Genre: Erfahrungsbericht, Sachbuch
Seiten: 280
Verlag: Bloomsbury
ISBN: 0330368613
Meine Bewertung: 4,5 von 5 Sternchen
In den 70er Jahren hat Robyn Davidson, eine junge Australierin, einen Traum, der von anderen als verrückt, wagemutig oder schlichtweg unmöglich bezeichnet wird: Sie möchte alleine die australische Wüste durchqueren. Doch noch ehe die Reise beginnt, hat Robyn mit zahlreichen Problemen zu kämpfen und so verbringt sie eine lange Zeit in Alice Springs, bis sie schließlich mit ihrem Hund und vier Kamelen die 1700-Meilen-lange Reise antreten kann.
Vor einigen Monaten bin ich bei Lena auf den Film „Spuren“ aufmerksam geworden, den ich mir schließlich zu Weihnachten gewünscht habe. Er hat mir sehr gut gefallen, aber ich hatte gleich nach dem Sehen den Wunsch, mehr über Robyns Reise und ihre Gedanken dabei zu erfahren. Daher habe ich noch zu dem Buch gegriffen, das Robyn Davidson zwei Jahre nach ihrer Reise geschrieben hat – und habe es nicht bereut.
Das Buch konzentriert sich nicht nur auf ihre Reise, sondern gut zu einem Drittel auf ihre Vorbereitungen für die Reise. Zu den größten Problemen gehörte das Beschaffen der Kamele, über die Robyn zunächst auch kaum etwas weiß. So wird sie von einem cholerischen Kamelbesitzer ausgebeutet, lernt von ihm aber auch einiges über die Tiere und als sie endlich die ersehnten Kamele hat, hat sie mit deren Ausbildung, mit Krankheiten und Verletzungen zu kämpfen und muss schließlich auch einsehen, dass sie ihre Reise alleine nicht finanzieren kann. Sie lässt sich daraufhin auf eine Kooperation mit National Geographic ein und stimmt widerwillig zu, dass ein Fotograf sie ab und zu unterwegs besucht. Zwar kann sie durchsetzen, dass Rick Smolan, den sie vorher bereits kennengelernt hatte, der Fotograf sein würde, aber sie leidet dennoch unter dem Gefühl, ihre Reise verkauft zu haben.
Es entstehen daher immer wieder Konfliktsituationen mit Rick Smolan, neben all den anderen Schwierigkeiten, mit denen Robyn auf der Reise zu kämpfen hat: die Hitze, Wassermangel, fehlerhafte Karten, Reporter, die auf sie aufmerksam werden und schließlich auch immer wieder Probleme mit den Kamelen, die sie trotzdem abgöttisch liebt.
Robyn Davidson schildert all ihre Schwierigkeiten sehr eindringlich und man kann beim Lesen direkt spüren, wie nahe ihr Vorhaben immer wieder zu scheitern droht – sowohl im Vorfeld als auch auf der Reise selbst. Sie hat auch immer wieder mit dem Alleinsein zu kämpfen, das sie einerseits begrüßt und andererseits fürchtet und macht sich viele Gedanken über die Einsamkeit, ihre Reise, die Wüste und all die Zwänge der Gesellschaft, die unterwegs teilweise von ihr abfallen.
Einen großen Raum nehmen schließlich auch Robyns Überlegungen zur Situation der Aborigines ein, die sie bereits in Alice Springs und auch unterwegs immer wieder beschäftigen. Für einen kurzen Teil der Reise hat sie mit Mr. Eddie auch einen Aborigine an ihrer Seite, da sie ohne einen „Ältesten“ nicht durch einen Teil des Landes reisen könnte.
„Tracks“ beschreibt also gleichermaßen eine äußere und eine innere Reise und schafft es meistens auch sehr gut, diese beiden Ebenen in Einklang zu bringen. Stellenweise nehmen Robyns Selbstreflexionen, die sich doch mit der Zeit ein wenig wiederholen, vielleicht etwas zuviel Raum ein, aber insgesamt hat mir das Buch dennoch sehr gut gefallen und ich fand es äußerst fesselnd und interessant zu lesen. Die innere Stärke, die Robyn an den Tag legt, ist wirklich beachtlich und führt wohl auch zu der weltweiten Bewunderung, die ihr selbst eher unangenehm war, da sie zeigen wollte, dass im Grunde jeder alles schaffen kann – und nicht, dass sie etwas Einzigartiges geleistet hat.
Abschließend möchte ich noch kurz auf den Film eingehen: Schlicht als Film betrachtet ist er sehr sehenswert, allerdings weniger, wenn man erfahren möchte, wie Robyns Reise tatsächlich war. Es wirkt darin nicht nur vergleichsweise alles sehr einfach und problemlos, sondern er stellt auch Robyns Charakter sehr anders dar. So hat man im Film den Eindruck, dass sie grundsätzlich nicht gern mit anderen Menschen zusammen ist und die Einsamkeit in der Wüste voll und ganz begrüßt, während im Buch doch klar herauskommt, wieviel ihr etwa ihre Freunde bedeuten und dass das Alleinsein für sie zwar eine erwünschte Erfahrung, aber doch alles andere als einfach ist.
Sie selbst schreibt im Nachwort über ihr Buch und den Film: „First it [the journey] was hijacked by my own book, then by Rick’s photographs, and any day now, by a film that will have almost nothing to do with ‚what really happened‘.“
Daher wie gesagt: Schlicht als Film betrachtet ist „Spuren“ auf jeden Fall zu empfehlen, aber wenn man mehr über Robyn Davidsons Reise und über sie als Person erfahren möchte, würde ich auf jeden Fall zum Buch raten.
G'day, Neyasha.
Bereits aus meiner Ferne* kann ich sehr gut die Abneigung der Reisenden gegenüber den Schmeißfliegen der Publicity nachvollziehen. Nicht ein Respekt oder eine vage Zuneigung spielen die Rolle, sondern die Sensation des Ungewöhnlichen (die einschlägigen Kanäle sind verstopft mit Selbstdarstellungen, die auf dieses Glotzen abzielen). Gaffen, um dabei gewesen zu sein. Verständlich, daß sich Robyn Davidson mit dem Kontrukt der Finanzierung wenig anfreunden kann.
Über Ihre Motivation würde ich jetzt spekulieren, daß sie die Reise einfach erleben wollte. Wie andere ihre Wünsche hegen. Lediglich Robyn Davidson scheint mir dabei weniger auf die Erfüllung aus gewesen zu sein, als auf (wie Du es andeutest) das Tun
selbst. Nachdem ich Ihre Vita grob übersehen habe, scheint der Reisenden das Nomadische viel zu bedeuten.
Wobei das journalistische Berichten darüber mehr ein beiläufiges Ergebnis wäre; anders jetzt als eine Annemarie Schwarzenbach, die reiste um darüber schreiben zu können.
bonté
* Deine Besprechung ist mein Erstkontakt zu Robyn Davidson
Erst einmal finde ich es total spannend, wie viele Leute gerade Bücher über "Wanderungen" lesen (auch für die Sachbuch-Challenge). Und dann hat mir deine Rezension ein paar langverschollene Erinnerungen wieder hochgebracht. Ich glaube weniger, dass ich während ihrer Wanderung schon von Robyn Davidson gehört habe (auch wenn das sein kann, weil ich als Kind versessen auf Natur- und Tierberichte war), aber ich bin mir sehr sicher, dass ich als Kind die Fotos von ihr mit den Kamelen in der Wüste gesehen habe.
Das ist ja spannend – ich hatte vor dem Film noch gar nichts von ihr gehört.
Als Kind war ich von der Wüste fasziniert. Und von den Tuareg. ^_^.
"Spuren" wollte ich im Kino sehen, habs aber irgendwie verpasst und dann vergessen. Doch Dank deinem Artikel, werde ich den Film doch mal besorgen und das Buch klingt auch vielversprechend.
Im Film bekommst du auf jeden Fall einiges an Wüste geboten. 🙂 Und sonst ist er auch wirklich faszinierend.