erschienen bei Titan Books
Zehn Jahre lang saß Oliver Marks im Gefängnis für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Zehn Jahre lang hat Detective Colborne gerätselt, was damals wirklich passiert ist. Est jetzt, nach seiner Entlassung, ist Oliver bereit die Wahrheit zu sagen. Und so begibt er sich in seiner Erinnerung zurück ins Dellecher Classical Conservatory, ein
, wo er und seine sechs Schauspielkollegen Shakespeare studierten. Einst waren sie Freunde, aber nun, in ihrem letzten Jahr, wird diese Freundschaft zunehmend von Rivalität überlagert. Die Stücke und Rollen, die sie spielen, vermischen sich immer mehr mit der Realität, bis die Situation schließlich eskaliert.Ich bin auf „If We Were Villains“ aufmerksam geworden, weil es häufig mit „Die geheime Geschichte“ von Donna Tartt verglichen wurde und mich die Shakespeare-Thematik neugierig machte. Ich habe den Roman schnell durchgelesen und fand ihn stellenweise zwar sehr spannend, aber letztendlich hätte ich vermutlich mehr von meiner Zeit gehabt, wenn ich stattdessen „Die geheime Geschichte“ noch einmal gelesen hätte.
Das größte Problem des Romans ist, dass die Figuren und ihre Beziehungen zueinander sehr oberflächlich dargestellt werden, sie sind tatsächlich wie Typen aus einem Theaterstück: Richard ist der ehrgeizige, machtbesessene Widersacher, dann haben wir das sensible Wunderkind, die Schönheit, den Schwulen, die fürsorgliche, mütterliche Frau, das Mauerblümchen und schließlich Oliver, der kaum einen eigenen Charakter hat und hauptsächlich darüber definiert wird, dass er weniger talentiert als die anderen ist. Alle sieben haben typische Rollen, die sie in den Stücken spielen und als ein Lehrer (anscheinend erstmals) von diesem type-casting abweicht, verändert sich auch die ganze Dynamik der Gruppe. Diese Idee dahinter, dass die Rollen immer stärker in ihr Leben eindringen, bis sich Bühne und Realität zu vermischen scheinen, fand ich interessant, aber ich fand die Umsetzung schlichtweg nicht besonders gut gelungen.
Allgemein sind die Shakespeare-Elemente teilweise ein wenig plump in den Roman eingeflochten. Dass sich manche Ereignisse der Stücke in der Realität widerspiegeln und die Handlung sich wie eine Tragödie zuspitzt, hat mir ganz gut gefallen. Extrem nervig fand ich dagegen die ständigen Shakespeare-Zitate. Wenn sie vereinzelt eingestreut worden wären, hätte es mir vermutlich gefallen, aber Rio schießt völlig über das Ziel hinaus, indem sie die Figuren nahezu ununterbrochen in Shakespeare-Zitaten sprechen lässt. Das verstärkt noch den Eindruck einer sehr künstlichen Welt, den die Eliteschule ohnehin schon macht.
Die Autorin geht nicht nur mit ihren Figuren, sondern auch mit Themen wie Essstörungen, Selbstmordversuchen und Homosexualität sehr oberflächlich und recht unsensibel um. Wäre „If We Were Villains“ ein wirklich fesselnder und spannender Thriller, hätte ich darüber eventuell leichter hinweggesehen, aber auch die Krimihandlung ist eher enttäuschend. Sehr früh schon kann man erahnen, wo alles hinführen wird und wer tatsächlich den Mord begangen hat. Ich habe bis zum Ende noch gehofft, dass es vielleicht doch die eine oder andere überraschende Wendung geben würde, aber das war leider nicht der Fall. Ich habe auch nicht ganz verstanden, weshalb die Frage nach der Auflösung Detective Colborne anscheinend zehn Jahre lang den Schlaf geraubt hat, wenn diese doch so offensichtlich auf der Hand liegt.
Alles in allem ein Buch, das ich nicht weiterempfehlen kann. Ich mochte zwar einige der Handlungselemente ganz gern und fand es stellenweise auch spannend, aber insgesamt war das ein sehr enttäuschendes Leseerlebnis. Wenn man über Abgründe und einen Mord an einem Elite-College sowie über komplexe Beziehungen zwischen Figuren lesen möchte, sollte man besser zu Donna Tartt greifen.