publiziert vom Fram-Museum
Geir O. Kløver, seit 2005 Direktor des norwegischen Fram-Museums, beleuchtet in diesem Buch die Gründe, weshalb Roald Amundsen es erfolgreich zum Südpol schaffte. War es, wie etwa von britischer Seite lange behauptet, wirklich nur „Glück“? Kløver legt ausführlich dar, dass dem natürlich nicht so war, sondern dass umfangreiche Vorbereitungen und Planungen und eine flexible Anpassung an die Bedingungen die hauptsächlichen Gründe für den Erfolg waren.
Das Buch gibt zuerst einen kurzen Überblick über Amundsens frühe Jahre (etwa seine Teilnahme an der Belgica-Expedition in die Antarktis) und beschäftigt sich dann umfangreicher mit der Gjøa-Expedition. Amundsen durchfuhr von 1903 bis 1906 mit der Gjøa als Erster die Nordwestpassage und verbrachte während dieser Expedition zwei Winter auf King William Island bei den Netsilik Inuit. Ich fand diesen Teil besonders interessant zu lesen, da aus den Tagebuch-Ausschnitten sehr deutlich hervorgeht, dass Amundsen die Inuit nicht – wie viele andere Menschen seiner Zeit – mit Herablassung oder gar Verachtung betrachtet hat, sondern den größten Respekt vor ihnen und ihrer perfekten Anpassung an die arktischen Verhältnisse hatte. Er lernte von ihnen, wie man mit Schlittenhunden umgeht, wie man Kleidung aus Fellen herstellt, Iglos baut und in der Arktis auf die Jagd geht.
Der längste Abschnitt des Buches beschäftigt sich dann mit den umfangreichen Vorbereitungen für die Fram-Expedition als gesamtes und die Wanderung zum Südpol im Speziellen. Kløver stellt die Mitglieder der Crew vor, die alle sorgfältig auf Grund ihrer Erfahrungen ausgewählt worden waren, und erläutert die Umbauarbeiten, die an der Fram vorgenommen wurden. Schließlich nutzte Amundsen auch den Winter in der Antarktis vor dem Aufbruch zum Südpol dazu, noch einmal alle Materialien ausführlich zu testen und bei Bedarf Veränderungen vorzunehmen.
Beim direkten Vergleich zwischen den Expedition von Amundsen und Scott beleuchtet das Buch die sehr unterschiedliche Herangehensweise der beiden Männer. Vieles davon wusste ich schon aus Rainer-K. Langners „Duell im ewigen Eis“ und obwohl Kløver viele Planungsfehler von Scott sehr zurückhaltend kommentiert, wird doch deutlich klar, dass der Glauben an die britische Überlegenheit, die Weigerung, auf Ratschläge von erfahrenen Polarforschern wie etwa Nansen zu hören und die fehlende Anpassungsfähigkeit an die Verhältnisse vor Ort Scott zum Verhängnis wurden. Zusätzlich thematisiert Kløver noch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnisse der beiden Mannschaften. Während es bei Scotts Expedition die übliche Hierarchie unter den Männern gab, waren bei Amundsens Expidition sowohl auf dem Schiff als auch im antarktischen „Framheim“ alle Männer gleich untergebracht, alle aßen an einem Tisch und es wurde von jedem der Geburtstag gemeinsam gefeiert. Man kann sich vorstellen, dass das durchaus die Motivation und den Zusammenhalt gestärkt hat.
Abgerundet wird das Buch durch hunderte von Fotos (Originalaufnahmen der Expeditionen), Illustrationen, Karten und eine Tabelle, die die Expedition Tag für Tag herunterbricht. Durch diese große Sammlung an Bildmaterial macht das Buch einen recht einschüchternden Eindruck (es umfasst fast 600 Seiten), aber zugleich lockern natürlich die vielen Fotos den Text auf. Geir O. Kløver schreibt außerdem so einfach und verständlich, dass das Buch sich wirklich leicht liest. Ich habe es unglaublich spannend gefunden und für mich war das eines meiner Lese-Highlights von 2019.
Es wird kein Vorwissen benötigt, aber für einen ersten Einstieg in das Thema ist vielleicht dennoch Langners Werk besser geeignet. Ich persönlich kann „Lessons from the Arctic“ zwar sehr empfehlen, aber mich fasziniert historische Polarforschung schon seit meiner Jugend und ich bin daher vielleicht kein guter Maßstab.
Da das Buch sehr umfangreich, nicht ganz billig und außerhalb des Fram-Museums auch nicht so einfach zu bekommen ist, lohnt sich eine Anschaffung vermutlich nur, wenn man wirklich ein großes Interesse an der Thematik hat.
Schade, dass der Titel so schwierig in die Finger zu bekommen (und teuer) ist, bei so viel Begeisterung hätte es mich gereizt mal einen Blick hinein zu werfen. Ich bin lange nicht so fit, wenn es um Arktisreisen geht, wie du es bist, aber ich finde, dass die von dir erwähnten Tagebuch-Ausschnitte und der Vergleich der beiden Expiditionen, wenn es um die Erfahrung der Männer und die Grundvoraussetzung geht, sehr spannend klingen.
Ja, das finde ich auch schade. Leider sind auch die Versandkosten von Österreich nach Deutschland (besonders bei so einem schweren Buch) einfach zu hoch, als dass es sich lohnen würde, dir das Buch zum Ausleihen zu schicken.
Selbst wenn das finanzierbar wäre, hätte ich zu viel Angst, dass dem Buch etwas auf dem Versandweg passieren würde. Es ist ja kein Titel, den man mal eben ersetzen kann, wenn das geschieht.