Schreibgeplauder

Mit dem Kopf durch die Wand: Herun

Inspiriert von Yambwi, die heute auf ihrem Blog eine ihrer Lieblingsfiguren vorstellt, habe ich beschlossen, hier eine neue Kategorie einzuführen und euch nach und nach einige meiner Romanfiguren näherzubringen.

Den Anfang macht Herun Lestes, eine meiner absoluten Lieblinge. Dabei hab ich sie im Grunde recht „gezwungen“ erschaffen: Für meinen Roman „Bühnenzauber“ brauchte ich noch eine Perspektiventrägerin, die im königlichen Theater beschäftigt ist, und so ist Herun, die Gewandmeisterin und Schwester meines anderen Perspektiventrägers Gabran entstanden. Dass diese rein aus praktischen Gesichtsgründen aus dem Boden gestampfte Figur für mich trotzdem nie „künstlich“ wirkte, lag wohl vor allem daran, dass ich Herun ansonsten in kein Schema pressen musste. Sie musste keine bestimmten Charaktereigenschaften haben, um bestimmte Handlungsstränge möglich zu machen, sie konnte sich einfach so entfalten, wie sie wollte. Und so habe ich sie im Vorfeld auch nur wenig geplant, sondern sie brutal in den Roman geschmissen und gesagt: „Mach mal!“
So etwas kann natürlich schiefgehen. Andere Figuren schauen einen in so einem Fall verzweifelt an und fragen „Wiewowas, und jetzt?“
Herun nicht, die ist in eine Szene mit Gabran hineinspaziert und hat die Handlung an sich gerissen. Und ich hatte sie sofort in mein Herz geschlossen.

Herun

Aber wer ist eigentlich Herun?
Sie ist Anfang 30, hat dunkle Haare und graugrüne Augen und ist eher keine klassische Schönheit. Aber Herun ist selbstbewusst, hat einen scharfen Verstand und weiß, was sie will. Geduld ist nicht unbedingt ihre Stärke und Diplomatie auch nicht. Meistens ist sie sehr direkt und nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Da sie nicht gerade die Sensibilität in Person ist, gerät sie des öfteren mit ihrem Bruder aneinander, der manchmal etwas überempfindlich ist.
Nichtsdestotrotz ist ihr Bruder Gabran für sie wohl der wichtigste Mensch überhaupt, und sie hat oft das Bedürfnis ihn zu beschützen.
Die Liebe zwischen diesen Geschwistern finde ich nahezu rührend. Für mich ist das eigentlich die wichtigste zwischenmenschliche Beziehung im ganzen Roman, auch wenn es für Herun noch eine Person gibt, die ihr viel bedeutet (auch wenn sie das zunächst nicht wahrhaben will): Maldwin, der aus ihrer Sicht „nur“ ihr Liebhaber ist, dennoch aber zu ihren wichtigsten Vertrauten zählt. Und auch die Beziehung zwischen diesen beiden mochte ich beim Schreiben sehr, da es sich hier eigentlich nicht um eine zart-romantische Liebesgeschichte handelt und es dennoch um große Gefühle geht.

Figuren wie Herun kann man sich eigentlich nur wünschen: Sie hat mir beim Schreiben nie Probleme bereitet und die Handlung enorm vorangetrieben. Und immer war sie für mich als Figur sehr eindeutig greifbar.

Und als Abschluss gibt es noch eine kleine Szene mit ihr:

Im schwachen Schein zweier Öllampen war Herun damit beschäftigt kleine Perlen am Ausschnitt von Kudunes Kleid anzubringen. Von unten drangen Gelächter und Gesang herauf, da ein Teil der anderen Hausbewohner im Innenhof die Geburt einer Tochter feierte. Auch Herun war eingeladen worden, aber sie hatte sich nach einer Weile verabschiedet, um noch an dem Kleid zu arbeiten.
Zum wiederholten Male entglitt eine Perle ihren Fingern und landete mit einem leisen Klacken auf dem Boden. Herun war kurz davor, das Kleid einfach dazuzuwerfen. Vielleicht sollte sie das vermaledeite Ding für heute beiseite zu legen und doch wieder hinunter zu den Feiernden gehen. Für diese Arbeit brauchte sie Tageslicht.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufhorchen. War das Gedankenübertragung? Bestimmt war das jemand von unten, der sie überreden wollte mitzufeiern. Sie legte ihre Arbeit beiseite, löschte eine der Öllampen aus und ging mit der anderen zur Tür. Es würde keiner großen Überredung mehr bedürfen.
Als sie die Tür öffnete, fand sie davor aber zu ihrer Überraschung Maldwin, gekleidet wie für ein feines Abendessen.
“Bei euch geht es ja lustig zu”, sagte er anstatt einer Begrüßung.
“Aus dem zweiten Stock hat jemand eine Tochter bekommen. Und das wird nun gebührend gefeiert. Was machst du hier?”
“Weißt du Herun, das mag ich so an dir. Man wird immer so warmherzig begrüßt, da fühlt man sich sofort willkommen.”
Sie verdrehte die Augen. “Gut. Mein liebster Maldwin, ich bin überaus erfreut, dich hier zu sehen. Du bist der Lichtblick meines trüben Abends. Tritt ein und bring Glanz in meine bescheidenen Räume.” Mit einer schwungvollen Geste bat sie ihn herein. “Besser so?”
“Viel besser”, sagte Maldwin ungerührt.

7 thoughts on “Mit dem Kopf durch die Wand: Herun

  1. Halli Hallo,

    ich fand ja schon bei Coppi intressant, dass sie ihre Lieblingsfiguren vorstellt. Und dass du es auch machst – ich liebe solche Vorstellungen. Danke. Macht Lust, wieder selber zu schreiben ^_^
    Und Herun mag ich nur schon, nach diesem Eintrag. Schön.
    Liebe Grüsse
    Silas

  2. Oh ja, echt toll. Freut mich, dass ich dich inspirieren konnte! Lernen kann ich auch noch von dir, ich werde noch ein Bild von Kadevis einfügen. 😉

    LG Coppi

  3. Liebe Neyasha,

    Nach diesen Zeilen habe ich deine Herun auch gleich ins Herz geschlossen. Ich mag ihre schlagfertige Art und ihren Humor und ich glaube dir sofort, dass du in ihr eine Figur gefunden hast, die man sich als Schreiberling nur wünschen kann.

    Finde ich eine sehr schöne Idee, mit der Vorstellung deiner Romanfiguren. So bin gespannt, wer nach Herun folgen wird.

    Dein Bild gefällt mir übrigens sehr gut! Gutes Licht und Schattenspiel hast du reingebracht, Kompliment!

    Starte gut in die neue Woche,
    mirjam

  4. Danke für eure lieben Kommentare! Es freut mich sehr, dass Herun gut bei euch ankommt. 🙂

    @Coppi: Oja, ein Bild von Kadevis gehört da unbedingt noch dazu. Ich würde ja gern zu jeder Vorstellung ein Bild dazugeben – allerdings bleiben mir dann vorerst nur noch wenige Figuren, die ich vorstellen kann. Aber vielleicht spornt mich das an, mal wieder einen Bleistift in die Hand zu nehmen. 😉

  5. Wow, deine Bilder zu deinen Figuren sehen echt gut aus! 🙂
    Habe diese Beiträge von dir vorher nie beachtet, weil ich noch nicht so lange in der Bloggerwelt unterwegs bin, aber Christine von Lesemomente hat „uns" in ihrem Blog deine Kategorie hier nahegelegt und da musste ich mir das doch einmal ansehen. 🙂
    Wirklich schöne Charaktervorstellungen! 🙂

    1. Vielen Dank!
      Die Kategorie ist in der letzten Zeit von mir auch schändlich vernachlässigt worden – kein Wunder, dass sie dir nicht aufgefallen ist. Das sollte ich dringend mal ändern …

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