Rezensionen Sachbuch

Kathrin Passig/Sascha Lobo – Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin

Genre: Sachbuch, Ratgeber
Seiten: 272
Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3644102019
Meine Bewertung: 3 von 5 Sternchen

Sachbuch-Challenge

Wer mit dem Wort „Prokrastination“ nichts anfangen kann, sich morgens freudig auf die Aufgaben des Tages stürzt und alle Aufträge stets lange vor der Deadline abgibt, braucht in dieses Buch keinen Blick zu werfen. Wer sich dagegen nach einer Stunde gern mal fragt, was zum Kuckuck aus den „nur mal rasch 5 Minuten einen Blick ins Internet werfen“ geworden ist oder vor einem Abgabetermin schon mal eine durchwachte Nacht verbringt, könnte durchaus zur Zielgruppe gehören.
Kathrin Passig und Sascha Lobo gehen hier sehr humorvoll dem Phänomen der Aufschieberitis bzw. der Prokrastination auf dem Grund und stellen Überlegungen an, wie es dazu kommt, wie man damit umgehen kann, usw.
Die wertvollste Botschaft, die einem dieses Buch vermittelt, ist: Es gibt unterschiedliche Typen von Menschen und diese haben eben auch unterschiedliche Arbeitsweisen. Die Neigung zum Prokrastinieren ist meistens nicht einfach nur Faulheit und etwas, das man mal eben mit ein bisschen Selbstdisziplin in den Griff bekommen kann. Vielmehr ist es ein Charakterzug, der zum Teil überhaupt erst durch unsere heutige, extrem leistungsorientierte Gesellschaft zu einem Problem wird.
Es geht daher in diesem Buch zu großen Teilen um Selbstakzeptanz und darum, das eigene Potenzial auf eine Art und Weise auszuschöpfen, wie sie auch zu einem selbst passt – und nicht, sich eine Arbeitsweise aufzuzwingen, die einem nun einmal nicht liegt und die man daher vermutlich auch nicht dauerhaft durchhalten kann.
Soweit so gut – und zumindest in diesem Punkt fand ich auch das Buch durchaus hilfreich und ermutigend. Es bestätigt mich auch in meiner eigenen Erfahrung: nämlich, dass man, wenn man zum Prokrastinieren neigt, eine strenge Selbstdisziplin nie lange durchhalten wird. So etwas schafft man für eine Weile und dann fällt man wieder in die alten Muster zurück (manchmal gleich noch mit JoJo-Effekt, also schlimmer als zuvor).
Im weiteren Verlauf konnte ich aber mit dem Ratgeber immer weniger anfangen. Die Tipps sind nur teilweise hilfreich und oft so übertrieben, dass ich mir die ganze Zeit nicht sicher war, wie weit sie ernst gemeint sind und wie weit schlichtweg Satire. Dazu kommt, dass ich ein wenig das Gefühl hatte, die Autoren würden hier ihren ganz eigenen Lebensstil zum allgemeingültigen Prinzip erklären oder sogar Verhaltensweisen, die ich nahezu als gefährlich empfinde, weiter ermutigen (etwa das Aufschieben von Arztbesuchen oder das Ignorieren von amtlichen Briefen).
Vielleicht kann man auch mehr damit anfangen, wenn man tatsächlich so extrem zum Prokrastinieren neigt wie in einigen Beispielen darin geschildert. Ich selbst bin ja eher eine seltsame Mischung zwischen sehr diszipliniert und extrem zum Aufschieben neigend und konnte mich vielleicht auch deshalb in den Beschreibungen und Tipps nicht wiederfinden.
Unterm Strich ist der Ratgeber meistens amüsant und kurzweilig zu lesen und ganz nützlich dafür, um einem selbst auch mal wieder einen etwas anderen Blick auf die Dinge zu verschaffen. Als wirklich hilfreich habe ich ihn hingegen nicht empfunden – und der Titel sollte auch eher nicht lauten „Dinge geregelt kriegen“, sondern „Wie ich damit umgehe, dass ich Dinge nicht geregelt kriege“.
Das beste am Buch ist übrigens der Trailer, über den ich mich wirklich königlich amüsiert habe:

8 thoughts on “Kathrin Passig/Sascha Lobo – Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin

  1. Ich habe auch eher das Gefühl, dass die meisten Leute, die an "Aufschieberitis" leiden, schon einigermaßen zwischen "superwichtig und sofort zu erledigen" (wie Behördenbriefe) und "sehr wichtig, aber das könnte ich noch schaffen, wenn ich die Nacht durchmache" (wie Abgabetermine fürs Studium) unterscheiden können.

    Wenn es hingegen so weit geht, dass auch die wichtigen Dinge nicht mehr in Angriff genommen werden, dann würde ich dahinter etwas Ernsthafteres als reine Prokrastination vermuten …

    1. Jein, ich bin mir nicht sicher. Ich habe auch schon das eine oder andere Mal wirklich wichtige Dinge versemmelt, weil ich etwas immer wieder aufgeschoben habe und es mir dann irgendwann so unangenehm war, dass ich das noch nicht gemacht habe, dass ich gar nicht mehr gewagt habe, das nochmal in Angriff zu nehmen. %-)
      Und so gesehen sind vielleicht manche Tipps gar nicht so schlecht, weil es einem zeigt, dass man etwas auch nach ewigem Aufschieben noch in Angriff nehmen kann. Das nimmt einem auch ein wenig den Gedanken aus dem Kopf "Nun bin ich dafür schon so spät dran, dass es gar nichts mehr bringt/dass niemand mehr was von mir wissen will" etc.

      Trotzdem richtet sich das Buch zu Teilen doch an sehr extreme Fälle, mit denen ich mich letztendlich auch gar nicht identifizieren konnte. Und es kommen eben nur wenige tatsächlich hilfreiche Tipps heraus.

    2. "weil ich etwas immer wieder aufgeschoben habe und es mir dann irgendwann so unangenehm war, dass ich das noch nicht gemacht habe, dass ich gar nicht mehr gewagt habe, das nochmal in Angriff zu nehmen."

      Das kenne ich von mir auch – und habe gerade vor ein paar Wochen wieder gesehen, dass sich das dennoch völlig problemlos lösen ließ, also ich mich dann doch endlich überwunden und es in Angriff genommen hatte.

      Schade, dass das Buch dann insgesamt doch nicht so toll war. :-/

  2. Wie geil ist bitte der Trailer?! 😀 Ich kann nicht mehr! 😀

    Hach man, vom Titel her wäre das Buch genau mein Ding. Bei mir geschieht auch alles immer erst auf den letzten Drücker. Morgen z. B. muss ich einen Vortrag halten (der natürlich noch nicht fertig ist), doch statt mich dranzusetzen, überleg ich mir, wie ich den Trailer bei Whatsapp verschickt bekomme (wofür ich zum Glück schon eine Lösung habe).
    Schade, dass da keine hilfreichen Tipps sind. Aber alleine für ein wenig Komik sollte ich mir das Buch dochmal durchlesen. Vielleicht trifft mich ja doch die Erleuchtung.

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