Rezensionen

Johanna Sebauer – Nincshof

erschienen bei Dumont

Nincshof ist ein kleines, verschlafenes Dorf an der österreichisch-ungarischen Grenze. Nicht verschlafen genug allerdings, wenn es nach den drei Männern geht, die sich „die Oblivisten“ nennen und es sich als Ziel gesetzt haben, Nincshof in Vergessenheit versinken zu lassen. Dadurch erhoffen sie sich Freiheit und Ruhe von der Außenwelt. Um ihren Plan zu verwirklichen, holen sie die alte Erna Rohdiebl mit an Bord. Wenn da nur nicht die zwei Neuen aus der Stadt wären, die viel zu viele neugierige Fragen stellen!

Johanna Sebauer hat mit „Nincshof“ ein fiktives Dorf mit vielen Geschichten und Legenden im Hintergrund und einem ganzen Sammelsurium an skurrilen Bewohnern erschaffen. Allen voran die drei Oblivisten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Dorf aus dem Gedächtnis der Außenwelt verschwinden zu lassen. Dafür ist ihnen kein Aufwand zu groß – sie lassen Lexikoneinträge und Zeitungsartikel verschwinden, montieren Straßenschilder ab und verscheuchen mit penetrantem Düngergestank Radfahrer, die sich hierher verirren. Eine – zunächst widerwillige – Verbündete finden sie in Erna Rohdiebl, einer unternehmungslustigen 80-jährigen. Dagegen sind ihnen die beiden Zugezogenen aus der Stadt ein Dorn im Auge. Isa, die für ihre Dokumentarfilme einst Preise gewonnen hat, wollte hier eigentlich Ruhe finden, aber die Seltsamkeiten von Nincshof wecken ihre Neugierde und so löchert sie ausgerechnet Erna mit Fragen über eine Dorflegende, die besagt, dass Nincshof einst verborgen und unberührt von der Außenwelt im Schilf lag. Und als wäre das noch nicht genug, hat sich ihr Mann der Zucht der seltenen Irrziegen verschrieben und zieht mit den exotischen Tieren viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich.

Ich hatte mit diesem Roman viel Freude, war zum Ende hin aber auch nicht ganz glücklich damit. Die Bemühungen der Oblivisten, Ernas Unternehmungen und die Geschichte von Nincshof fand ich ganz wunderbar. Sehr gut hat mir auch gefallen, wie Isa sich von Hinweis zu Hinweis hangelt, um dem Geheimnis und der Legende des Dorfes auf die Spur zu kommen. Schade fand ich es hingegen, dass die herrlichen Geschichten rund um Nincshof teilweise stark zugunsten von Isas persönlichen Problemen in den Hintergrund rücken. Es ist zwar schön, dass Isa und ihr Mann Silvano nicht einfach nur die nervigen Stadtmenschen, sondern mehrdimensionale Figuren mit ihrer jeweils eigenen Geschichte sind, aber manches empfand ich als Fremdkörper in dem Roman. Zum Ende hin wurde mir außerdem manches zu märchenhaft-überdreht – gerade in Kombination mit den sehr ernsten, teils tragischen Aspekten war das für mich eine nicht ganz so gelungene Mischung. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass gerade diese Mischung für viele einen besonderen Reiz ausmacht. Mir selbst hat es durchaus gefallen, dass in „Nincshof“ nicht nur sehr viel Ironie, sondern auch eine große Portion Warmherzigkeit mitschwingt, aber in Summe kam es mir einfach so vor, als würde die Geschichte nicht so recht zu einem einheitlichen Ton finden. Ein wenig schade fand ich es auch, dass manches aufgeworfen, aber dann nicht weitergeführt wird.

Alles in allem hat mir „Nincshof“ dennoch gut gefallen. Die Handlung ist originell und macht beim Lesen viel Spaß und der kleine Kosmos, den Johanna Sebauer rund um ihr kleines Dorf erschaffen hat, ist sehr schön gelungen. Zudem eine perfekte Sommerlektüre (auch wenn ich ihn im Spätwinter gelesen habe).

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