Jugendbuch Rezensionen

Ally Condie – Matched

Genre: Dystopie, Jugendbuch
Seiten: 384
Verlag: Dutton Juvenile
ISBN: 978-0525423645
Meine Bewertung: 3,5 von 5 Sternchen

Für Cassia ist es normal, dass ihr gesamtes Leben aufgrund statistischer Daten und Berechnungen von außen bestimmt wird. Auch die Wahl des zukünftigen Partners wird nicht dem Zufall oder einem schwammigen Gefühl wie Liebe überlassen, sondern mithilfe eines ausgeklügelten Systems berechnet. Mit 17 Jahren soll Cassia endlich ihren Match erfahren – und kann ihr Glück nicht fassen, als es sich dabei ausgerechnet um Xander, ihren Freund seit Kindheitstagen handelt.
Doch auf dem Chip, der Informationen über ihren Match bereithält, erscheint ein anderes Gesicht – jenes von Ky, den sie ebenfalls kennt und der als sogenannter Aberration nicht einmal für eine solche Verbindung im System sein sollte. Cassia beginnt zu zweifeln und die Dinge zu hinterfragen – und ein Interesse an Ky zu entwickeln, das von den Oberen nicht gern gesehen wird.
Ich bin skeptisch an „Matched“ herangetreten und war dann auch zu Beginn nicht sehr von dem Roman begeistert. Zu schwammig und uninteressant kam mir die dystopische Gesellschaft vor, die Handlung zu sehr auf ein Liebesdreieck konzentriert. Beinahe hätte ich den Roman abgebrochen, aber dann habe ich ihm doch eine zweite Chance gegeben – und fand ihn gar nicht mal so schlecht.
Die zunächst „perfekt“ erscheinende Welt von Cassia ähnelt ein wenig dem Bild, das Juli Zeh in Corpus Delicti zeichnet: Dank genauer Berechnungen, intensiven statistischen Auswertungen und völliger Kontrolle der meisten Lebensbereiche sind Krankheiten beinahe ausgerottet. Partnerschaften werden aufgrund ihrer Anlagen und Gene bestimmt, jeder bekommt das für ihn geeignete Essen, alle Risiken, die zu Krankheit, Verletzungen oder Aufbegehren führen könnten, werden dezimiert. Die Schattenseiten offenbaren sich natürlich schnell. Jeder Einzelne unterliegt der strengen Kontrolle der Society, es gibt keine Freiheiten, keine Wahlmöglichkeiten und kein Hinterfragen. Selbst der Zeitpunkt des Todes wird von außen bestimmt.
Diese ganze Gesellschaft wirkt sehr konstruiert (was sie ja gewissermaßen auch ist) und hat mich oftmals zu der Frage gebracht, wie das funktionieren kann, ohne dass sich mehr Menschen auflehnen. Natürlich, das Leben der Menschen spielt sich wie einer geschlossenen Blase ab (ein Lob hier an die passende Covergestaltung!), denn da es kaum noch Literatur und Kunstwerke gibt – nur die wenigen, die von der Society noch zugelassen werden – gibt es auch wenig, das noch an ein anderes Leben erinnert und den Menschen zeigt, was ihnen fehlt. So manches kam mir zwar dennoch nicht ganz nachvollziehbar vor, aber insgesamt hat Ally Condie sich bei der Entwicklung ihrer dystopischen Welt zweifellos viele Gedanken gemacht und auch sehr interessante Ideen umgesetzt.
Was ein bisschen fehlt, das ist diese Unmittelbarkeit, diese starke Verbindung zu unserer jetzigen Gesellschaft, die man etwa in den „Hunger Games“ findet. Die Medienkritik, das schonungslose Weiterentwickeln von Reality Shows und das Töten von Kindern für die Belustigung einer dekadenten Oberschicht – das alles wirkt tatsächlich nur noch wenige Schritte von der heutigen Medienwelt entfernt. Die Gesellschaft, die Ally Condie zeichnet, scheint da (trotz zunehmenden Überwachungswahns) viel weiter von uns entfernt.
Die Handlung selbst ist eher still und entwickelt sich gemächlich. Das führt ab und zu zu Längen, dennoch ist der Roman aber keineswegs langweilig. Im Gegenteil: Ich fand es durchaus schön, dass die größten Entwicklungen in Cassia stattfinden – und schließlich auch äußere Entwicklungen mit sich bringen, bis letztendlich ihre ganze Welt in sich zusammenzubrechen scheint.
Die Konzentration auf das Liebesdreieck ist dabei gar nicht so groß wie befürchtet. Cassia pendelt hier nicht so nervig zwischen zwei Männern, zwischen denen sie sich nicht entscheiden kann, hin und her, wie es in vergleichbaren Konstellationen oft der Fall ist. Die Frage bei ihr ist eher: persönliche Wahl vs. das, was von der Society vorgegeben wird.
Tja, und da kommt jetzt einer meiner größten Kritikpunkte: Auch auf Ky wird Cassia ja erst so richtig aufmerksam, als er ihr als möglicher Match gezeigt wird. Dieser Punkt wird durchaus thematisiert und bereitet auch ihr selbst Kopfzerbrechen, aber er hinterließ bei mir einen schalen Nachgeschmack.
Schön hingegen fand ich es, dass die Liebesgeschichte hier sehr langsam und nachvollziehbar entwickelt wurde und man nicht vom einen Augenblick auf den anderen ein „Du bist jetzt mein Leben und alles andere spielt keine Rolle“ präsentiert bekommt.
Das liegt zu einem großen Teil an der Ich-Erzählerin, da Cassia eine junge Frau mit einem Leben und einem familiären Umfeld ist, das sie nicht sofort für eine Liebe über den Haufen werfen möchte. Es sind mehrere Konflikte, in die sie gestürzt wird, und die Art, wie sie damit hadert, ist nachvollziehbar und auch sympathisch. Allgemein war ich von Cassia sehr positiv überrascht. Sie ist keine Rebellin von Anfang an und mag manchen Lesern etwas zu angepasst sein, aber sie wirkt eben in ihrer Gesellschaft glaubwürdig. Dennoch ist sie aus meiner Sicht eine sehr starke Figur, die erfreulich wenig jammert und einen bemerkenswert kühlen Kopf in Extremsituationen behalten kann.
Ich habe ihre Perspektive gern eingenommen und muss sagen, dass Cassia für mich zu den sympathischsten Heldinnen gehört, die mir in letzter Zeit in Jugendromanen untergekommen sind.
Deutlich blasser bleiben dagegen Xander und Ky, die eigentlich beide sehr ähnlich sind. Beide sind verständnisvoll, rebellieren nicht offen, sind aber bereit, einige Grenzen zu übertreten, wenn es notwendig ist und würden wohl fast alles für Cassia tun. Hier hätte ich mir zwei greifbarere und vor allem auch unterschiedlichere Persönlichkeiten gewünscht.
Noch ein paar Worte zur Sprache: Sie ist schlicht und nüchtern, flüssig zu lesen, aber auch nicht sonderlich bemerkenswert. Auf Englisch ist der Roman daher gut verständlich, wobei es durchaus sein kann, dass der Stil mir auf Deutsch zu unauffällig wäre.
So, bevor diese Rezension noch endlos lange wird, komme ich zu einem Fazit:
„Matched“ ist ein duchaus gelungener Roman mit einer sympathischen Ich-Erzählerin, der trotz einer ruhigen Handlung zu fesseln weiß und eine interessante Gesellschaft zeigt. Es gibt aber einige Punkte, die mich daran gestört haben – allen voran die beiden männlichen Hauptfiguren – und die das Lesevergnügen doch auch getrübt haben. Ein völliges Eintauchen in das Buch war mir dadurch einfach nicht möglich.
Dennoch ein solider Einstiegsband, der mich neugierig auf den Nachfolger macht und sich 3,5 Sternchen verdient.

Leave a Reply

Your email address will not be published.