Phantastisch Rezensionen

Guy Gavriel Kay – Children of Earth and Sky

erschienen bei Penguin Random House

Danica möchte ihre Familie rächen, indem sie sich den Piraten von Senjan anschließt. Zur selben Zeit treten in der Lagunenstadt Seressa zwei junge Menschen eine Reise an: Der Maler Pero soll den Kalifen von Asharias porträtieren und die Adlige Leonora ihren Ehemann in die Handelsstadt Dubrava begleiten – in Wahrheit aber haben sie beide den Auftrag für Seressa zu spionieren. An Bord des Schiffes von Marin Djivo, einem Händler aus Dubrava, kreuzen sich ihre Wege auf unerwartete Weise.

 

Mit diesem Roman begibt sich Guy Gavriel Kay zurück in die Welt von Sarantium, aber einige Jahrhunderte später: Sarantium, das nun Asharias heißt, wurde von den Ashariten erobert und steht in ständigem Konflikt mit Seressa und Obravic, während die freie Handelsstadt Dubrava darum bemüht ist, nicht zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Kay orientiert sich in seinen Fantasyromanen üblicherweise an realen Kulturen und historischen Begebenheiten. Dieses Mal befinden wir uns im Mittelmeerraum in der Renaissance, einige Jahre nach der Eroberung von Byzanz. Die Handelsstädte Venedig und Dubrovnik waren Inspiration für Seressa und Dubrava, die Uskoken von Senj standen Pate für die Piraten von Senjan und den größeren historischen Hintergrund bildet schließlich der beginnende Konflikt zwischen Osmanischem Reich und Habsburgern.

Ich habe mich gefreut, hier mehr über das Schicksal von Sarantium zu erfahren und auch Anklänge an „The Lions of Al-Rassan“ wiederzufinden, aber am spannendsten fand ich es, dass Kay sich hier in die Vergangenheit von Kroatien begibt, da das leider kaum jemals in Fantasyromanen behandelt wird. Und als begeisterte Leserin von Helds „Die rote Zora“ geht mir ohnehin das Herz auf, wenn ich in einem Roman Senj und die Uskoken wiederfinde.

Neben dem interessanten Setting fand ich auch die Figuren sehr spannend, die alle ihre Ecken und Kanten haben und deren unterschiedliche Beweggründe ich gut nachvollziehen konnte. Sehr schön fand ich zudem, dass ihre Absichten zwar manchmal undurchsichtig sind, sie mitunter Intrigen spinnen und auch Verrat vorkommen kann, ihre Beziehungen untereinander aber dennoch stark von Freundschaft und Vertrauen geprägt sind. Ich habe das Gefühl, dass Freundschaften bei Fantasyromanen gerne mal etwas unter den Tisch fallen und deshalb habe ich mich gefreut, dass das hier anders war.

Ich habe von allen Figuren gern gelesen und ihre jeweiligen Perspektiven sehr interessant gefunden, besonders aber von Marin Djivo. Er ist ungemein sympathisch, sehr intelligent, charmant und wortgewandt, wenn auch machmal ein wenig zu impulsiv. Bei ihm kommt das Thema Rache, das sich durch den gesamten Roman zieht, am wenigsten zu tragen. Danica steht quasi auf der anderen Seite – bei ihr ist fast das gesamte Handeln davon bestimmt, dass sie sich an den Ashariten für den Tod ihrer Familie rächen möchte. Ich konnte gut verstehen, weshalb sie ist, wie sie ist, habe mir aber manchmal etwas schwer damit getan, wie rasch sie zu Gewalt bereit ist und wie unüberlegt, mitunter auch naiv sie handelt. Gleichzeitig ist sie aber auch die Figur mit dem größten Entwicklungspotenzial.

Ein Thema, das den ganzen Roman durchzieht, ist also Rache – in all ihren unterschiedlichen Facetten. Man könnte vielleicht sogar sagen, dass dieses Thema sowie der allgegenwärtige Konflikt zwischen Asharias, Seressa, Obravic und Senjan den roten Faden bildet, da mir die Handlung darüber hinaus nicht sehr zielgerichtet vorkam. Das Problem ist nicht, dass ich mich beim Lesen gelangweilt hätte, aber mir war manchmal nicht ganz klar, worauf der Roman hinauswill. Möglicherweise hätte er besser als Zweiteiler funktioniert (wie die Sarantium-Dilogie), da gerade in der zweiten Hälfte große Ereignisse recht schnell abgehandelt werden.

Das ist dann auch mein größter Kritikpunkt an dem Roman, den ich sonst sehr gern gelesen habe. Was mich auch ein wenig gestört hat, ist die Tatsache, dass die Sicht der Ashariten hier sehr kurz kommt – untypisch für Kay, der sonst meist alle Seiten eines Konflikts ausführlich behandelt. Auch in dieser Hinsicht hätte wohl ein zweiter Band geholfen.

„Children of Earth and Sky“ endet trotz der ernsten und mitunter düsteren Themen auf einer sehr positiven Note – tatsächlich ist hier die melancholische Grundstimmung nicht so ausgeprägt, wie es bei Kays Romanen sonst oft der Fall ist.

Alles in allem ein Roman, der für mich in punkto Setting, Figuren und Schreibstil überzeugt hat, der aber auf der Handlungsebene ein paar Schwächen aufweist und möglicherweise einige Seiten mehr vertragen hätte. Ich persönlich habe den Roman dennoch sehr genossen, aber wem ein ausgeklügelter Plot wichtiger ist als Figurenentwicklung wird hier vermutlich nicht auf seine Kosten kommen.

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