Nach einer längeren Pause beantworte ich wieder einmal eine Frage bei den Classic Confessions von Lauter & Leise und dieses Mal geht es um Theaterstücke.
Da ich gern ins Theater gehe, Theaterwissenschaft als Wahlfach in meinem Studium hatte, lange als Nebenjob im Publikumsdienst verschiedener Theater gearbeitet habe und seit ein paar Jahren mehr oder weniger regelmäßig Regieassistenz in einem Theaterverein mache, habe ich mich Theaterumsetzungen also schon von mehreren Seiten genähert und habe auch ganz unterschiedliche Erfahrungen damit gemacht.
Damit dieser Beitrag hier nicht zu umfangreich wird und ich mich nicht gänzlich in Erinnerungen an alle möglichen Aufführungen verliere, möchte ich mich auf Theaterumsetzungen von Klassikern konzentrieren, die nicht ursprünglich als Theaterstück konzipiert waren. Natürlich variiert auch bei Dramen die tatsächliche Umsetzung meist sehr stark und es gibt unterschiedliche Zugangsweisen und Interpretationsmöglichkeiten. Aber besonders spannend finde ich es, wenn ein Buch auf die Bühne gebracht wird, das nicht von Vornherein auf die speziellen Anforderungen des Theaters zugeschneidert war.
Gerade erst vor ein paar Tagen habe ich eine solche Romanumsetzung mit Vicki Baums Menschen im Hotel gesehen, die mich allerdings nicht ganz überzeugt hat.
Gefährliche Liebschaften habe ich ursprünglich als Theaterstück von Christopher Hampton kennengelernt, als wir es bei uns im Verein aufgeführt haben. Ich liebe das Stück – und war dann beinahe ernüchtert, als ich endlich den Briefroman von Chaderlos de Laclos gelesen habe, da er mir im Vergleich etwas zäh und blutleer vorkam. In diesem Fall habe ich also den umgekehrten Weg beschritten, aber sonst kannte ich in der Regel doch stets den Roman vor dem Theaterstück.
Zahlreiche schöne Umsetzungen gibt es auch im Bereich des Jugendtheaters. Als ich eine Saison im Theater der Jugend gearbeitet habe, wurde dort – neben diversen modernen Kinderbüchern – auch Die Schatzinsel von Robert Luis Stevenson aufgeführt und Rudyard Kiplings Just So-Stories als wundervolles Musical umgesetzt.
Bevor ich jetzt doch endlos zu schreiben beginne, möchte ich noch eine meiner Meinung nach sehr gelungene und eine eher misslungene Bühnenumsetzung nennen. Auch Musicals bedienen sich ja gern bei Romanen und als vor ein paar Jahren Rebecca von den Vereinigten Bühnen in Wien inszeniert wurde, war ich sehr, sehr neugierig, da ich den Roman liebe. Leider hat mich die Musicalfassung dann sehr enttäuscht, da die Charakterentwicklung der Ich-Erzählerin zu sprunghaft verlief, manche Nebenfiguren zu sehr ins Lächerliche abrutschten und sich die Enthüllungen zum Ende hin nur schwer in Liedern umsetzen ließen. Abgesehen davon erinnerten Inszenierung und Lieder in einigen Punkten doch sehr an andere Produktionen der Vereinigten Bühnen wie „Elisabeth“ und „Mozart“.
Ich könnte mir aber dennoch vorstellen, dass der Roman als Bühnenfassung prinzipiell funktionieren würde.
Was mich dagegen – überraschenderweise – sehr begeistert hat, war eine szenische Komplettlesung auf Englisch von The Great Gatsby im Rahmen der Wiener Festwochen. Da ich dort Dienst hatte, war ich zunächst nicht sehr angetan von einem Stück in zwei Teilen (jeweils gut drei Stunden und dazwischen eine längere Essenspause).
Aber die Umsetzung war sehr spannend und gelungen: Ein Büroangestellter nimmt den Roman in die Hand und beginnt laut zu lesen. Nach einer Weile verleiht er dabei den Figuren unterschiedliche Stimmen und allmählich werden auch seine Kollegen zu Romanfiguren, bis sie schließlich ganze Szenen spielen. In einer Kritik von Charles McGrath bin ich über folgenden Satz gestolpert, der perfekt ausdrückt, was diese Inszenierung ausmacht: It’s more a dramatization of the act of reading itself — of what happens when you immerse yourself in a book.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ich Theaterumsetzungen von Klassikern sehr gern mag. Soweit es um Dramen geht, erklärt sich das eh von selbst, aber ich sehe auch Romane gern auf der Bühne und bin da meist viel weniger nörgelig als bei Verfilmungen.
Grenzenlos begeistert hat mich übrigens auch die Aufführung von Glattauers Gut gegen Nordwind – ob dieser Roman noch zum Klassiker wird, wird sich wohl in einigen Jahren zeigen.