Buchstabengeplauder

Buchstabengeplauder #3/2020 oder: Ostern mal anders

Ich komme aus einer ziemlich religiösen Familie und so war Ostern für mich immer ein ganz besonderes Fest mit vielen Ritualen rundherum. In der katholischen Jugend haben wir außerdem am Karsamstag nach der Auferstehungsfeier früher immer ein Osterfeuer gemacht, waren dort bis spät in die Nacht und sind dann in aller Früh zum Osterspaziergang mit anschließendem Eiersuchen aufgebrochen. Das hat sich für mich auch nicht großartig geändert, als ich mich der Kirche und dem Glauben mehr und mehr entfremdet habe.

Erst zweimal hatte ich nicht dieses typische Ostern: Als ich für ein halbes Jahr in Oslo studiert habe und letztes Jahr, als ich einen Kurzurlaub in Norditalien gemacht habe. Beide Male hat es mich nicht gestört, dass ich nicht das übliche Osterfest hatte, aber dieses Jahr ist das doch nochmal etwas anderes und ich wollte für mich selbst so gut wie möglich ein schönes Osterfest gestalten.

So habe ich gestern in der Früh Eier gefärbt – da ich keine Eierfarben mehr bekommen habe mit Kurkuma und Kaffee, was vermutlich mit weißen Eiern sogar sehr gut funktioniert hätte (bei meinen braunen Eiern war das Ergebnis mittelprächtig). Am Vormittag bin ich dann von einer Freundin per Brief auf eine Osterschnitzeljagd geschickt worden. Mithilfe von Rätseln bin ich zu einem Haus bei mir in der Nähe geleitet worden, wo mir dann nach einem letzten Rätsel ein Osternest aus dem 4. Stock abgeseilt wurde. Wie sich herausstellte, wohnen von dieser Freundin Verwandte ganz bei mir in der Nähe. Es war eine unglaublich nette Idee und eine wohltuende Abwechslung.

Zur weiteren Einstimmung habe ich mir dann gestern Abend noch eine Live-Aufnahme von 2012 von „Jesus Christ Superstar“  auf The Shows Must Go On! angeschaut. Auf diesem Youtube-Kanal gibt es derzeit jeden Freitag für 48 Stunden ein Musical in voller Länge.

Heute habe ich nach einem gemütlichen Osterfrühstück meine Wohnung und mich festlich hergerichtet, also: gekocht und gebacken, die Wohnung geputzt und dann erstmals seit Beginn des social distancings etwas elegantes angezogen – völlig überflüssig natürlich, aber ich wollte irgendwie in „Feiertagsstimmung“ kommen. Ich war dann um die Mittagszeit spazieren und habe festgestellt, dass man auch auf „meiner“ Donauseite ganz nett flanieren kann. Sonst gehe ich immer rüber auf die Donauinsel, weil es dort grüner und naturnäher ist, aber auf meiner Seite ist weniger los und ich hatte dafür dann einen hübschen Blick hinüber zur Donauinsel.

Den Nachmittag habe ich dann mit Buch und Häkelsachen auf dem Balkon verbracht. Es ist völlig irre, wie warm es dieses Wochenende war. Heute hatte es auf dem Balkon im Schatten 27 Grad!

Bei meinen Lesestunden habe ich Permanent Record von Edward Snowden ausgelesen, mit Brooklyn von Colm Tóibín begonnen und mit Odinskind, dem 1. Band der Rabenringe-Trilogie von Siri Pettersen, auch ein neues Hörbuch angefangen.

Obwohl ich mir diesen Ostersonntag natürlich anders gewünscht hätte, hatte ich alles in allem dennoch einen schönen Tag und es hat mir auch gutgetan, ein wenig aus dem Alltag auszubrechen. Ich finde es immer schade, wenn ich von anderen höre, dass sie keine Lust haben für sich alleine groß zu kochen oder zu dekorieren oder einfach nur für sich etwas schönes zu gestalten. Mir persönlich hilft es sehr, wenn ich mir selbst ebensolche Dinge gönne, wie ich sie für einen Besuch oder eine Familienfeier machen würde: ein festliches Menü, einen Kuchen, eine schöne Dekoration, usw. Gerade in dieser Zeit jetzt finde ich das wichtig, aber auch in „normalen“ Zeiten tut so etwas gut.

Ich hoffe, dass ihr – ganz unabhängig davon, ob Ostern für euch eine tiefere Bedeutung hat oder nicht – einen schönen Sonntag hattet und wünsche euch frohe Ostern!

7 thoughts on “Buchstabengeplauder #3/2020 oder: Ostern mal anders

  1. Ach Neyasha, das hört sich richtig toll an!
    Wie süß von der Freundin dir diese Osterschnitzeljagd zu gestalten!!! 🙂 🙂 🙂

    Und ich finde es auch schön, dass du es dir selbst so schön und besonders gemacht hast. Ich glaube, ich werde meinem Freund auch vorschlagen, dass wir uns einen Abend in dieser Woche mal so richtig schick füreinander machen. Mal sehen, was er davon hält. 😀

    Dir noch weiterhin frohe Ostern!

    1. Ach ja, macht das! Ich finde, dass sowas wirklich gut tun kann, weil einem das auch ein bisschen das Gefühl gibt aus dem derzeit eh nicht so einfachen Alltag auszubrechen.

  2. Ich musste eben, als ich von deiner Oster-Schnitzeljagd gelesen habe, richtig lächeln – so eine schöne Idee und soviel Mühe von deiner Freundin! Da wird man richtig neidisch 😀
    Ich sehe das übrigens ähnlich wie du: man kann sich durchaus auch mal selbst etwas schönes gönnen, sich etwas kochen oder nur für sich kreativ sein. Muss doch nicht immer nur für andere sein, oder wenn andere zugucken und dabei sind. Auch das mit dem „elegant anziehen“ finde ich wunderbar! Ich hab direkt denken müssen, dass ich mich selbst seit einigen Tagen überhaupt nicht mehr elegant (oder zumindest rausgeh-fertig) angezogen haben, weil ich es aber auch nicht musste. Momentan ist bei mir eher so „Wohlfühlklamotte“ angesagt, und das eben schon seit einigen Tagen… 😀 Wird Zeit, dass es mal wieder anders wird.

    1. Die Schnitzeljagd war wirklich eine tolle Überraschung und besonders schön war die Vorfreude darauf. Ich habe den Brief am Mittwoch bekommen und war dann drei Tage lang richtig aufgeregt.
      Ich habe es eigentlich recht entspannend gefunden, nicht über meine Kleidung und mein Aussehen nachdenken zu müssen, aber umgekehrt hat es mir dann auch Freude bereitet, am Sonntag mal einen Rock anzuziehen und ein schönes Oberteil auszuwählen. Und ich bin sowieso eine Verfechterin davon, dass man auch für sich feiern, gut kochen, sich etwas schönes machen soll. Aber ich kenne wirklich viele, die darin gar keinen Sinn sehen, wenn sie so etwas alleine machen. Ich frage mich ja manchmal, ob ich diese Einstellung entwickelt habe, weil ich seit ein paar Jahren alleine wohne oder ob ich deshalb gern alleine wohne, weil ich diese Einstellung habe.
      Und ehrlicherweise muss man dazu auch sagen, dass das Bedürfnis, diese Dinge und Erfahrungen mit anderen zu teilen, ja natürlich auch bei mir da ist – sonst würde ich schließlich nicht darüber bloggen. 😉

  3. Auch wenn Ostern schon wieder eine Weile her ist, habe ich es gerade sehr genossen von deinem Ostern zu lesen. Für mich war das nie ein so besonderer Festtag – ganz früher fuhren wir zu Ostern zu einer Tante und dort gab es zusammengedrängte, provisorische Schlafgelegenheiten, aufwändiges Essen und Eiersuche – später wurden die Feiertage einfach zu einem langen Wochenende mit mehr Spaziergängern im Wald als an üblichen Tagen … Aber da das für dich eine besondere Zeit ist, ist es toll, dass du diese Tage auch in diesem Jahr bewusst genossen hast. Dazu dann noch die Entdeckung, dass die „eigene“ Donauseite auch schöne Spaziergehmöglichkeiten bietet! 🙂

    1. Ostern hatte einfach immer so viele schöne Fixpunkte für mich, vor allem mit dem Osterfeuer. Als ich viel an Wochenenden und Feiertagen arbeiten musste, war ich ja meistens auch an den Weihnachtsfeiertagen im Einsatz, aber den Spätdienst am Karsamstag und den Frühdienst am Ostersonntag habe ich mir all die Jahre immer freigehalten.

      Inzwischen habe ich auch noch ein paar andere nette Wege auf meiner Donauseite entdeckt. Ruhig sind sie leider alle nicht, da überall in unmittelbarer Nähe die Autobahn verläuft, aber man hat sehr schöne Aussichten und mit Musik im Ohr lässt sich dann auch der Autolärm ausblenden.

      1. Schön, dass du damit solch hübschen Traditionen verbindest. Osterfeuer sind für mich etwas, das ich im Vorbeifahren auf der Autobahn gesehen habe (eben wegen der Fahrten zur Tante). Ich glaube, ich war noch nie bei einem dabei, obwohl ich immer vorhatte einmal die Feuerräder in der Gegend, in der ich studiert habe, zu sehen. Aber es kam leider nie dazu …

        Die Autobahn hat aber vielleicht auch den Vorteil, dass nicht ganz so viele Leute sich auf diesen Wegen bewegen. Ich wünsche dir also weiterhin schöne Spaziergänge in der Ecke und immer angenehme Musik auf den Ohren! 🙂

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