Genre: Historischer Roman
Seiten: 528
Verlag: Scherz
ISBN: 978-3502181026
Meine Bewertung: 3 von 5 Sternchen
Während im 14. Jahrhundert die Pest in England wütet, findet sich eine Gruppe von sehr unterschiedlichen Menschen zusammen, die aufgrund äußerer Umstände zu einer Reise quer durchs Land gezwungen werden: ein Reliquienhändler Camelot, ein Magier, ein junges Pärchen, zwei Musikanten, ein Geschichtenerzähler, eine Magd und ein Mädchen, das die Runen liest. Doch Misstrauen und Lügen beherrschen die zusammengewürfelte Gemeinschaft und die Runen verheißen nichts Gutes. So wird die Reise bald zu einer Flucht – wie aber flüchten, wenn die eigentlichen Gefahren von innen kommen?
„Der Fluch der Gaukler“ – auf Englisch deutlich passender mit „Company of Liars“ betitelt – hat alle Voraussetzungen für einen großartigen historischen Roman: ungewöhnliche Figuren, ein origineller Plot, anschauliche Beschreibungen und eine düstere Atmosphäre. Leider fand ich den Roman aber aus verschiedenen Gründen doch nur durchschnittlich. Zwar ist die Handlung an sich spannend, aber die Figuren wirken trotz all ihrer Geheimnisse und Fehler fast ein wenig farblos. Besonders Ich-Erzähler Camelot hat gar keinen greifbaren Charakter: Er ist immer hilfsbereit, immer tolerant und die meiste Zeit sehr distanziert und neutral, als würde er völlig außerhalb des Ganzen stehen.
Zudem sind all die großen Geheimnisse stets schon lange vorher zu erahnen, was dann die jeweiligen Enthüllungen recht unspektakulär macht.
Was mich aber am meisten gestört hat, das war die schlampige Recherche: Der Begriff „Vampir“ existiert im mittelalterlichen England noch nicht und hat demnach im Volksglauben der Menschen noch nichts verloren (wenn, dann müssten es Wiedergänger sein, und die werden nicht als Blutsauger, die durch die Lüfte fliegen, betrachtet). Das ist ja noch eine Kleinigkeit, aber was in dem Roman alles an klischeehaftem Blödsinn über Runen steht, geht auf keine Kuhhaut mehr. Darüber, dass Runenorakel im Stil moderner Esoterik vorkommen, kann man noch diskutieren. Zwar gibt es keine Belege, dass Runenzauber früher tatsächlich auf diese Weise eingesetzt wurden, aber da der Roman leicht phantastische Züge aufweist, kann man darüber noch hinwegsehen.
Dass dann aber statt der (auf Inschriften belegten) englischen Runen das Ältere Futhark (das zu dieser Zeit nicht mehr in Verwendung war) genommen wird, ergibt wenig Sinn. Dass Narigorm in einem Satz keltische und altnordische Gottheiten nennt und beide mit den Runen in Zusammenhang bringt, wirkt ein wenig wie „ach egal, sind ja alle geheimnisvoll und heidnisch“.
Da im Nachwort die Hávamál, ein altnordisches Lied, als angelsächsisch (!) bezeichnet wird, wird aber ohnehin schon klar, dass die Recherche in diesen Bereichen nicht besonders tief ging …
Mir ist klar, dass ich in der Hinsicht überkritisch bin, da das nun einmal Spezialgebiete von mir sind. Allerdings ist das großteils Wissen auf Wikipedia-Niveau, also nichts, was man nicht einfach herausfinden könnte. Da die historischen Hintergründe sehr sorgfältig recherchiert zu sein scheinen, kommt es mir so vor, als hätte Karen Maitland es im Bereich Volksglauben/Mythologie nicht für notwendig befunden, sich an gewisse Fakten zu halten.
Das passt allerdings zu der – ACHTUNG, LEICHTER SPOILER – ohnehin phantastischen Auflösung, die mich ziemlich enttäuscht hat. Wenn in einem eigentlich historischen Roman die Erklärung nur mit Magie möglich ist, fühle ich mich immer ein wenig betrogen – zumindest, wenn vorher nichts zwingend darauf hindeutet, dass echte Magie im Spiel ist und es sich eben nicht nur um Glaubensvorstellungen der Figuren und Schwindel handelt.
Alles in allem habe ich mich bei diesem Roman über einige Dinge ziemlich geärgert, was schade ist, da mir die Ansätze wirklich gut gefallen haben. Wäre es ein rein historischer Roman gewesen und hätte die Autorin bei den Runen nicht auf eine solche Art von Orakel, wie man sie heutzutage in esoterischen Vorstellungen findet, zurückgegriffen, hätte er mir vermutlich deutlich besser gefallen.
Schade, denn den Hintergrund und die eigentliche Plotidee fand ich wirklich spannend.
Wollte dir jetzt grad "Hiob's Brüder" vorschlagen, aber das Buch hast ja bereits gelesen 😉
Schade, dass das Buch nichts war. Ich hatte mich "damals" auch mal dafür interessiert, aber dann war die historische Phase abgeebbt. Manchmal sollten Autoren einfach sagen, dass sie einen fiktionalen Roman mit Bezügen zur realen Geschichte schreiben, diese aber nicht in unser Realität/Vergangenheit spielen und gut ist…
Das Problem ist halt, dass es sich die ganze Zeit wirklich wie ein rein historischer Roman liest – alles, was magisch erscheint, ist zunächst nur Lüge/Betrug oder könnte eben rein auf den Vorstellungen der Figuren beruhen. Und dann am Ende auf einmal – wumm. Wenn man die ganze Zeit überlegt hat, wie wohl die Auflösung aussehen wird und dann ist sie einfach nur mit Magie zu erklären, fühlt man sich echt ein wenig veralbert.