erschienen bei Fischer Taschenbuch
woher: Buchhandlung Kuppitsch
Florian Illies beschreibt in diesem Buch in Anekdoten, kleinen Episoden und Stimmungsbildern die künstlerische, literarische und philosophische Gesellschaft des Jahres 1913, eines Jahres, das rückblickend als ein Wendepunkt oder letzter Höhepunkt vor den Kriegswirren der Folgejahre betrachtet wird.
Es gelingt Florian Illies in den kleinen Streifzügen sehr gut zu vermitteln, wie es sowohl in der k. u. k. Monarchie als auch im Deutschen Kaiserreich im Jahr 1913 von expressionistischen Künstlern, Schriftstellern und Gelehrten nur so wimmelte. Oskar Kokoschka, Thomas Mann, Franz Kafka, Else Lasker-Schüler, Alma Mahler-Werfel, Rainer Maria Rilke, Egon Schiele, Sigmund Freud, Robert Musil und Karl Kraus sind nur einige Persönlichkeiten, die einem in dem Buch begegnen – und die zum Teil auch einander begegnen in diesem Jahr.
Aber obwohl das episodenhafte Erzählen einerseits ganz gut ein Gesamtpanorama entwirft, bleibt Florian Illies andererseits auf diese Weise doch sehr an der Oberfläche. Da er außerdem meist nur für eine kurze Szene bei einer Person verbleibt, ehe er wieder zur nächsten springt, ist es mir schwer gefallen, in das Buch hineinzufinden. Ich wäre oft gern länger bei einer Person verweilt und habe die Struktur als recht zerfasert empfunden. Ich kann mir aber vorstellen, dass diese Erzählweise für manche gerade einen besonderen Reiz hat und man einfach austesten muss, ob einem das zusagt.
Was mich auch etwas zwiespältig zurücklässt, ist der Stil von Florian Illies. Er schreibt amüsant und spritzig und mit einer leichten Ironie, aber manchmal war mir diese Ironie zuviel des Guten. Ich habe sie mehrmals fast schon als spöttisch empfunden und auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass man Künstler auf ein Podest heben und verehren sollte, finde ich nicht, dass man alle Eigenheiten, Sorgen, Ängste und Probleme von anderen nur mit distanzierter Ironie betrachten muss. Und ich finde es auch ziemlich überheblich, wenn man sich als Mensch der modernen Zeit unterschwellig darüber lustig macht, wenn Menschen in einer Zeit, in der die Medizin noch nicht so weit fortgeschritten war, vor Krankheiten und Beschwerden, die aus unserer Sicht vielleicht banal wirken, Angst haben oder vermeintlich übertrieben darauf reagieren.
Vielleicht hätte ich mir auch gewünscht, dass man mehr Sympathie des Autors mit den Personen, über die er schreibt, spürt. Hätte er eine klare Kritik zum Ausdruck gebracht, hätte mich das noch weniger gestört, aber diese allgemeine, ziellose Ironie hatte für mich teilweise eher etwas von Selbstdarstellung.
Das bedeutet nicht, dass ich 1913. Der Sommer des Jahrhunderts schlecht gefunden hätte. Das Buch vermittelt einiges an Wissen und unbekannteren Fakten und bringt zudem auch gut zum Ausdruck, in welchem Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufbruchsstimmung sich viele Künstler und Gelehrte in dieser Zeit befunden haben.
Letztendlich konnten mich aber leider sowohl die Struktur des Buches als auch der Schreibstil des Autors nicht so begeistern, wie ich mir das erhofft hätte.
Servus, Neyasha.
Blickt man/frau auf die künstlerischen Persönlichkeiten Europas, jenes Jahres, lässt es sich vielleicht erahnen welchen (allein) kulturellen Gang ein Eurpa im Jahrhundert XX hätte nehmen können.
"…so aber riss im Folgejahr die Allianz aus Militarismus & Patriotismus die Welt in zwei Globalkriege, fuhr Menschenrechte wie Freiheiten für lange Jahre gegen die Wand. Verlorene Jahre. Verlorene Leben."
(Myrelle Minotier)
Zuviel an Ironie ist wie das Würzen mit der Suppenkelle – eine Überdosis.
Habe ich Dir schon die aktuelle Biographie über Fanz Marc empfohlen!?
bonte
Nein, bislang hattest du sie mir noch nicht empfohlen. 😉
…womit ich sie jetzt offiziell anempfehle: 🙂
"Franz Marc – Die Träume und das Leben", von Brigitte Roßbeck. Siedler Verlag.
bonté