Streifzüge

[Norwegische Streifzüge] Wanderung zum Hardangerjøkulen

Start- und Endpunkt: Bahnhof Finse
Länge: ca. 13 km
Höhenmeter: 250 hm

Zweimal bin ich mit dem Zug von Bergen nach Oslo gefahren – einmal 2005 während meines Auslandssemesters und einmal 2017, als ich dienstlich bei einer Tagung in Bergen war – und beide Male war ich nicht nur begeistert von der atemberaubenden Strecke, sondern habe mir auch gedacht, wie gern ich einmal unterwegs aussteigen und die Gegend erkunden würde. Im August 2021 habe ich mir diesen Wunsch endlich erfüllt.

Zuerst ein paar Fakten zur Bergenbahn: Die höchstgelegene Eisenbahnstrecke von Skandinavien wurde bereits 1909 in Betrieb genommen und führt über die Hardangervidda. Der höchste Punkt der Strecke ist mit 1222 Meter die Ortschaft Finse, die nur per Zug oder zu Fuß zu erreichen ist. Von Oslo nach Finse fährt man gut vier Stunden – da ich an einem Tag hin- und zurückfahren bin und dazwischen noch eine Wanderung unterbringen wollte, hieß es für mich also sehr früh aufstehen. „Dank“ Corona hatte ich im Zug aber eine ganze Vierer-Sitzgruppe für mich und konnte es mir also mit einem Kaffee und Lesestoff bequem machen.

Blick aus dem Zugfenster

Als ich in Finse ausstieg, freute ich mich über mein Glück mit dem Wetter: Es war sonnig und warm, was jenseits des 60. Breitengrades und auf über 1000 m Seehöhe auch im Sommer keineswegs selbstverständlich ist. Bereits die ersten Blicke über den See Finsevatnet waren atemberaubend:

 

Als Wanderung hatte ich mir eine Tour zur Blåisen-Gletscherzunge des Hardangerjøkulen, einem Plateaugletscher, ausgesucht. Ich hatte zwar überlegt mich einer geführten Tour auf den Gletscher hinauf anzuschließen, aber das wäre mir mit An- und Abreise an einem Tag doch etwas zu viel geworden. Ich ging also zunächst einen bequemen Weg entlang, der auf einem Damm über den Finsevatnet führte.

Zu diesem Zeitpunkt waren auch einige weitere Wanderer unterwegs und in Kombination mit dem breiten Weg kam mir das ganze mehr wie ein Spaziergang vor. Da ich ständig das wunderschöne Panorama der Hochebene bewunderte und fotografierte, war auch mein Tempo eher das eines gemütlichen Spaziergangs.

Nach der langen Zugfahrt war ich ziemlich hungrig und so suchte ich mir schon bald ein gemütliches Plätzchen in der Sonne, um meine Mittagsjause zu essen. Als ich danach wieder weiterging, waren mir die meisten anderen Wanderer weit voraus und nur eine Familie mit zwei Kindern begegnete mir immer wieder.

Ich hatte bald schon einen Blick auf eine andere Gletscherzunge, die ich zwar nur aus der Ferne bewunderte, zu der man aber auch eine Wanderung unternehmen könnte:

Allmählich wurde der Weg anspruchsvoller. Es ging über Geröll, Felsen und Flechten und ich musste mich ziemlich auf die Steinmarkierungen konzentrieren, um den Weg nicht zu verlieren. Zwischendurch verlor ich dennoch die Markierungen und fand mich ohne Brücke vor einem Fluss wieder. Ein kleiner Umweg führte mich zum Weg zurück und zu einer schmalen Hängebrücke, auf der ich den Fluss überqueren konnte.

Von hier war es in Kilometern nicht mehr weit bis zur Gletscherzunge, aber da es bergauf und bergab über Felsen und Geröll ging, dauerte es doch ein Weilchen, bis ich schließlich beim Fuß des Gletschers ankam – ein toller Anblick! Auf dem ersten Foto könnt ihr im Hintergrund vielleicht auch erkennen, dass hier eine geführte Gruppe gerade ihren Weg auf den Gletscher antritt.

Hier traf ich auch wieder mit der Familie zusammen, die schon die ganze Zeit nicht weit hinter mir gewesen war, und die Mutter machte ein Foto von mir.

Danach suchte sich die Familie einen Weg weiter an der Gletscherzunge entlang und ich hätte ihnen vielleicht einfach folgen sollen, da ich auf diese Weise bald auf den Wanderweg HAR38 gestoßen wäre, wie mir aber erst später klar wurde. Ich wollte hingegen der Route folgen, den mir die oben verlinkte Wanderung auf Outdooractive vorgab. Diese führte mich über eine äußerst wackelige Brücke, wenn man hier überhaupt von einer Brücke sprechen kann:

Diese Brücke zu überqueren gehört nicht zu meinen schönsten Momenten der Wanderung und danach wurde es überhaupt etwash kniffelig. In der Beschreibung hieß es „Ab hier ist der Weg nicht mehr markiert, man muss auf den ausgetretenen Pfad, gelegentliche Steinmänner sowie die GPS-Daten achten.“ Allerdings konnte ich weder einen ausgetretenen Pfad noch Steinmänner finden und navigierte mich also nur mit Hilfe meines Smartphones über das Gelände.

Wo soll hier ein Weg sein?

Das war eine ziemlich anstrengende Angelegenheit und ich wollte nicht unbedingt die nächsten vier Kilometer nur mit meinem Smartphone navigieren, zumal ich befürchtete, dass der Akku das nicht durchhalten würde. Allerdings wollte ich auch die wackelige Brücke nicht noch einmal überqueren müssen und so war Umkehren keine Alternative. Zum Glück konnte ich nach einer Weile in einiger Entfernung eine Gruppe Wanderer auf einem Weg erkennen. Ich manövrierte mich also einen Abhang hinunter und ging querfeldein, bis ich auf den Weg stieß.

Dieser führte zwar auch teilweise über Felsen und die eine oder oder andere Brücke, war aber doch deutlich als Weg erkennbar und ich musste nicht länger ständig auf meinem Smartphone prüfen, ob ich noch richtig war.

Unterwegs fand ich sogar zahlreiche Moltebeeren, die aber leider noch nicht ganz reif waren.

Nach etwa vier Stunden konnte ich schließlich in der Ferne wieder den Bahnhof erkennen. Da ich noch reichlich Zeit hatte, bis mein Zug zurück ging, gönnte ich mir bei der Finsehytta noch Kaffee und Waffeln in der Sonne.

Fazit: Eine wundervolle Tour mit atemberaubenden Blicken über die Hochebene. Der Weg ist an sich nicht schwer zu gehen, man sollte aber einigermaßen trittsicher sein und gute Schuhe anhaben. Für den Rückweg empfehle ich, entweder dieselbe Route wie auf dem Hinweg zu wählen oder von der Gletscherzunge aus Richtung Osten zu gehen, bis man auf den Wanderweg HAR38 stößt. Auf diese Weise vermeidet man die wackelige Brückenkonstruktion und den unmarkierten Abschnitt.

7 thoughts on “[Norwegische Streifzüge] Wanderung zum Hardangerjøkulen

  1. Diese Landschaft ist wirklich wunderschön und es freut mich zu lesen, dass du so einen angenehmen Tag hattest, auch wenn der Umweg natürlich nicht so schön war. Aber du siehst auf dem Foto wirklich zufrieden aus und dass sogar noch Zeit war für Waffeln, klingt perfekt! 🙂

    Mich persönlich würden allerdings all die kleinen Brücken vom vorwärtskommen abhalten. Ich bin nicht schwindelfrei und gerate schnell in Panik bei „beweglichen“ Untergründen – ich wäre auf der Wanderstrecke nicht nur wegen mangelnder Kondition nicht weit gekommen. *g*

    1. Die Brücken waren in der Tat etwas abschreckend, wobei ich die mit Geländer nicht schlimm fand, aber die eine, die im Grunde nur aus zwei Brettern besteht, umso mehr.
      Ich habe dann übrigens sogar noch eine zweite Waffel gratis bekommen, weil sie in der Küche irgendein Chaos bei der Bestellung hatten und eine zuviel gebacken haben. 😉

      1. Umso beeindruckender ist es, dass du auch diese Brücke hinter dich gebracht hast! 🙂

        Oh … eine zweite Waffel? Das klingt wirklich gut … 😀 Was für ein glückliches Chaos! *g*

  2. Ich lese hier etwas von einer zweiten Waffel??? <3 Und über das Wort"Jause" habe ich mich wieder gefreut. 😀

    Also beim Lesen des Textes und Betrachten der Bilder habe ich immer wieder nur "Wow!!! Wow!" gesagt. Wahnsinn, diese Landschaft! So beeindruckend. Der unwegige Streckenabschnitt hätte mich ziemlich verunsichert – vor allem wenn der Akku von meinem Smartphone langsam dem Ende entgegen geht. Ansonsten sieht es nach einer wirklich wunderschönen Wanderung aus, gerade auch durch diese raue Landschaft.

    Danke, dass du uns daran teilhaben lässt.

    1. Keine längere Wanderung ohne Jause. *gg*

      Die Landschaft war wirklich unglaublich! Beim unwegigen Streckenabschnitt hatte ich zwar wenig Sorge mich zu verlaufen, da sich die Landschaft so weit überblicken ließ, dafür aber umso mehr Sorge, dass ich auf einmal vor einem Fluss ohne Brücke stehen könnte. Daher war ich ziemlich erleichtert, als ich wieder auf einem klar erkennbaren Weg war. Von diesem kleinen Nervenkitzel abgesehen war es eine wunderschöne Wanderung.

  3. Das sind ja wunderschöne Fotos. Ich glaube Norwegen würde mir landschaftlich auch richtig gut gefallen. Diese kleinen Seen – traumhaft!Ich mag auch einfach sehr wie sich die Vegetation in der Höhe verändert.
    Wie schön, dass du dir den Traum erfüllen konntest.

    1. Ich finde Norwegen landschaftlich wirklich wundervoll. Und ich mag auch einfach Gebirgsvegetation – daher bin ich an diesem Tag echt auf meine Kosten gekommen.

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