Rezensionen

Heidi Sævareid – Am Ende der Polarnacht

erschienen bei Suhrkamp/Insel

Spitzbergen in den 50er Jahren: Das junge Ehepaar Eivor und Finn zieht gemeinsam mit ihren zwei kleinen Töchtern nach Longyearbyen, wo Finn eine Stelle als Arzt angenommen hat. Während Finn aufgrund seiner Tätigkeit schnell Bekanntschaften schließt und sich auf Spitzbergen einlebt, vermisst Eivor ihr Leben in Oslo und findet nur schwer Anschluss. In der langen Polarnacht fühlt sie sich zuhause mit den Kindern eingesperrt. Ihr einziger Lichtblick sind die Ausflüge auf Skiern mit der Huskyhündin Jossa. Als Heiberg, der in der Verwaltung des Kohlebergwerkes arbeitet, immer stärker mit psychischen Problemen kämpft und Finns ganze Aufmerksamkeit fordert, gerät das fragile Gleichgewicht sowohl in der Gemeinschaft als auch in der Ehe von Eivor und Finn ins Wanken.

Spitzbergen steht seit Jahren ganz weit oben auf meiner Reise-Wunschliste und daher habe ich gleich zugegriffen, als mir dieses Buch zufällig in der Buchhandlung unterkam. Dabei ist Spitzbergen in diesem Roman alles andere als ein Sehnsuchtsort. In den langen Wintermonaten ist die Inselgruppe gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten, auf den Straßen liegt der Kohlestaub aus den Bergwerken und der Kalte Krieg führt zu Spannungen zwischen den norwegischen und russischen Siedlungen. Auch wenn Eivor im Laufe der Zeit auch die Schönheit der Insel zu sehen beginnt, kämpft sie mit Kälte, Dunkelheit und Einsamkeit. Und zu allem kommt noch ein ständiges Gefühl der Bedrohung. Da nicht selten Eisbären bis nach Longyearbyen kommen, wagt sie es kaum die Kinder aus den Augen zu lassen.

Unter all dem leidet auch die Ehe zwischen Eivor und Finn. Die beiden entfernen sich immer mehr voneinander. Während Finn gesellig ist und gern Gäste einlädt, würde Eivor gern mehr Zeit alleine mit ihm verbringen. Während Finn stets alles im Griff haben und Konflikte schnell aus der Welt schaffen möchte, fühlt Eivor sich überfordert und zieht sich schweigend in sich selbst zurück.

Heidi Sævareid erzählt das alles mit einem scharfen Blick für Details. So zeichnet sie nicht nur ein vielschichtiges Bild von Eivor, sondern erweckt auch das unwirtliche Spitzbergen in den 50er Jahren zum Leben. Ich befürchtete anfangs, dass der Roman allzu trostlos werden könnte, aber es gibt immer wieder auch Lichtblicke und hoffnungsvolle Momente, nicht zuletzt aufgrund der Menschen von Longyearbyen, die mit Festen versuchen, die Eintönigkeit der kalten Winterzeit zu durchbrechen.

Trotz einer sehr ruhigen Erzählweise entwickelt der Roman einen gewissen Sog –  vor allem als sich die Situation mit Heiberg zuspitzt und ein zunehmendes Gefühl von Unheil in der Luft liegt. Ich fand es faszinierend, wie die Autorin hier unterschwellig Spannung aufbaut, obwohl vordergründig gar nicht so viel geschieht.

Mir hat „Am Ende der Polarnacht“ sehr gut gefallen, auch wenn ich mir ein etwas runderes Ende gewünscht hätte.

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