Phantastisch Rezensionen

Thomas Burnett Swann – Green Phoenix

Genre: Phantastik
Seiten: 150
Verlag: Wildside Press
ISBN: 978-1434430984
Meine Bewertung: 4,5 von 5 Sternchen

English-Challenge  (Februar) 

„Aeneas must die.“
Das beschließt die Königin der Dryaden, als Aeneas mit seinen Männern an der italischen Küste anlegt, um dort nach langen Reisen hoffentlich endlich sein „zweites Troja“ gründen zu können. Aber die Dryaden wollen keine Eindringlinge in ihrem Wald dulden – und schon gar keinen brutalen Krieger, der Dido herzlos in den Selbstmord getrieben hat.
Aber die Dryade Mellonia merkt bald, dass Aeneas anders ist als man ihn ihr beschrieben hat und gerät auf diese Weise in einen gefährlichen Konflikt.

Kurz beschrieben klingt der Inhalt sehr banal und wie schon hundertmal dagewesen. Aber Swanns Roman ist eine ganz besondere kleine Geschichte – eine Geschichte der leisen Töne, die tief in die Mythologie der klassischen Antike eintaucht und von Faunen, Zentauren, Dryaden und besonderen Wäldern erzählt.
Dabei schafft Swann mit seiner Sprache eine Atmosphäre, die einen ganz tief in diese altertümliche Welt eintauchen lässt. Es ist eine zauberhafte, zugleich aber melancholische Welt, da das „Goldene Zeitalter“ unweigerlich vorbei ist und die Wesen des Waldes das auch spüren. Aeneas, als Held des trojanischen Krieges, der ein wenig etwas Übermenschliches an sich hat, scheint selbst ebenfalls einer vergangenen Zeit anzugehören, während sein Sohn Ascanius (den er Phoenix nennt – daher der Titel) mehr im Hier und Jetzt verankert ist und auch mehr in diese „neue Zeit“ gehört.
Wenn ich schreibe „übermenschlich“, dann meine ich damit aber nicht, dass Aeneas ein makelloser Held ist. Man kann ihn, den Träumer und Dichter, Anführer wider Willen und Vater mit Leib und Seele, überhaupt nur schwer in Worte fassen. Ich mochte ihn als Figur wahnsinnig gern; man könnte fast sagen, dass ich einen ziemlichen Narren an ihm gefressen habe. 😉
Aber so ging es mir auch schon mit Christa Wolfs Aineias in „Kassandra“, und Swanns Held lässt sich mit diesem durchaus in Einklang bringen.
Ascanius ist der praktischere, aber auch etwas rücksichtslosere Gegenpart, den trotz aller Unterschiede eine sehr tiefe Liebe mit seinem Vater verbindet. Die Beziehung zwischen den beiden wird wirklich sehr schön gezeichnet und wirkt hier, da sie nun beide erwachsen und gewissermaßen ebenbürtig sind, fast noch enger als in „Queens Walk in the Dusk“.

Ach ja, Stichwort „Queens Walk in the Dusk“. Das ist leider der einzige Wehrmutstropfen an dem Roman. „Green Phoenix“ war der frühere Roman – Swann hat erst ein paar Jahre später die Vorgeschichte geschrieben, die von Dido und Aeneas erzählt. Das Problem ist aber, dass der Autor entweder selbst nicht mehr wusste, wie er manche Einzelheiten beschrieben hatte (das hätte er dann vielleicht nochmal nachlesen sollen) oder aber er hat sie bewusst verändert. Was auch immer der Grund dafür ist, es gibt auf alle Fälle einige größere Widersprüche zwischen den beiden Romanen. So stimmen sie zeitlich nicht zusammen. Seit dem Verlassen von Karthago sind 5 Jahre vergangen und demnach wäre Ascanius damals ein 15jähriger Jugendlicher gewesen. In „Queens Walk in the Dusk“ ist er aber ein Kind. Auch Dido wird anders beschrieben und Ascanius mochte sie angeblich nicht, obwohl das in der Vorgeschichte ganz anders beschrieben wird.
Nun kann ich das eigentlich nur schwerlich „Green Phoenix“ ankreiden, da die Version darin ja die ursprünglichere ist. Aber da ich nun mal das Prequel zuerst gelesen habe, bin ich hier nun immer wieder über die Widersprüche gestolpert und sie haben doch ein wenig mein Lesevergnügen getrübt. Das finde ich schade, da sie ja zu vermeiden gewesen wären.

Abgesehen davon ist „Green Phoenix“ aber ein wunderschön geschriebener, phantastischer Roman, der am ehesten noch mit den Büchern von Patricia McKillip vergleichbar wäre (wenn man denn Vergleiche suchen möchte) – allerdings ohne so rätselhaft zu sein. Und Swanns Geschichten sind auch deutlich „sinnlicher“, ohne aber direkt erotisch zu sein.
Sein Englisch ist übrigens sehr gut verständlich, obwohl er zu ausschweifenden Beschreibungen neigt und oft auch einige wenig gebräuchliche Vokabeln verwendet. Aber man kann sich in seine poetische Sprache sehr gut und schnell reinlesen.

4,5 Sterne für einen fast perfekten Roman, an dem mich nur die Widersprüche zur Vorgeschichte massiv irritiert haben.

Jetzt muss ich es nur noch schaffen, den 3. Teil „The Lady of the Bees“ irgendwo aufzutreiben, in dem allerdings von den bekannten Figuren nur noch Mellonia dabei sein wird.

Leave a Reply

Your email address will not be published.