erschienen bei 47north (Amazon Publishing)
entdeckt bei Winterkatze
Märchen sind nur Fiktion? Von wegen! Das Team rund um Henry Marchen hat alle Hände voll zu tun, um die Märchen daran zu hindern, sich in der Realität zu manifestieren und im Zuge dessen für allerlei Chaos zu sorgen. Dabei steckt das Team selbst mittendrin im Märchen-Schlamassel: Henry ist ein inaktives Schneewittchen, Sloane eine böse Stiefschwester, Jeff ein Schuhmacher und nun ist mit Demi auch noch eine aktive Rattenfängerin dazugekommen. Dass in der letzten Zeit die Märchenwelt verrückt zu spielen scheint, ist da nicht eben hilfreich.
Die Idee hinter „Indexing“ ist witzig und originell: Märchen streben beständig danach zur Wirklichkeit zu werden und nur das ATI Management Bureau kann dem Einhalt gebieten. „ATI“ steht dabei für den Aarne-Thompson-Index, anhand dessen die Mitarbeiter die Märchen klassifizieren und der auch Literaturwissenschaftler ein Begriff sein dürfte (auch wenn ich ihn als ATU kenne).
Mir hat die Grundidee sehr gut gefallen und auch, dass es sich hier eher um die düstere Seite der Märchen handelt, nicht um „happily ever after“.
Trotzdem hat mich die Umsetzung nicht ganz überzeugt. Teilweise mag das daran liegen, dass das Buch ursprünglich als „Kindle Serial“, also als Fortsetzungsroman erschienen ist. Der Aufbau ist daher sehr episodenhaft und zum Beginn eines neuen Kapitels werden oft die wichtigsten Informationen wieder und wieder erklärt. Es gibt zwar auch einen übergeordneten Spannungsbogen, allerdings fand ich diesen eher schwach umgesetzt und es kam mir ein wenig so vor, als hätte die Autorin zu Beginn selbst noch nicht gewusst, wohin dieser am Ende führen soll. Ich kann mir vorstellen, dass das weniger auffällt, wenn man „Indexing“ nicht als Roman in einem durch, sondern tatsächlich über einen längeren Zeitraum verteilt als Fortsetzung liest.
Den Hintergrund mit den Märchen, die danach streben, sich in der Realität zu manifestieren, fand ich außerdem nicht immer stimmig umgesetzt. Welche „Freiheiten“ sich da nun die Geschichten nehmen, wie Menschen als Märchenfiguren aktiviert werden und wie überhaupt die Regeln hinter der ganzen Sache aussehen, hat meiner Meinung nach stark geschwankt. Da werden durchaus mal in einer Episode Behauptungen aufgestellt, die mit späteren Episoden nicht übereinstimmen. Es war nichts, was mich massiv gestört hätte, aber es ist mir doch ab und zu aufgefallen und ich hatte den Eindruck, als würde sich die Autorin das immer so zurechtbiegen, wie sie es für die Handlung gerade braucht.
Ich hatte aber dennoch meinen Spaß mit dem Roman. Die Episoden sind abwechslungsreich und manchmal kann man auch ein wenig mitraten, um welches Märchen bzw. welche Märchenfigur es sich überhaupt gerade handelt.
Auch die Hauptcharaktere fand ich nach einer kleinen Eingewöhnungsphase ganz interessant, wobei mir ausgerechnet die Ich-Erzählerin Henry bis zum Schluss ein wenig unsympathisch blieb. Möglicherweise lag das aber auch nur daran, dass ich überhaupt kein Schneewittchen-Fan bin oder daran, dass ich ihr diese völlige Gleichgültigkeit, wenn da mal eben unzählige Tiere sterben, nicht verzeihen konnte.
Alles in allem war „Indexing“ eine kurzweilige Lektüre und auf jeden Fall mal ein bisschen was anderes. Ob ich den Folgeband „Reflections“ auch noch lesen werde, weiß ich aber noch nicht genau.
Ich glaube wirklich, dass es gerade diesem Band gut tut, wenn man sich die Kapitel einteilt. Du bist ja nicht die Einzige, die die Serial-Schreibweise nach dem Lesen des Buches kritisiert.
Was Henry angeht, so glaube ich nicht, dass es ihr gleichgültig ist, was mit den Tieren passiert. Wäre es so, dann würde sie sich nicht so viele Mühe geben, die ganzen Vögel usw. von sich fern zu halten. (Im zweiten Band gibt es dafür dann zumindest in ihrem Heim neue Methoden.) Für mich hat es eher so angefühlt, als ob sie sich bewusst zu distanzieren versucht, weil aufgrund ihres Märchens schon so viele zu Tode gekommen sind.
Also zumindest verschwendet sie (und auch sonst vom Team niemand) weder am Anfang noch bei der späteren Episode auch nur einen Gedanken daran, dass da jeweils hunderte von Tieren gestorben sind – es wird einmal sogar direkt danach ein Witz darüber gemacht, wenn ich mich richtig erinnere.
Das ist mir einfach sauer aufgestoßen.
Für mich zeigte das weniger Gleichgültigkeit, als die Unfähigkeit mit all dem Erlebten umzugehen. So etwas wie Galgenhumor, weil zusammenklappen nun mal nicht drin ist.