Phantastisch Rezensionen

Juliet Marillier – Der Sohn der Schatten

Genre: Historische Fantasy
Verlag: Audible
Dauer: 24 h 37 min (ungekürzte Lesung)
gelesen von: Tanja Geke
meine Bewertung: 3 von 5 Sternchen

Liadan, die Tochter von Sorcha und Hugh, führt ein wohlbehütetes Leben auf Sevenwaters – immer ein wenig im Schatten ihrer strahlenden Schwester Niamh und ihres Zwillingsbruders Sean, der einmal Sevenwaters erben soll.
Doch als Niamh nach einer verbotenen Liebschaft in aller Eile mit einem verbündeten Clanführer verheiratet wird und Liadan einer Gruppe Söldner in die Hände fällt, hat das unbeschwerte Leben ein Ende. Plötzlich weiß Liadan nicht mehr, auf wessen Seite sie stehen soll. Vermeintlich vertraute Menschen sind nicht die strahlenden Helden, für die Liadan sie immer hielt, während die Söldner nicht die Monster zu sein scheinen, als die sie ihr beschrieben wurden. Und so verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr und lassen Liadan Entscheidungen treffen, die ihre Umgebung mit Befremden betrachten.
Es ist einige Jahre her, seit ich den ersten Sevenwaters-Teil „Die Tochter der Wälder“ gelesen habe. Darin ging es um Liadans Mutter Sorcha, deren Brüder von einer Zauberin in Schwäne verwandelt wurden. Ja, es handelte sich dabei um eine etwas andere Interpretation des Märchens „Die sechs Schwäne“. Juliet Marillier hat das ganze ins Irland des 9. Jahrhunderts gesetzt und trotz einiger Fantasyelemente eher historisch aufbereitet. Mir war der Roman damals stellenweise etwas zu kitschig und klischeehaft, aber dennoch hat mir die Neuinterpretation des Märchens sehr gut gefallen.
In dem 2. Teil nun geht es um die nächste Generation von Sevenwaters und es begann nicht allzu vielversprechend. Liadan war mir allzu brav, lieb und duldsam am Anfang, zumal mir die ständigen Heilerinnen mit Sehergabe allmählich wirklich zum Hals heraushängen. Es kommt mir vor, als würde das wirklich auf jede zweite weibliche Hauptfigur in historischen Romanen zutreffen. Noch dazu hatte ich das Gefühl, als wäre ich mittlerweile zu kritisch für diese Art von Romanen. Die ersten etwa zwei Stunden lang habe ich innerlich gefühlte hundert Mal die Augen verdreht.
Die Handlung verläuft zunächst in den erwarteten Bahnen und weist auch Ähnlichkeiten zum ersten Band auf. Die beginnende Liebe zwischen Liadan und Bran, dem Anführer der Söldner, kommt auch nicht gerade auf leisen Sohlen daher und ist von ihrer ersten Begegnung an klar. 
Trotzdem hat mich der Roman nach und nach in seinen Bann gezogen. Ich kann nicht behaupten, dass ich Liadans Entwicklung zu einer sehr selbstbewusst-eigensinnigen Frau allzu gut nachvollziehen konnte, zumal es so dargestellt wird, als wäre sie immer schon so stark gewesen, obwohl sie anfangs gänzlich anders eingeführt wird. Dennoch hat mir diese „neue“ Liadan deutlich besser gefallen, auch wenn sie gerne etwas mehr Schwächen bzw. Fehler hätte haben dürfen. So wirkte sie allzu perfekt, aber da sie sich zu einer wirklich starken (und erfreulich wenig jammernden) Figur mausert und ich so etwas bei weiblichen Figuren einfach mag, empfand ich das als nicht so schlimm.
Der Mittelteil hat mir dann auch wirklich gut gefallen, obwohl er stellenweise sehr traurig war. Aber die Handlung konnte mich dann doch fesseln und ich habe teilweise bis spät in die Nacht hinein gehört, weil ich mich nicht losreißen konnte. Manche Handlungspunkte und auch Charakterentwicklungen fand ich nicht ganz logisch, aber der Roman hatte für mich im Mittelteil genug Zug, dass ich darüber hinwegsehen konnte.
Leider fand ich dann das Ende (bzw. mindestens die letzten zwei Stunden) ziemlich enttäuschend. Schön und gut, dass Bran mit den Schatten seiner Vergangenheit zu kämpfen hatte, aber es war mir einfach zu viel, zu schleppend und zu ausführlich. Irgendwann war ich einfach nur noch genervt und habe händeringend darauf gewartet, dass es zu Ende ist.
Das ist schade, da ich zwischendurch den Roman wirklich gut fand. Aber das Ende war mir zu zäh und die ganze Sache mit den Söldnern tendenziell doch etwas zu sehr in Richtung „Friede-Freude-Eierkuchen“.
Ach ja, Stichwort Söldner. Obwohl das Hörbuch sonst sehr gut gesprochen war, fand ich die Sprecherin bei den Söldnern teilweise wirklich unpassend. In dem Versuch, Akzente und verschiedene Sprechweisen hineinzubringen, ist sie hier meiner Meinung nach gescheitert, da vor allem Möwe die meiste Zeit so klingt, als wäre er einfach nur dumm. Und auch die anderen Söldner klingen so, wie Tanja Geke sie spricht, teils naiv-ahnungslos und teils etwas … hm … geistig minderbemittelt. Und ganz abgesehen von der Sprechweise waren mir auch ihre Handlungen und Reaktionen manchmal ein wenig zu sehr „wir haben uns alle so lieb“-harmonisch. Auch, wie sie alle Liadans Geschichten wie kleine Kinder lauschen … ich weiß nicht recht. Die Autorin wollte wohl zeigen, dass diese Söldner in Wahrheit alle eine sehr gutes Herz haben, aber mir war das etwas zuviel des Guten, denn so, wie Liadan sie erlebt, haben sie gar keine Schattenseiten mehr (wenn man von ihrem Söldnerdasein absieht).
Insgesamt hat es mir Spaß gemacht, dieses Hörbuch zu hören und stellenweise fand ich den Roman sehr, sehr fesselnd. Leider gab es doch einige Punkte, die mir nicht gefallen haben und gerade den Anfang sowie den Schluss fand ich ziemlich schwach. Damit lande ich mal wieder bei mittelmäßigen 3 Sternchen.
Und ich bin nun sehr unschlüssig, ob ich den Folgeband „Das Kind der Stürme“ auch hören soll oder nicht. Im Grunde brauche ich möglichst schnell wieder ein neues Hörbuch, da ich noch Weihnachtsknüpfereien vor mir habe, aber ich kann mich nicht entscheiden, ob ich nun mein momentanes Audible-Guthaben tatsächlich für den nächsten Sevenwaters-Band verwenden soll …

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