst – eine (noch nicht ganz vollständige) Liste erstellt, in der ich meine Fortschritte festhalte (grün markierte hab ich gelesen). Diese werde ich auch links fest verlinken, wen es also interessiert, wie weit ich mit den Sagas sowie den kürzeren Þættir bin, kann das dort verfolgen.
Für diese erste Sichtung lese ich die Sagas, soweit vorhanden, erst mal in der Übersetzung – Stellen, die für mich relevant sind, sind dann natürlich auch noch im Original zu lesen.
Dumme Frage, wo findet man die Sagas denn, um mal reinzulesen? *kopfkratz*
Mich würde ja mal die Orkneyinga saga interessieren, aber die ist ja nicht isländisch…
Liebe Grüße
Vinni
Es gibt vom Fischer-Verlag eine Neuübersetzung der bekanntesten Isländersagas in 4 Bänden mit dem Titel "Isländersagas". In Wien gibts die z.B. auch in der Städtischen Bücherei, vielleicht findest du ja wo eine Möglichkeit, einen Band auszuleihen. Zum Reinlesen eignet sich sonst auch diese Seite: http://sagadb.org/index_az
Da gibts von einigen Sagas (recht alte) deutsche und englische Übersetzungen.
Die Orkneyinga saga ist allerdings weder dort noch da zu finden. In der "Sammlung Thule" ist sie in Band 19 enthalten – falls du irgendwo an diese Bände herankommst (Unibibliothek z.B.) und kein Problem mit Fraktur hast.
Ah, danke. 🙂
Ich könnte ja auch erst mal die Edda zu Ende lesen, von der mir immer noch Stücke fehlen *g*
Übrigens gibts hier die Orkneyinga Saga auf Englisch:
http://www.northvegr.org/misc%20primary%20sources/icelandic%20sagas%20vol%203/index.html
Hu, ich habe mich im Studium schon von den mittelalterlichen Epen abgewandt, sobald es ging, und mich auf das 19./20. Jahrhundert verlegt 😉
Aber interessant – in welcher Richtung promovierst du eigentlich genau? Und von den isländischen Märchen heißt es ja, sie seien so düster (finde ich bisher eigentlich nicht, aber vielleicht kommt das noch), gilt das für die Sagas auch?
Ich mag die mittelalterlichen Epen ziemlich gern – hab auch dementsprechend im 2. Studienabschnitt den Schwerpunkt auf Ältere deutsche Literatur gelegt.
Ich promoviere in eine ziemlich breit gefächerte Richtung, da ich sowohl archäologische als auch literarische Quellen für die Vorstellungen von Wiedergängern untersuche.
Ich würde sagen, dass die Sagas von den Themen her durchaus düster sind, aber sie sind teilweise mit recht trockenem Humor unterlegt.
Das klingt ziemlich spannend, vor allem durch die Einbeziehung archäologischer Quellen 🙂
Du bist schon ziemlich weit fortgeschritten, oder? *neid* Ich finde ja eure Doktoratsstudiengänge klasse, bei uns dümpeln die meisten auf halben Stellen am Lehrstuhl herum und werden deshalb ewig nicht fertig. Irgendwann habe ich ja auch eine Promotion vor – mal sehen, was mir dann bevorsteht *g
Ich weiß jetzt nicht genau, was du mit "unseren" Dokoratsstudiengängen meinst, da ich noch in einem alten Studienplan bin. Eine halbe Doktorandenstelle an der Uni wäre allerdings für mich der absolute Traum. Bei mir sieht es so aus, dass ich mich mit Nebenjobs (mit mehr Stunden und viel schlechterer Bezahlung als bei einer halben Lehrstuhlstelle) herumschlage und also in meinem Arbeitsumfeld nichts mit meinem Studium/meiner Dissertation zu tun habe. Dementsprechend wurschtel ich für mich allein vor mich hin und werde auch ewig nicht fertig …
Die Doktoratsstudiengänge, die ich bei den Universitäten in Österreich gesehen habe 😉 Weiß nicht genau, welche Unterschiede es da gibt?
Okay, dann hat das also auch Nachteile (und bei Stipendien weiß man vorher ja auch nie, ob man sie bekommt). Ich dachte, daß man sich tagsüber mit der Diss beschäftigen kann und dadurch schneller zum Ende kommt.
Das Problem an den halben Lehrstuhlstellen ist eben, das viele für das Geld faktisch Vollzeit arbeiten, so daß die Diss irgendwann in der Restzeit angegangen werden kann. Es kommt allerdings auch auf das Fach und die Lehrbelastung an, aber gerade in den Geisteswissenschaften scheint sich das gerne 6-8 Jahre zu ziehen.
Dafür ist man halt im Uniumfeld, es interessiert sich auch jemand dafür, ob man jemals mit der Diss fertig wird (außer der Verwandtschaft, die immer vorwurfsvoll fragt: Bist du immer noch nicht fertig?) und man hat im Idealfall auch ein Büro, in dem man arbeiten kann und wo man auch die Bibliotheken in Reichweite hat.
Ich kann ja immer nur daheim vor mich hinarbeiten, muss dann ständig in die Bibliotheken fahren und Geld verdienen zum Leben muss ich ja trotzdem. Aus meiner Erfahrung würde ich ehrlich gesagt NIE wieder eine Diss ohne Stelle an der Uni (oder eine vergleichbare Doktorandenstelle) anfangen. Was bedeutet, dass ich wohl nie eine begonnen hätte, da es hier fast unmöglich ist, eine im geisteswissenschaftlichen Bereich zu bekommen. Aber rückblickend betrachtet wäre das auch besser gewesen … 🙁
Hehe, diese tolle Verwandtschaftsfrage kenne ich auch zur Genüge (die müssen sich an "when it's done" eben gewöhnen ;-)). Ja, die Stellen sind an den geisteswissenschaftlichen Instituten rar gesät, ich weiß, und von vollen Stellen kann man sowieso nur träumen… Möchtest du hinterher an der Uni bleiben?
Ich würde allerdings ungern an einem Institut promovieren, an dem ich auch angestellt bin – dann ist man nämlich extrem abhängig vom Professor; ich habe es schon miterlebt, wie die Mitarbeiter da teilweise kriechen, damit die Gunst nur ja erhalten bleibt 🙁
Die Promotionszeit ist vermutlich so oder so eine (finanziell) schwierige, die in jeder Konstellation irgendwelche Nachteile aufweist… Aber danke für den Einblick in die Doktoratsstudium-Situation!