erschienen bei Eisele
Die dreizehnjährige Anna lebt alleine mit ihrem kleinen Bruder in einem Haus in Sizilien. Vor vier Jahren kam ein Virus und tötete alle Erwachsenen – und ließ von der Welt, die Anna in ihrer Kindheit erlebt hatte, kaum noch etwas übrig. Es gibt keine Elektrizität mehr, die Lebensmittelvorräte gehen zu Ende und nach verheerenden Waldbränden ist nur noch eine verwüstete Landschaft zurückgeblieben. Ein Heft mit Anweisungen zum Überleben ist alles, was Anna von ihrer Mutter geblieben ist. Nun ist es ihr einziges Ziel, sich und den sechsjährigen Astor am Leben zu halten – und irgendwann aufs Festland zu gelangen, wo angeblich Erwachsene überlebt haben.
Anfang Februar bin ich in einer Buchhandlung auf diesen Roman, der bereits 2015 erschienen ist, aufmerksam geworden. Zwar hat mich die Inhaltsbeschreibung nicht so sehr angesprochen, aber ich habe von Niccolò Ammaniti vor ein paar Jahren Die Herren des Hügels gelesen und war total begeistert. Also habe ich zugegriffen, wollte das Buch zeitnah lesen – und musste bald darauf feststellen, dass ein Buch über eine Pandemie so ziemlich das letzte war, worauf ich Lust hatte. Nachdem also das Buch ein paar Monate vernachlässigt im SuB-Regal verbracht hat, war ich im August dann doch bereit mich darauf einzulassen.
Die Ausgangssituation des Buches erinnert mich ein wenig an die neuseeländische Jugendserie „The Tribe“, die ich als Teenager geliebt habe. Auch dort tötet ein Virus alle Erwachsenen, allerdings hören die Gemeinsamkeiten da auch schon wieder auf. „Anna“ zeichnet eine deutlich düsterere, trostlosere und auch realistischere Welt. Natürlich, ein Virus, das bei Menschen erst ab der Pubertät ausbricht und dann alle Erwachsenen tötet, ist nicht gerade glaubwürdig, aber die postapokalyptische, kindliche Gesellschaft, die daraus entsteht, schildert Ammaniti sehr realitätsnah.
Mit Anna hat er eine sehr selbständige und mutige Protagonistin erschaffen, die früh erwachsen werden musste, aber trotzdem auch eine kindliche Naivität in sich hat. Diesen Gegensatz stellt er auch bei den anderen Kindern überzeugend dar. Auf der einen Seite müssen sie selbst Verantwortung ergreifen und sich alleine durchschlagen. Dabei entstehen ganz eigene (teilweise grausame) gesellschaftliche Strukturen mit Banden, die plündernd durch die Gegend ziehen oder die Ängste und Hoffnungen der anderen ausnutzen wollen. Auf der anderen Seite sind sie aber noch immer Kinder und die Entscheidungen, die sie treffen, folgen meist einer kindlichen Logik. Das ist ein Aspekt, der mir sehr gut gefallen hat.
Der Roman ist außerdem sehr spannend zu lesen, wenn auch teilweise ziemlich brutal. Zwar habe ich „Anna“ trotz der Thematik nicht als trostlos empfunden, da es immer wieder auch Momente der Schönheit und Hoffnung gibt, aber manche Szenen sind hart zu lesen und Ammaniti beschreibt diese auch recht anschaulich.
Ein sehr interessantes und fesselndes Buch, das für mich aber nicht ganz an „Die Herren des Hügels“ heranreichen konnte. Das liegt aber wohl einfach daran, dass ich persönlich die Inhalte und Themen des anderen Buches mehr mochte.