Streifzüge

[Streifzüge] Vier Tage auf dem Bernsteintrail

Die letzten vier Tage war ich auf dem Bernsteintrail unterwegs, der 2019 eröffnet wurde und in insgesamt 13 Etappen von Petronell-Carnuntum (Niederösterreich) bis St. Martin an der Raab (Südburgenland) geht. Er folgt dabei einem Abschnitt der römischen Bernsteinstraße, die in ihrer gesamten Länge von der Ostseeküste bis nach Aquileia führte.

Ich werde euch in den nächsten Tagen ein bisschen mehr von den einzelnen Etappen erzählen und zeigen, aber hier erst einmal ein allgemeiner Überblick:

Warum der Bernsteintrail?

Meine Wahl fiel erst sehr spät auf den Bernsteintrail. Schon als ich im Sommer auf der Via Sacra unterwegs war, wusste ich, dass ich in diesem Jahr noch einmal für mehrere Tage wandern gehen wollte, idealerweise im Spätsommer oder Frühherbst. Allerdings war von Ende August bis Mitte Oktober bei mir in der Arbeit so viel los, dass Urlaub nehmen einfach kein Thema war. Und durch den späten Start fielen etliche Weitwanderwege wie etwa der Lechweg von Vornherein aus. Ich hatte dann relativ lange noch den Alpannonia auf meiner Liste, aber umso näher mein Urlaub rückte, umso mehr wurde mir klar, dass auch dieser nicht gut geeignet war: Auf dem Semmering und dem Hochwechsel lag nun schon Schnee, die letzte Etappe hätte mich über die ungarische Grenze geführt (die gesperrt ist), die Unterkünfte liegen teilweise abseits der Hauptroute und die einzelnen Etappenziele sind öffentlich nicht allzu gut erreichbar. Aufgrund der beunruhigenden Entwicklungen rund um Corona wollte ich aber so flexibel wie möglich bleiben und jederzeit abbrechen können. Als nächstes hatte ich dann den Welterbesteig Wachau im Kopf, von dem ich im September schon eine Etappe gewandert bin und der traumhaft schön ist – besonders im Herbst. Allerdings ist diese Gegend dementsprechend auch touristisch sehr gut besucht, was ich angesicht der aktuellen Coronazahlen nicht so verlockend fand und darüber hinaus waren kaum noch bezahlbare Unterkünfte zu bekommen.

Und so stieß ich relativ spät auf den Bernsteintrail, dessen nördlicher Abschnitt viele Vorzüge bietet: Er beginnt in der Nähe von Wien, die einzelnen Etappenziele sind öffentlich erreichbar, er verläuft durchs Flachland, was ihn relativ wetterunabhängig macht, es gab noch reichlich freie und bezahlbare Unterkünfte (die Hochsaison dieser Gegend ist im Sommer) und noch dazu wohnt eine Arbeitskollegin von mir in dieser Gegend, was bedeutete, dass notfalls auch jemand mit einem Auto in der Nähe wäre.

Die Landschaft der nördlichen Etappen

Der Grund, weshalb trotz aller Vorteile der Bernsteintrail für mich erst spät ins Spiel kam, ist die Tatsache, dass mich die Landschaft nicht so sehr reizte. Zwar führt der nördliche Abschnitt des Weges in den Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, aber ich befürchtete doch, dass die Wanderung etwas eintönig werden könnte. Und um gleich ganz ehrlich zu sein: Meine Sorge war nicht unbegründet. Zwar ist der Trail landschaftlich durchaus schön, aber 100 Kilometer nur durch die Ebene, durch Felder, Weingärten und Steppen auf Straßen, die manchmal ewig geradeaus zu führen scheinen, kann auf Dauer ziemlich langweilig werden.

Aber ich will nicht jammern: Nach wochenlangem Stress in der Arbeit ist ein wenig gepflegte Langeweile ja gar nicht das schlechteste und ich begann irgendwann sogar über die Plotprobleme meines Romans „Göttersteine“ nachzudenken, was ich seit Jahren nicht mehr gemacht habe.

Mein Wegverlauf

Ich bin bei meiner Wanderung den ersten drei Etappen ganz genau gefolgt, habe aber am letzten Tag den Trail nach etwa 8 Kilometern verlassen. Dieser würde mit der Fähre über den Neusiedlersee zum Westufer führen, aber da die Fähre nur bis 11. Oktober regelmäßig fährt, bin ich stattdessen am östlichen Seeufer geblieben und nach Podersdorf gewandert, wo der Leuchtturm dann mein passendes Ziel der Wanderung war. Meine Etappen sahen also folgendermaßen aus:

              1. Etappe: Petronell-Carnuntum – Neusiedl am See (26 km)
              2. Etappe: Neusiedl am See – Frauenkirchen (27 km)
              3. Etappe: Frauenkirchen – Illmitz (24 km)
              4. Etappe: Illmitz – Podersdorf (23 km)

Die Etappenlängen waren nicht ganz ohne. Obwohl es keine Steigungen gab, bin ich damit ziemlich an mein Limit gestoßen und mir haben abends ordentlich meine Beine wehgetan – zumal ich ja auch das Gewicht des Rucksacks zu tragen hatte. Da war es gut, dass ich inzwischen neue, hohe Wanderschuhe (Lowa Renegade) habe, die eine deutlich bessere Unterstützung bieten.

Infrastruktur auf dem Bernsteintrail

Der Bernsteintrail ist hervorragend ausgeschildert – eigentlich bräuchte man keine zusätzliche Karte. Links seht ihr eins der kleinen Schilder, die an jeder Weggabelung angebracht sind, wobei es aber wirklich nur diese Schilder gibt, also niemals Entfernungsangaben. Daher ist es hilfreich, auch die digitalen Streckenbeschreibungen zu nutzen, die auf der Website des Bernsteintrails verlinkt und über Outdooractive verfügbar sind.

Bei den Etappenzielen findet man ausreichend Unterkünfte, die man entweder als Paket zusammen mit einem Gepäcktransport über das Info- und Buchungscenter oder – so wie ich – individuell buchen kann. Woran es hingegen oft mangelt, sind Einkehrmöglichkeiten unterwegs. Ich hätte manchmal gern einen Kaffee oder Tee getrunken und kurz einmal im Warmen Pause gemacht, aber an den meisten Tagen war das schier unmöglich. Entweder lagen keine Lokale auf dem Weg oder aber sie hatten Montag und Dienstag Ruhetag oder sie hatten im Oktober bereits geschlossen. Gerade letzteres war ziemlich ärgerlich, da Frühling und Herbst als die besten Jahreszeiten für den Bernsteintrail beschrieben werden.

Auch sehr rar gesät sind öffentliche Toiletten, was besonders im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel bedeuten kann, dass man 3-4 Stunden lang keine Möglichkeit hat aufs WC zu gehen. Das ist vor allem insofern problematisch, da man sich dort auch nicht mal eben ins Gebüsch schlagen kann (erstens mangels Gebüsch und zweitens, da man im Nationalpark die markierten Wege nicht verlassen darf). Und von den ganz wenigen öffentlichen Toiletten, die es unterwegs gab, waren die meisten – dreimal dürft ihr raten – im Oktober bereits verschlossen. Die Logik dürfte wohl sein: Da man unterwegs eh nirgends was trinken kann, braucht man auch kein Klo …

Andere Wanderer

Die oben geschilderten Erfahrungen lassen vermuten, dass Oktober nicht mehr die ideale Zeit für den Bernsteintrail ist und tatsächlich bin ich überhaupt keinen anderen Weitwanderern begegnet. Allgemein waren sehr wenige Menschen unterwegs. Ich bin nur ab und zu Spaziergängern begegnet und manchmal (vor allem am letzten Tag) Radfahrern. Schwer zu sagen, ob das nun an der Jahreszeit lag, an Corona oder daran, dass der Bernsteintrail noch sehr neu ist.

Abgesehen davon, dass außer mir niemand diesen Trail zu gehen schien, stieß ich aber auch unterwegs auf ein unglaubliches Desinteresse. Ich habe es sonst nicht so mit Smalltalk, aber bisher haben sich auf fast allen meinen Wanderungen sehr schnell nette Gespräche nicht nur mit Wanderern, sondern auch mit anderen Gästen, Unterkunftgebern und Wirten ergeben. Das war dieses Mal nicht der Fall, selbst in den (meist sehr leeren) Nachtquartieren endeten die Gespräche meist nach einem kurzen „Ach, Sie kommen zu Fuß?“ auch schon wieder. Es war niemand unhöflich, aber so eine völlige Gleichgültigkeit habe ich bislang noch nicht erlebt.

Gesamtfazit

Ich weiß, dass das jetzt alles in allem recht negativ klingt. Und tatsächlich bin ich froh, dass das nicht meine erste mehrtägige Wandertour war, denn sonst hätte mich das vielleicht von weiteren abgeschreckt. Aber auch, wenn das dieses Mal nicht ganz das tolle Erlebnis wie auf der Via Sacra war, habe ich die vier Tage auf dem Bernsteintrail sehr genossen. Es hat einfach gut getan, mal für eine Weile aus dem Alltag wegzukommen, draußen unterwegs zu sein und das Verfolgen der Nachrichten auf ein Minimum zu beschränken. Mit dem Wetter hatte ich großteils Glück und die Landschaft war trotz Eintönigkeit immer wieder auch wunderschön. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich den Nordteil des Bernsteintrails weiterempfehlen würde – vielleicht eher für einzelne Tagestouren.

Für mich war das bestimmt nicht die letzte mehrtägige Wanderung, aber das nächste Mal wird es mich wohl eher wieder in eine bergigere Gegend ziehen.

4 thoughts on “[Streifzüge] Vier Tage auf dem Bernsteintrail

  1. Sooo negativ klingt es gar nicht, aber schon nach einem etwas gemischten Erlebnis. Bei deiner Schilderung davon, was im Oktober alles geschlossen war, musste ich ein wenig schmunzeln (so ging es mir bei meiner einzigen Reise in die USA – im Dezember standen wir in Vermont nur vor geschlossenen Toren, obwohl die Region für ihren Winter- und Skitourismus bekannt war). Vielleicht lag es ja wirklich vor allem an der Pandemie, das die Gegend und ihre Bewohner so wenig einladend waren.

    Die Landschaft sieht wirklich nicht sehr spannend, aber dafür recht erholsam aus, und der Leuchtturm ist doch ein wirklich hübscher Endpunkt für so eine Reise. Ich freue mich auf jeden Fall zu lesen, dass du beim Wandern wieder etwas abschalten konntest und hoffe, dass du die Erholung noch ein bisschen in den Alltag mitnehmen kannst. 🙂

    1. Die geschlossenen Tore waren schon recht frustrierend, vor allem, da es trotz großteils schönem Wetter teilweise einfach zu kalt war, um draußen länger zu pausieren. Und um die 25 Kilometer mit nur minimalen Pausen gehen, war schon ziemlich anstrengend.
      Aber ja, die Landschaft war erholsam und der Leuchtturm bei Abendlicht war eine grandiose Kulisse für den Abschluss. Gestern war ich zwar aus verschiedenen Gründen gleich wieder ziemlich gestresst, aber heute ist es wieder besser und ich hoffe noch auf ein erholsames verlängertes Wochenende.

  2. Hmm, schade, dass der Trail nicht mehr Spannendes (und mehr Toilettiges) für dich zu bieten hatte. ABER es gab einen Leuchtturm! <3
    Ich hoffe, du hast kurz an mich gedacht. 🙂

    1. Natürlich habe ich beim Leuchtturm an dich gedacht! Und ich konnte es auch kaum glauben, dass ich so lange nicht einmal wusste, dass es einen Leuchtturm gar nicht mal so weit von mir entfernt gibt – ich bin darauf tatsächlich erst bei meinen Recherchen rund um den Bernsteintrail gestoßen.

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