Genre: Dystopie
Verlag: Parlando
Dauer: 7 Stunden 22 Minuten (ungekürzte Lesung)
gelesen von: Christian Brückner
ISBN: 978-3935125758
Meine Bewertung: 2 von 5 Sternchen
Ein Vater ist mit seinem Sohn in einem postapokalyptischen Amerika unterwegs zur Küste. Es gibt kaum noch Nahrungsmittel, einige der Überlebenden sind zu Kannibalen geworden und die beiden leben in ständiger Angst vor den „Bösen“. Es bleibt keine Hoffnung mehr, keine Perspektive, keine Zukunft. Alles, was bleibt, ist der Kampf ums Überleben – und darum, menschlich zu bleiben.
Dieser Roman wird überall hochgejubelt, mit begeisterten Rezensionen bedacht und wurde sogar mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und ich frage mich: Haben die alle ein anderes Buch gelesen als ich? Bin ich schlichtweg zu dumm, um dieses Meisterwerk würdigen zu können?
Da ich durchaus viel Gegenwartsliteratur lese und neben all der „leichten Unterhaltung“ auch immer wieder mal anspruchsvollere Romane, würde ich mal hoffen, dass es daran wohl nicht liegt. Ich habe nun wirklich kein spannungsgeladenes Actionspektakel erwartet (das hätte ich vermutlich noch weniger lesen wollen), aber trotzdem hat der Roman in mir vor allem eines hervorgerufen: Langeweile.
Es gab einen Gedanken, der mich all die Stunden des Hörbuchs hindurch verfolgte und der war: Warum ist das ein Roman und keine Kurzgeschichte? Ja, das ist wirklich mein größter Kritikpunkt, es ist alles einfach viel zu lang. Als Kurzgeschichte hätte das ganze perfekt funktioniert, als Roman (zumindest für mich) nicht.
Dass alles furchtbar und hoffnungslos ist, hat man sehr früh begriffen. Dass die Welt verwüstet wurde, wird am Anfang klar, aber was genau geschah und wie es zum jetzigen Zustand kam, erfährt man auch im weiteren Handlungsverlauf nicht. Nicht, dass das zwingend notwendig wäre, aber da ich mich in dem Setting nicht gut orientieren konnte, bin ich über einige Widersprüchlichkeiten gestolpert, bei denen ich nicht weiß, ob es Logikfehler sind oder sie sich erklären würden, wenn man mehr über die Hintergründe wissen würde.
Die Handlung selbst dreht sich im Kreis: Der Mann und der Junge sind unterwegs, treffen vereinzelt auf Menschen, finden Lebensmittelvorräte, verlieren auf verschiedene Art und Weise Teile davon wieder, finden erneut etwas, leiden, führen ständig dieselben Gespräche usw. Man könnte fast jederzeit mal eine Stunde rausschneiden ohne dadurch inhaltliche Lücken zu verursachen.
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn die Figuren im Laufe des Romans eine Entwicklung durchmachen würden, aber das ist nicht der Fall. Der eigentliche moralische Konflikt – wie kann man in so einer Welt überleben, ohne selbst zu den „Bösen“ zu werden? – ist zwar interessant, führt aber nirgendwo hin, weil die Grundposition der Figuren schon zu Beginn festgelegt wird und sich nicht mehr ändert: Während der Mann fast schon auf die Stufe der „Bösen“ herabgesunken ist, hat der Junge sich Mitgefühl und Menschlichkeit bewahrt. Und diese Unterschiede führen unweigerlich auch zu Konflikten zwischen den beiden. Leider sind es immer dieselben Gespräche, die daraus resultieren und beide lernen im Laufe der Handlung nichts neues.
Die Sprache ist knapp und ebenso karg wie die verwüstete Umgebung. Das ist zunächst zwar faszinierend, wird aber im Laufe der Zeit ein wenig anstrengend. Ich kann mir vorstellen, dass sich das durch das Hörbuch noch verschärft und ich wohl besser selbst das Buch gelesen hätte. So war ich irgendwann leider soweit, dass ich nur noch genervt die Augen verdreht habe, wenn in einem Dialog zum fünften Mal die Worte „Ich weiß“, „Ich weiß nicht“ oder „okay“ fielen.
Auch hier könnte ich mir die Wirkung in einer Kurzgeschichte viel stärker vorstellen. In einem Roman hingegen nutzt sich so ein Stil im Laufe der Zeit eher ab und verliert so seine Eindringlichkeit.
Viele Kritiker hat der Roman anscheinend nahezu zu Tränen gerührt – mich hat er leider kaum bewegt und so konnte mich auch das Ende nicht mehr emotional packen. Zu dem Zeitpunkt war ich von den Figuren und ihren immer gleichen Dialogen einfach schon viel zu genervt.
Ich hoffe, ich bin mit dieser Rezension jetzt keinen Fans des Romans auf die Füße getreten. Letztendlich gilt eben auch für Pulitzer-Preisträger, dass die Geschmäcker nun einmal verschieden sind.
Hm, das ist ja interessant, ich habe es gelesen und war nie gelangweilt oder genervt. Das kann vielleicht tatsächlich am Hörbuch liegen oder einfach daran, dass ich mich in so einer Welt sehr wohlfühle. In solche Stimmungen kann ich mich absolut ergeben. Es ist eben eine beckettsche Welt, in der sich nichts verändern kann (auch nicht die Charaktere, deren Beziehung ich übrigens sehr berührend fand, so subtil sie auch dargestellt sein mag).
Aber du hast recht: Vielleicht hätte eine Kurzgeschichte oder Novelle auch gereicht. Allerdings wäre es dann wohl nicht so eindrücklich gewesen.
Ich lese und sehe übrigens nur allzu oft auch etwas, was andere bejubeln, mich aber völlig gleichgültig lässt. Da muss man sich keine Sorgen machen, finde ich.
Ja, das kommt einfach vor, dass man etwas ganz unterschiedlich aufnimmt. Die Erwartungen sind halt immer sehr groß, wenn etwas so gelobt wird.
Bei mir war einfach das Problem, dass für mich der Roman immer mehr an Eindrücklichkeit verloren hat, umso länger er gedauert hat. Aber bei über 7 Stunden Hörbuch kann sich so etwas schon mehr ziehen als wenn man es selbst liest (da ist man ja doch deutlich schneller).
Hah, ein Buch, bei dem wir uns mal nicht einig sind! "The Road" ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher – allerdings habe ich es auch auf Englisch gelesen, das macht wahrscheinlich schon noch mal was aus. Als Hörbuch kann ich es mir auch nicht so gut vorstellen … Da wirkt die Sprache sicher noch mal anders …
Auf jeden Fall macht das, was dich genervt hat, die karge Sprache, die monotonen Dialoge, die immer gleiche Handlung, für mich das Buch gerade so eindringlich. Lena trifft es in ihrem Kommentar recht gut, wenn sie die Welt mit der bei Beckett vergleicht (den ich übrigens auch sehr mag!).
Aber mach du dir bloß keine Gedanken, wenn du ein Buch nicht magst, das alle über den grünen Klee loben – so ist das nun mal, nicht allen gefallen dieselben Geschichten. Ist doch eigentlich auch super, dann kann man sich auch darüber austauschen. Sonst müsste man ja immer nur sagen "Find ich auch", das wäre ja langweilig!