Phantastisch Rezensionen

Robert Jordan – The Eye of the World (The Wheel of Time 1)

Genre: High Fantasy
Verlag: Highroads Media
Dauer: 29 Stunden 32 Minuten (ungekürzte Lesung)
gelesen von: Michael Kramer, Kate Reading
ISBN: 978-1593974329
Meine Bewertung: 2,5 von 5 Sternchen

English-Challenge (Oktober)
2. Chance-Challenge


Ein Angriff von Trollocs zwingt eine Gruppe von Jugendlichen, ihr kleines Dorf zu verlassen und sich zusammen mit der Magierin Moiraine und deren Beschützer Lan auf eine ungewisse Reise zu begeben. Als sie weiterhin von Trollocs und anderen finsteren Gestalten verfolgt werden, wird klar, dass sie ta’veren sind, sozusagen wichtige Fäden im Webmuster des Rades der Zeit. Und ob sie es wollen oder nicht: Sie werden eine große Rolle im Schicksal der Welt spielen und können sich dem auch nicht entziehen.
Ich habe den Auftakt zum „Rad der Zeit“ vor vielen Jahren schon einmal gelesen, da damals aber noch ungewiss war, wieviele Bände noch folgen sollten und mich die ersten (deutschen) Bände auch nicht sehr gefesselt haben, habe ich die Serie rasch wieder abgebrochen. Nun, da die Veröffentlichung des letztes Bandes in greifbare Nähe gerückt ist, wollte ich der Serie noch einmal eine Chance geben.
Obwohl ich den Roman nicht direkt schlecht finde, werde ich aber wohl auch dieses Mal nicht weiterlesen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, die ich im folgenden darlegen möchte (Achtung, das könnte eine recht lange Rezension werden).
Was mich schon beim ersten Mal sehr gestört hat und mir auch jetzt wieder auf die Nerven ging, das sind die unglaublichen Herr der Ringe-Parallelen: Der Held Rand al’Thor muss sich widerwillig aus seinem kleinen, verschlafenen Dorf mit seinen Freunden auf den Weg machen, um gegen den großen Bösen zu kämpfen, der als Sitz die „mountains of doom“ sein Eigen nennt. Als Schergen dienen diesem die tierartigen Trollocs, schwarze Reiter/Gestalten und geflügelte Boten. Aber den unerfahrenen Jungen steht eine Aes Sedai, eine weise Magierin, zur Seite, die als ihren Beschützer einen Waldläufer-artigen Krieger dabei hat, der sich schließlich als königlicher Erbe entpuppt.
Dazu gibt es noch eine ganze Anzahl kleinerer Parallelen, die in mir öfter den Wunsch hervorriefen, den Roman abzubrechen und stattdessen doch lieber das „Original“ zu lesen.
Zum Glück merkt man, wie Jordan sich zum Ende des ersten Bandes hin immer mehr von seinem Vorbild löst und mehr eigenständige Elemente einbringt. Gerade deshalb würde sich wohl das Lesen weiterer Bände durchaus lohnen, aber mir kamen schon diese knapp 30 Hörbuchstunden schier endlos vor …
Neben den Herr der Ringe-Anklängen haben mich auch die vielen Namen irritiert, die an die Artussage denken lassen (oftmals nicht nur in der Namensgebung): der legendäre König Artur Paendrag, Morgase, Moiraine, Tigraine, Galad, Gawyn, der Sa’angreal, …
Gerade, weil Jordan sonst ja auch sehr schöne eigene Namensschöpfungen und ganz eigenständige Mythologien präsentiert, fühlen sich diese Parallelen seltsam fehl am Platz an.
Die Figuren wirken hier oft noch recht eindimensional und stellenweise so dumm, dass man sie gern durchschütteln würde. Vor allem wenn Mat wieder einmal ganz unbedarft wichtige Sachen ausplaudert, fragt man sich, wo er eigentlich sein Gehirn versteckt hat, aber andererseits wäre er auch nicht der erste halbwüchsige Junge, bei dem man sich diese Frage stellt. Dennoch ist es manchmal mühsam, wenn er und Rand wieder und wieder in Tavernen oder bei Mitreisenden in Schwierigkeiten geraten – als wären sie nicht fähig, aus den bisherigen Ereignissen zu lernen und manche Gefahrenquellen einfach einmal zu umgehen.
Noch mehr Probleme hatte ich leider mit den Frauenfiguren. Egwene, Nynaeve, Elayne – sie alle drei haben gemeinsam, dass sie sehr launisch, sehr zickig, sehr temperamentvoll und ständig auf Konfrontationskurs sind. Und sie sind mir fürchterlich auf die Nerven gegangen, vor allem Egwene mit ihrer komplett überzogenen, kindischen Eifersucht, sobald Rand nur einen weiblichen Namen erwähnt.
Überhaupt fand ich den ständigen Geschlechterkampf recht anstrengend – auch wenn er wohl durch das Konzept der Magie vorgegeben ist. So gibt es einen weiblichen Aspekt der Magie (das sind die Aes Sedai) und einen männlichen, der gefürchtet ist, da Männer, die auf die „wahre Macht“ zurückgreifen können, stets dem Wahnsinn verfallen. Und diese Zweiteilung ist nicht auf die Magie beschränkt, sondern scheint sich durch die gesamte Geschichte zu ziehen. 
Schön fand ich dagegen die Atmosphäre, die Jordan hier aufbaut. So wirkt etwa der Angriff der Trollocs sehr bedrohlich, selbst wenn man zuhause gemütlich auf dem Sofa sitzt, und die detailreichen Beschreibungen schaffen ein recht gutes Bild der Umgebung. Man hat auch das Gefühl, dass die Welt eine gewisse Tiefe besitzt, vor allem auch eine geschichtliche Tiefe, da sie angefüllt ist mit Mythen, Legenden, vergangenen Ereignissen und kleinen Geschichten.
Zwar ist das ganze Weltenkonzept in diesem Band noch nicht sehr originell, aber es wirkt sehr gut durchdacht mit dieser Vorstellung eines Rades, das sich dreht und zu einem zyklischen Geschichtsverlauf führt. Immer wieder steuert daher die Welt auf einen großen Kampf zwischen Gut und Böse hin, in dessen Zentrum dieses Mal – man ahnt es schnell – Rand al’Thor stehen wird.
Ich bin durchaus neugierig, wie das alles vonstatten gehen soll, welche Rolle manche der Nebenfiguren noch spielen werden, wie sich die Figuren entwickeln und wie Jordan es schafft, die bisher so geradlinig wirkende Handlung auf so viele Bände auszuweiten. 😉
Ich glaube aber dennoch nicht, dass ich mich dazu aufraffen kann, noch mehr Bände zu lesen. „The Eye of the World“ hat mir oft einiges an Geduld abverlangt, vor allem im Mittelteil, wenn die Handlung sich ständig zu wiederholen scheint (vermeintliche Sicherheit, Angriff, Flucht und wieder von vorne). Zum Ende hin wird dann das Tempo deutlich angezogen – so sehr, dass manches sogar ein wenig überhastet wirkt.
Mein Fazit: „The Eye of the World“ ist sozusagen eine klassische, epische Fantasy mit weitreichenden Ereignissen, vorbestimmtem Schicksal und klaren Gut-Böse-Gegensätzen. Wenn man diese mittlerweile fast altmodisch wirkende Art der Fantasy mag, wird man durchaus seine Freude mit dem Roman haben. Schade nur, dass er bislang noch zu sehr seinen Vorbildern verhaftet bleibt und gerade im Mittelteil außerdem über gewaltige Längen verfügt. Die Figuren sind bislang noch recht blass, bieten aber zumindest Potential zur Weiterentwicklung.
Für mich persönlich überwiegen aber die negativen Punkte, daher werde ich das Kapitel „Wheel of Time“ für mich nach diesem zweiten kurzen Anlauf ad acta legen.

4 thoughts on “Robert Jordan – The Eye of the World (The Wheel of Time 1)

  1. Als ich den ersten Teil gelesen habe, kannte ich den HdR noch gar nicht. Und erst, als Du das letzte Mal erwähnt hast, dass es so unglaublich ähnlich sein soll, habe ich mal darauf geachtet. Ich habe im Re-read gerade Band 2 (Deutsch) beendet. So wirklich sehe ich sie immer noch nicht, aber ich habe HdR nur als Film gesehen und das Buch vor Jahren abgebrochen. Aber ich weiß, dass Jordan, als er sehr krank war und viel Zeit hatte, viel gelesen hat und sich dann dachte, er kann das auch.
    Vielleicht ist man manchmal etwas vorschnell, wenn man ein Buch sehr mochte. Z.B. las ich kürzlich zu Kristen Britain, dass sie ja auch SO sehr vom HdR angekupfert hätte … da käme glatt ein feuriges schwarzes Ross drin vor *hust*
    Und die Sache mit dem Wall (bei Jordan: Die Fäule), den gibt es auch in so einigen Fantasyromanen. Aber gleich zu sagen, da hätte wer abgekupfert … sprich: nur weil Moraine über magische Kräfte verfügt gleich an Gandalf denken? Und was hat Lan mit Aragorn gemein? (Bis auf die Königssache und Lans Reich existiert nicht mehr ;-))
    Die Namensgleichheit zur Artussage … ich hoffe ja, dass sich das mit den letzten Bänden endlich aufklärt. Irgendeine Bewandnis muss es ja haben. Vor allem die Andeutungen um (angeblich) verschollene Personen …
    Da es schon etliche Jahre her ist, seit Band 1 geschrieben war, ist mir auch aufgefallen, dass der Anfang etwas lang ist. Damals hat man aber noch so ausführlich begonnen, das ist mir bei zahlreichen Büchern aufgefallen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, von ganz unterschiedlichen Autoren. Angeblich seien die Medien Schuld daran, dass das heute keiner mehr macht, da wollen alle nur noch Aktionen und Handlungen und am besten sofort von erster Seite an … nun ja, Geschmackssache. Ich jedenfalls habe so einige alte Bücher daheim, weil mir das einfach mehr liegt, ich mag Atmosphäre.
    Dass die Jungen recht naiv sind, ist mir nun auch aufgefallen, das Schöne daran ist aber, das sie alle eine deutliche Wandlung durchmachen. Außerdem kommen sie ja aus dem letzten Kuhkaff und da kann man es ihnen (noch) verzeihen *g*
    Frauengestalten bei Jordan … nun da haben so einige Leute schon ganze Abhandlungen geschrieben. Zickig fand ich hier am Anfang eigentlich noch keinen weiter, es sei denn das alte Klischee, dass wenn Frauen eine eigene Meinung haben, sie eben zickig sind, gilt. Und wer sich junge Mädels heute mal anschaut, die wollen auch wissen, mit wem ihr Auserwählter sms-st. 🙂 Später sind mir auch einige Dinge ziemlich auf die Nerven gegangen was die Frauen anging, aber da habe ich schon so viele Jahre an der Serie gelesen, dass ich es für mich akzeptiert habe. Und na ja, Jordan ist noch harmlos im Gegensatz zu so manch anderem (männlichen) Autor.
    Hui, ich bin schon zu lang geworden, darum wars das erstmal von mir. Vielen lieben Dank für Deine Meinung!

  2. Also letztendlich lässt sich über Geschmack nun mal nicht streiten – daher bringt es wohl auch nichts, da über gewisse Punkte zu diskutieren. *g*
    Für mich hat der Roman in seiner gesamten tiefen Struktur große Parallelen zu HdR – mich erinnert Moiraine also nicht deshalb an Gandalf, weil sie eine Magierin ist, sondern weil sie als Magierin eine Gruppe von unbedarften Jugendlichen "anführt", die auf der Flucht vor dunklen Gestalten aus ihrem kleinen Dorf in die weite Welt hinausziehen etc. Erst die Summe der ganzen Ähnlichkeiten hat mich also gestört. Das ist für mich ungefähr sowie Eragorn und Star Wars, das in der tiefen Struktur so viele Ähnlichkeiten hat, dass man beides ganz oberflächlich betrachtet ganz gleich zusammenfassen könnte. 😉
    Mountains of Doom gegenüber einem Mount Doom als "Sitz" des Bösen finde ich dann halt auch vom Namen her schon sehr ähnlich.
    (Übrigens ist für mich The Eye of the World unter allen Fantasyromanen, die ich gelesen habe, der einzige, der mich wirklich an HdR erinnert – ich sehe also nicht überall den HdR drinnen *gg*)

    Gegen langsame Anfänge hab ich gar nichts. Hat mich bei HdR nicht gestört und stört mich auch bei vielen anderen Werken nicht. Hier (und auch bei anderen Büchern) hat es mich halt gelangweilt. Das hat nichts damit zu tun, dass ich jemand bin, der immer Action am Anfang haben will. 😉

    Zickig kamen mir die Mädchen deshalb vor, weil sie ständig auf Konfrontationskurs sind und fast permanent widersprechen, oft auch nur aus Prinzip, selbst, wenn die Situation eigentlich gerade sehr ernst ist und es wichtigeres gäbe. Gerade Nynaeve ist da in Bezug auf Moiraine sehr anstrengend. Bei ihr hatte ich sehr oft das Gefühl, dass sie eben nicht eine eigene Meinung hat, sondern einfach prinzipiell das Gegenteil von Moiraine sagt/will.

    Wie gesagt: Ist eben Geschmacksache. Ich wollte nur noch ein paar Sachen erläutern, weil ich weder was gegen Frauen mit eigener Meinung habe noch gegen langsame Anfänge. 😉

    Tut mir Leid, dass ich die Challenge gleich schon wieder nach einem Band verlasse …

    1. Aber Du hast es wenigstens versucht und das rechne ich Dir hoch an! 😉

      Nur ein Punkt noch: Was Nynaeve angeht: Klar ist sie gegenüber Moiraine etwas eigen. Sie ist ja in Lan verliebt und will an M. Stelle treten so bildlich gesprochen. Eifersucht lässt Dich manchmal charakterlich … mhm na ja unnett werden. Allerdings habe ich das beim ersten Lesen auch nicht recht kapiert und beim wiederholten lesen nun finde ich diese Liebesgeschichte zu schnell und zu sprunghaft. Sie bleiben übrigens die Serie über zusammen und heiraten sogar.

      Im Original habe ich das Werk nur als Graphic Novel gelesen, mir aber den ersten überarbeiteten mit neuem Cover usw. als E-Book heruntergeladen. Sollte ich dann doch mal reinsehen. Ich hab's bei der GN schon gemerkt und natürlich zuvor im Ansteigen der einzelnen Übersetzungen, dass da einiges seltsam ist. Sonst hätten spätere Übersetzer nicht neue Begriffe (er-)gefunden.

      Was Längen angeht: Ich lese gerade "Die Erbin der Welt" und obwohl die Grundidee toll ist und nicht schlecht geschrieben wird, muss ich mich jetzt im letzten Drittel quälen und werde wohl mit Querlesen anfangen. Dabei passiert schon eine Menge, auch wenn Figuren im Vordergrund stehen … manchmal ist es wohl einfach Empfindungssache.

      PS: Du darfst gerne eine andere ebenso lange Serie anfangen und stattdessen lesen, falls das Dein schlechtes Gewissen beruhigt. *g*

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