erschienen bei Hodder & Stoughton
Der Graf von Mylasia ist wegen seiner Grausamkeit nur als „das Biest“ bekannt. Als er ermordet wird, wird der Diener Guidanio unvermutet hineingezogen in die politischen Wirren der Stadtstaaten von Batiara – und in einen Konflikt zwischen den beiden Söldnerführern Folco Cino und Teobaldo Monticola.
Obwohl die Handlung rund um diese beiden Söldnerführer und ihren Konflikt kreist, sind sie dennoch eher Nebenfiguren. Im Mittelpunkt stehen der junge Diener Guidanio und Folcos Nichte Adria, die für ihren Onkel so einige gefährliche Aufträge ausführt, so auch die Ermordung des Grafen von Mylasia. Als sie dabei verletzt wird, hilft Guidanio ihr und von da an kreuzen sich ihrer beider Wege immer wieder. Eine wichtige Rolle spielt auch die Heilerin Jelena, die als Nebenfigur bereits aus „Children of Earth and Sky“ bekannt ist. Genauso wie Adria sucht auch sie ihr Glück abseits von konventionellen Pfaden.
Zwischen diesen dreien und ein paar weiteren Figuren wechselt immer wieder die Perspektive, wobei Guidanio seine Geschichte rückblickend aus der Ich-Perspektive erzählt. Das fügt sich besser in die restliche Geschichte ein, als ich anfangs gedacht hätte, da Guidanio mit einem Abstand von 25 Jahren auf die Ereignisse zurückblickt und sie daher ähnlich reflektieren und bewerten kann, wie es der auktoriale Erzähler bei den anderen Perspektiven macht. Auf länger zurückliegende Erinnerungen, die vielleicht später in einem verklärten und somit besonders hellen Licht erstrahlen, bezieht sich auch der Titel „A Brightness Long Ago“.
Dieser Roman ist einer der kürzesten von Kay und hat auch ein vergleichsweise überschaubares Personal sowie eine relativ stringent erzählte Handlung. Die Hauptfiguren sind sympathisch und gut ausgestaltet, aber trotzdem konnte ich zu ihnen nicht dieselbe emotionale Bindung aufbauen wie zu anderen Figuren von Kay. Ich weiß nicht genau, woran es lag – vielleicht ein wenig auch am Setting, das mir persönlich nicht ganz so gut gefallen hat. Ich musste immer wieder an andere Regionen dieser Welt denken, die ich lieber noch einmal aufgesucht hätte, wie etwa Sarantium, das zumindest am Ende noch eine prominente Nebenrolle spielt. Das hat allerdings weniger mit dem Buch zu tun als mit meinen persönlichen Vorlieben. Denn Kay gestaltet die Stadtstaaten von Batiara schön aus und erweckt diese überzeugend zum Leben. Das Highlight für mich war das sehr mitreißend beschriebene Pferderennen von Bischio, das vom Palio von Siena inspiriert wurde. Da ich als Kind unzählige Male „Der Sieger von Siena“ von Marguerite Henry gelesen habe, in dem es um dieses Rennen geht, hat Bischio in mir sehr nostalgische Gefühle geweckt.
Was mir auch sehr gefallen hat, ist die ganz nebenbei eingeflochtene und dadurch sehr selbstverständlich wirkende Diversität. Es gibt eine Reihe von bisexuellen Figuren, was weder als Problem dargestellt noch groß kommentiert wird.
Ansonsten kann „A Brightness Long Ago“ mit den üblichen Stärken von Guy Gavriel Kay aufwarten: unerwartete Wendungen, intelligente Figuren abseits von Klischees und ein sehr schöner Schreibstil. Da ich fast alle Bücher dieses Autors sehr mag, habe ich mich darin sofort wohlgefühlt, auch wenn mir manche andere Werke von ihm besser gefallen haben als dieser. Aber ich muss hier noch einmal festhalten, dass ich den Roman vielleicht ein wenig überkritisch betrachte. Ein Roman von Kay muss sich für mich natürlich an seinen anderen Romanen messen; wäre „A Brightness Long Ago“ von einem anderen Fantasyautor, bei dem ich nicht dieselben hohen Erwartungen im Vorfeld hätte, wären mir die Kriktipunkte vielleicht gar nicht so aufgefallen.