Ich habe die Seite 500 überschritten – Zeit für einen kleinen Zwischenbericht. Achtung, das wird ein (sehr) langer Beitrag, der zwar keine expliziten Spoiler, aber natürlich schon so einige Informationen zu dem Band enthält. Wer also das Buch noch nicht gelesen hat und nicht einmal wissen will, welche Figuren darin die Perspektive haben, sollte jetzt nicht weiterlesen.
Dafür, dass ich jahrelang auf „A Dance with Dragons“ gewartet hatte und während meines gesamten Rereads der ersten 4 Bände hibbelig war, weil ich mich doch eigentlich schon auf den 5. stürzen wollte, gestaltete sich dann der Einstieg unerwartet mühsam. Auch, als nach dem Prolog die vertrauten Figuren auftauchten, fand ich mich nicht so recht ins Buch ein. Mal von Bran abgesehen, hatte ich keine Lust, etwas vom Norden oder Daenerys zu lesen, während ich doch darauf brannte zu erfahren, wie es rund um King’s Landing weitergeht. Oder anders gesagt: Ich hatte keine Lust, in der Zeit zurückzuspringen, also in die Zeit vor „A Feast for Crows“. Die Aufteilung der Handlungsstränge auf zwei Bücher halte ich nämlich für eine extrem schlechte Idee, aber dazu später mehr in der Rezension.
Besonders schlimm war das bei Jon, wo die ersten zwei Kapitel fast nur das erneut erzählen, was wir im 4. Band schon aus der Sicht von Sam erlebt hatten …
Das Ende von Jons 2. Kapitel allerdings: Wow! Das war grandios und von da an ging es aufwärts. Seither habe ich wieder das typische „Ice and Fire“-Gefühl: Ich will die ganze Zeit weiterlesen, brenne darauf, gewisse Ereignisse und Theorien mit anderen zu diskutieren und bin (von ein paar Ausnahmen abgesehen) ganz in Westeros eingetaucht.
Überhaupt macht Jon bisher eine tolle Entwicklung in dem Buch durch. Manche Entscheidungen, die er trifft, sind vielleicht nicht die klügsten und werden ihm auch etliche Feinde bescheren, aber zumindest trifft er klare Entscheidungen, zeigt sich äußerst entschlossen und deutlich erwachsener als bisher.
Dass er Ned immer ähnlicher wird, gibt allerdings Anlass zur Sorge, denn wir wissen ja, dass ehrenhaften Menschen in Westeros eher kein langes Leben beschert wird …
Fern im Osten hockt leider das genaue Gegenteil. Danys Kapitel sind bisher diejenigen, bei denen ich mir immer denke „nicht sie schon wieder“ und die mich oft für längere Zeit pausieren lassen. Ich habe das Gefühl, dass ihr Handlungsstrang komplett stagniert und am schlimmsten: Dany selbst stagniert. Ich finde sie bisher in ADWD wirklich unerträglich. Sie trifft völlig schwachsinnige Entscheidungen, verursacht nur Chaos und Elend und ist das beste Beispiel dafür, dass gute Absichten nicht gerade zu einem guten Ergebnis führen müssen. Wie schön für die ehemaligen Sklaven, dass sie jetzt als freie Menschen elendiglich zugrunde gehen können. Bestimmt eine großartige Verbesserung ihrer Situation! Natürlich war der Gedanke dahinter ein guter, aber Dany hat die Folgen ihrer Handlungen überhaupt nicht bedacht und nun wird sie davon überrannt.
Zu der Sache mit den Drachen oder ihrem kindischen Daario-Geschmachte sag ich lieber mal gar nichts …
Fürchterlich und gleichzeitig genial sind dagegen die Theon-Kapitel. Es überrascht mich selbst, aber das ist bislang meine liebste Perspektive in ADWD. Was für großartig geschriebene Kapitel! Und was für ein kranker, abstoßender Psychopath Ramsay doch ist. Wieder einmal eine Figur, der man sehnlichst den Tod wünscht.
Und auch den Handlungsstrang von Davos fand ich hier bislang sehr interessant.
Mein bisheriger Liebling Tyrion ist in ADWD allerdings nicht so spannend wie zu den Zeiten, als er noch in King’s Landing das game of thrones ziemlich gut gespielt hat. Nach den Ereignissen im 3. Band scheint er nicht mehr ganz er selbst zu sein und stellenweise ziehen sich seine Kapitel, auch wenn sie umgekehrt dann wieder richtige Höhepunkte zu bieten haben.
Aber das trifft eigentlich für die gesamte Handlung im Osten zu, finde ich: Manches ist sehr spannend, vor allem auch manche Landstriche, aber manchmal ist es mir zu sehr „Sightseeing“, eine zu große Fülle an allen möglichen Hintergrundinformationen und eine gewisse Genervtheit: Die Situation in Westeros ist doch schon verwickelt und kompliziert genug, muss das jetzt sein, dass wir auch noch in Essos rivalisierende Städte, Kriegswirren und Chaos serviert bekommen? Die Serie ist doch auch schon mit Konzentration auf Westeros verworren und episch genug.
Ich habe daher die Befürchtung, dass die Handlung in manchen Punkten noch weiter auf der Stelle treten wird und die Figuren beinahe bis zum Ende des Buches damit beschäftigt sind, in die richtige Ausgangsposition für tatsächlich große Ereignisse zu kommen.
Und es scheint nicht, als würde der 5. Band ein zweites „Storm of Swords“ (der bisher beste Band der Reihe, wie ich finde) werden, dafür habe ich bisher schon zu viele Kritikpunkte im Kopf. Umgekehrt gibt es aber auch immer wieder grandiose Szenen und das übliche Rätselraten, das für mich schon immer eins der schönsten Dinge an der Reihe war. Gerade Kleinigkeiten führen dann zu einem großen „oh“ (z.B. Manderlys Pie).
Tja, und dann gibt es noch diese eine Sache, die ich schon die ganze Zeit geahnt und gefürchtet habe. Martin hat nämlich in ADWD einen Plottwist, den ich auf eine ganz ähnliche Weise in meinen Göttersteinen habe (schon seit Jahren übrigens). Gut, mir war schon bewusst, dass ich da jetzt auch nicht gerade innovativ war, aber ich fand, dass ich da mit einem alten Klischee mal etwas origineller umgegangen bin – und nun sieht es so aus, als würde sich das bei Martin in eine ganz ähnliche Richtung entwickeln. Das gefällt mir natürlich ganz und gar nicht.
Alles in allem bin ich sehr gespannt, was nun im weiteren Buch noch passieren wird. Ich freue mich vor allem auf den Punkt, an dem einige Perspektiven aus dem 4. Band wieder aufgenommen werden. ADWD lässt mich bislang nicht unbedingt sprachlos vor Begeisterung zurück, aber es ist definitiv lesenswert und bleibt das hoffentlich auch bis zum Schluss.