Phantastisch Rezensionen

Patrick Rothfuss – Der Name des Windes

Genre: High Fantasy
Dauer: 28 Stunden 8 Minuten (ungekürzte Lesung)
gelesen von: Stefan Kaminski
Verlag: der Hörverlag
EAN:

9783867173575

Meine Bewertung: 4 von 5 Sternchen

Als ein reisender Chronist in einer Herberge unvermutet auf den einst berühmten und nun zurückgezogen lebenden Magier Kvothe stößt, beginnt ihm dieser seine Lebensgeschichte zu erzählen: Von seiner Kindheit bei fahrenden Spielleuten, seiner Jugendzeit in der Hafenstadt Tarbean und seinen ersten Jahren in der Universität. Während Kvothe sich durchs Leben schlägt, die Laute spielt, Magie erlernt und so einige Abenteuer erlebt, ist es aber vor allem eins, das ihn antreibt: die Suche nach den unheimlichen Chandrian, die einst für ein jähes Ende seiner Kindheit sorgten. 
Ich habe diesen Roman vor Jahren bereits einmal gelesen und wollte ihn nun in meinem Gedächtnis auffrischen, um endlich mit dem Folgeband beginnen zu können. Allerdings hat mir dieses Mal der Roman nicht mehr ganz so gut gefallen wie damals, was ich vor allem auf zwei Gründe zurückführe: zum Einen bin ich im Laufe der Zeit eine kritischere Leserin geworden; zum Anderen wusste ich inzwischen bereits, dass es auf die größten Fragen, die in dem Buch aufgeworfen werden, noch keine Antwort geben wird. Aber eins nach dem anderen:
„Der Name des Windes“ hat eine auktorial erzählte Rahmenhandlung, die von Kvothe und seinem Schüler Bast in der Gegenwart berichtet, und eine Erzählung in der Erzählung, in der Kvothe aus der Ich-Perspektive sein Leben schildert.
Die Rahmenhandlung finde ich wunderbar. Rothfuss setzt die auktoriale Perspektive meisterhaft um und obwohl um Kvothe vielleicht ein bisschen sehr viel Wind gemacht wird, können mich doch das Geheimnis und die düstere Tragik, die ihn umgibt, ködern.
Dann aber setzt die Ich-Erzählung ein und auch beim zweiten Mal hatte ich Probleme damit, mich auf sie einzulassen. Ich finde einfach die Rahmenhandlung viel interessanter als die Kindheit eines naseweisen Genies und Kvothe als gebrochenen Erwachsenen deutlich faszinierender. Als Kind ist er dagegen nahezu unerträglich, was daran liegt, dass er einfach in allem toll ist und das auch noch selbst weiß.
Das bessert sich zwar im Laufe des Romans nicht sehr, aber er wurde mir dann doch im Laufe der Zeit sympathischer und seine ständige Brillanz erfährt zumindest von außen immer wieder Dämpfer.
Kaum hatte mich Kvothe aber mit dem ersten Auftreten der Chandrian und den immer wieder eingestreuten Geschichten in Tarbean geködert, kam für mich mit dem Eintritt in die Universität der nächste Dämpfer.
Patrick Rothfuss beschreibt die Universität, den Unterricht dort und das ganze Rundherum wirklich schön, aber dieses kindische Getue mit einem Schüler, der Kvothe ständig eins reinwürgen will und einem Lehrer, der in dieselbe Bresche schlägt, hat mich unendlich genervt. Das fand ich schon in Harry Potter unerträglich, aber gut, in ein Kinderbuch hat das noch annährend gepasst. In „Der Name des Windes“ dagegen ist das für mich die Bestätigung dessen, dass ich mich sonst aus guten Gründen von solchen Geschichten fernhalte.
Außerdem kommt mir das plottechnisch erbärmlich vor: Hat Rothfuss wirklich keine interessanteren Hindernisse für Kvothe gefunden als der ständige Geldmangel und das pubertäre Gerangel mit dem dümmlichen Ambrose?
Und doch bin ich Kvothe erneut bereitwillig über hunderte von Seiten gefolgt und mochte den Roman trotz all der Kritikpunkte sehr gern. Das liegt vor allem an dem Erzählstil von Rothfuss. Vernünftige Plotstrukturen sind zwar offenbar nicht seine Stärke, aber er ist dennoch ein begnadeter Schriftsteller! Er hat so einen unglaublichen Blick für kleine Details und für Beschreibungen und – auch wenn Tausendsassa Kvothe das zunächst nicht vermuten lässt – ein Händchen für interessante Figuren. Nicht alle weisen eine echte Charaktertiefe auf (Meister Hemme etwa ist einfach nur der „böse Lehrer“), aber die meisten sind wirklich gut gelungen, allen voran Elodin und Auri, auch Kvothes sympathische Freunde und … ja … Denna. Zwar finde ich Kvothes große Liebe ziemlich anstrengend, aber Rothfuss hat mit ihr doch eine sehr runde Figur erschaffen, mit Stärken und Schwächen und einer nachvollziehbaren Persönlichkeit.
Auch die Welt, die Rothfuss hier erschaffen hat, gefällt mir sehr gut. Sie ist, was für High Fantasy ungewöhnlich ist, einmal nicht mittelalterlich, auch wenn es zunächst ein bisschen so wirkt, sondern erinnert eher an die Renaissance oder noch spätere Epochen. Es mag zwar nicht die originellste Welt sein, aber sie steckt voller Details und voller Leben und hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, die gut funktionieren, vor allem was die Magie betrifft.
Was mich aber schließlich an dem Roman am meisten begeistert, das sind die schon erwähnten geheimnisvollen Chandrian. Nicht einmal diese Dämonen selbst, aber die Art und Weise, wie sie in den Roman eingewoben werden und wie man in alten Geschichten, die erzählt werden, immer wieder Hinweise auf sie findet.
Ich würde mir wirklich wünschen, dass sie im nächsten Band eine größere Rolle spielen und dass Kvothe auch endlich mehr über sie herausfindet.
Trotz einiger Schwächen halte ich „Der Name des Windes“ noch immer für einen der besten Fantasyromane der letzten Jahre, der aber leider bei einem Reread nicht so sehr dazugewinnt.
Das ungekürzte, von Stefan Kaminski gelesene Hörbuch ist übrigens sehr zu empfehlen. Er ist ja einer meiner Lieblingssprecher und kann auch in diesem Roman wieder allen Figuren Leben einhauchen.
Als Abschluss noch eine kleine Bemerkung am Rande: Ich habe mich dieses Mal ziemlich über die Doctor Who-Anspielung amüsiert, die mir beim ersten Mal noch entgangen ist. 😉

6 thoughts on “Patrick Rothfuss – Der Name des Windes

  1. Doctor Who? Okay… sowas kann mir gar nicht auffallen, da ich wirklich Null Ahnung davon habe… ich kenne Stefan Kaminski nur als Sprecher von "Marvi Hämmer" in den Hörbüchern zum Kindermagazin von National Geographic.

  2. Grüß Dich, Neyasha.
    Ich denke, die wirklich gelungene Literatur – für einen selbst – ist die, die über die Jahre beständig bleibt – wenn sie nicht sogar bei weiterer lektüre an Kraft hinzu gewinnt.
    In meinen jungen Jahren habe Coopers Erzählungen über den Lederstrumpf als reines Abenteuer verschlungen; während mich die historischen Hintergründe des englisch-französischen Kolonialkriegs später auf die feinen Details dieser Geschichten aufmerksam machten. Nicht zu vergessen, die zeitgenössische Sicht Coopers auf die Siedler & die indianischen Stämme.

    Allein von dieser Warte aus, empfinde ich es immer wieder als reizvoll ein Buch mehr als nur ein Mal zu lesen.

    bonté

    1. Reizvoll finde ich es auch immer wieder, aber manchmal ist es eben ein bisschen enttäuschend, wenn man dann ein Buch nicht mehr so mag wie früher. Und das muss noch nicht mal unbedingt am Buch liegen, das kann auch einfach mit den eigenen Lebensumständen zu tun haben oder schlicht der Stimmung, in der man das Buch gerade liest.
      Aber wenn man ein Buch beim wiederholten Lesen auch wieder toll findet, ist es natürlich umso schöner (die Brüder Löwenherz etwa schlagen bei mir jetzt nicht mehr mit derselben Wucht ein wie damals als Kind, aber ich liebe sie noch immer).

  3. Ich freue mich immer mehr auf dieses Buch bzw. auf die Reihe an sich! Ich habe mir für 2015 schon fest vorgenommen es endlich zu lesen und werde dann hoffentlich genauso begeistert sein wie du 🙂

  4. Ich muss ja sagen, dass ich genau die gleichen Probleme habe, dies aber für mich viel schwerer wiegt, so dass ich damals bei der Universität abgebrochen habe. Bei einen neuen Versuch hat es nur bis zum ersten Auftritt der Chandrian gereicht. Vielleicht versuche ich die Geschichte irgendwann zu lesen statt zu hören, auch wenn ich den Hörbuchsprecher eigentlich toll finde.

    1. Schade, dass dir diese Kritikpunkte die Freude an dem Roman genommen haben. Ich kann das aber gut verstehen, auch wenn ich ihn selbst trotzdem sehr mag.
      Ich habe ihn beim ersten Mal ja auch als Hardcover gelesen und nun beim ReRead als Hörbuch – vielleicht war für mich in diesem Fall auch das Hörbuch nicht ganz ideal.

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