erschienen bei Hanser
woher: Leihgabe von einer Arbeitskollegin
Die 15jährige Madina lebt mit ihrer Familie in einer Flüchtlingsunterkunft, wo sie auf einen positiven Asylbescheid warten. Während Madina bereits gut in der neuen Heimat Fuß gefasst hat, fällt es ihren Eltern nicht so leicht, sich an die fremde Kultur zu gewöhnen. Und so steht Madina in der Mitte zwischen der neuen Heimat, in der sie endlich richtig ankommen will, und der alten, die vor allem ihr Vater nicht hinter sich lassen kann.
Für mich war „Dazwischen: Ich“ eines der Lesehighlights dieses Jahres. Ich habe das Buch beinahe in einem Zug durchgelesen, weil ich es so fesselnd, so bewegend und so authentisch fand.
Der Roman erzählt im Stil eines Tagebuchs aus Madinas Sicht und thematisiert dabei neben den Problemen, die ihre spezielle Situation mit sich bringt – das beengte Leben und die mangelnde Privatsphäre im Flüchtlingsheim, die Sprachbarriere und das Gefühl nicht dazuzugehören – auch die ganz alltäglichen Sorgen eines jungen Mädchens an der Schwelle zum Erwachsenwerden. So spielt etwa auch die nicht immer einfache, aber doch sehr feste Freundschaft mit Madinas Klassenkameradin Laura eine wichtige Rolle.
Madina ist eine wunderbare mutige und zornige Heldin, die die Dinge hinterfragt und ihre eigenen Entscheidungen trifft, oft aber auch von Unsicherheiten und Ängsten geplagt wird. Aus ihrer kritischen und manchmal auch ironischen Sicht schildert Julya Rabinowich die Zerissenheit zwischen zwei Welten, die sich oft nur schwer in Einklang bringen lassen.
Das schöne ist, dass die Autorin dabei keine Schwarz-Weiß-Malerei betreibt, sondern sehr differenziert und glaubhaft die verschiedenen Sichtweisen und Charaktere beschreibt. Das zeigt sich besonders in der Figur von Madinas Vater, der sich zu ohnmächtiger Hilflosigkeit verdammt fühlt. Er findet sich in der neuen Heimat nicht zurecht und da er große Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat, ist er bei Behördengängen darauf angewiesen, dass Madina ihm dolmetscht. Dazu hat er immer mehr Angst, dass seine Tochter ihm entgleitet und er sie an die fremde Kultur verliert. Das führt dazu, dass er immer mehr versucht Madina einzusperren und schließlich sogar gewalttätig wird. Er ist also beileibe kein Sympathieträger, aber obwohl ich seine Handlungen beim Lesen aufs tiefste verurteilt habe, hat er mir zugleich auch leid getan.
Madina wird allerhand aufgebürdet, aber zum Glück hat sie nicht nur Laura, sondern auch eine Sozialarbeiterin an ihrer Seite, die sie unterstützen und ihr Halt geben. Deshalb ist der Roman trotz all der Konflikte und traurigen Momente insgesamt doch ein optimistisches Buch.
Stilistisch ist „Dazwischen: Ich“ eher einfach geschrieben, aber das passt auch zur Perspektive. Julya Rabinowich findet immer genau den richtigen Ton und vermeidet es dank einer sehr unsentimentalen Sprache stets, in Kitsch oder Pathos abzudriften.
Ich kann das Buch allen nur wärmstens empfehlen. Es macht nachdenklich, spricht einige Themen auch sehr kritisch an und öffnet den Blick für Probleme, die derzeit sehr aktuell sind. Dabei hat man aber nie den Eindruck, von der Autorin belehrt zu werden oder die Dinge zu einseitig präsentiert zu bekommen. Ein ganz wunderbares Jugendbuch, das meiner Meinung nach schon längst in aller Munde sein sollte.
Vielen Dank – ich kannte die Autorin noch gar nicht und normalerweise lese ich auch eher weniger Jugendbücher, so das mir das sonst sicher entgangen wäre. 😉
Ich hoffe, das Buch gefällt dir ebenso gut wie mir, falls du es liest.
Die Autorin hat bisher schon einiges veröffentlicht, allerdings bislang im Erwachsenenbereich bei Deuticke. Ich denke, ich werde jetzt auch mal einen ihrer anderen Romane ausprobieren.
Das Buch klingt sehr interessant und ich habe es mir direkt auf den Wunschzettel gesetzt. Vielen Dank fürs vorstellen 🙂