Genre: Phantastik, Jugendbuch
Seiten: 559
Verlag: Arena
ISBN: 978-3401503875
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternchen
Nach einem Albtraum sieht Rebecca ihn plötzlich unter ihrem Fenster stehen: Einen rätselhaften Jungen, der ständig unvermutet auftaucht und zwar keine eigene Vergangenheit zu haben scheint, sich dafür aber an Ereignisse aus Rebeccas Kindheit erinnert. Doch er scheint nicht nur Bruchstücke ihrer Vergangenheit zu kennen, sondern auch Teile ihrer Zukunft, darunter auch ihren Tod …
Ich habe einen netten Jugendroman ohne großartige Überraschungen erwartet und „Lucian“ eigentlich nur deshalb gelesen, weil das ebook gerade in der Onleihe verfügbar war. Doch über weite Teile hat der Roman meine Erwartungen deutlich übertroffen und hätte ich nicht vor allem im letzten Drittel so einige Kritikpunkte gefunden, hätte er vielleicht sogar die Höchstwertung bekommen.
Denn vor allem die erste Hälfte ist wirklich sehr gut gelungen. Das Rätsel um Lucian stand für mich dabei gar nicht mal so sehr im Mittelpunkt, sondern mehr Rebecca und ihr Umfeld, das wunderbar beschrieben ist. Ihre Mutter und deren Lebensgefährtin Spatz, Rebeccas beste Freundin und Sebastian, ihr Ex-Freund und gleichzeitig auch ein bisschen eine Seelverwandter, sind so liebenswerte und lebhaft beschriebene Figuren, dass ich wohl noch etliche Seiten über sie hätte lesen können.
In dieser ersten Hälfte steckt soviel: Freundschaft, Liebe, Komplexe wegen des eigenen Körpers, Unsicherheiten, wann es der richtige Zeitpunkt für das erste Mal ist, familiäre Probleme, …. so viele Themen der Teenagerzeit, die sensibel und auch mit einer gewissen humorvollen Direktheit behandelt werden.
Die eher phantastische Handlung rund um Lucian bildet lediglich eine weitere Ebene, die gerade das richtige Maß an Rätsel und Spannung beiträgt.
Zwar ist sehr bald klar, wer oder was Lucian wohl ist, aber die Details und all die Zusammenhänge werden erst später deutlich und haben mich auch in einigen Punkten überrascht. Es fügt sich auch alles schön ineinander und wirkt in sich sehr stimmig und durchdacht.
Leider lässt für mich der Roman ab etwa der Hälfte deutlich nach. Es gibt einen klaren Einschnitt in der Handlung und damit verbunden einen Ortswechsel, der einige Probleme mit sich bringt. So fand ich es sehr schade, dass das so sorgfältig eingeführte Umfeld mit all den wunderbaren Nebenfiguren damit beinahe von der Bildfläche verschwand. Der Fokus legte sich klar auf Rebecca und Lucian, was für mich nur teilweise funktionierte.
Dazu kam, dass es für mich einige Logiklücken gab, ich die Motivation mancher Figuren nicht mehr ganz nachvollziehen konnte und ich mich außerdem über Rebeccas Egoismus geärgert habe. Dass sie ganz auf Lucian konzentriert ist, ist angesichts der Umstände zwar verständlich, aber es macht Rebecca nicht unbedingt sympathisch, dass sie keinerlei Gedanken daran verschwendet, was ihre Handlungen vielleicht für andere Figuren bedeuten.
Und schließlich fand ich das Ende sehr gehetzt, überhastet und unglaubwürdig. Irgendwo stimmt da das Tempo nicht mehr und es bleibt dann auch die Logik ein wenig auf der Strecke. Der Roman ist ja nicht unbedingt kurz, aber ich finde, das Ende hätte ruhig noch ein paar mehr Seiten vertragen.
„Lucian“ beginnt wirklich grandios und hat auch später noch einige wunderbare Szenen und so manche Aha-Momente zu bieten, aber insgesamt lässt der Roman zum Ende hin stark nach. Da er mich trotzdem durchwegs fesseln konnte und die erste Hälfte für mich zum besten gehört, was ich in der letzten Zeit gelesen habe, ergibt das für mich letztlich trotzdem noch 4 Sternchen.
Das Buch steht schon sehr lange auf meiner Merkliste. 😉 Deine Rezi ist ein weiterer Grund, das ich es endlich lese.
Ich finde, es lohnt sich (trotz schwächelndem Ende). 🙂
Ich habe "Lucian" damals gleich nach dem Erscheinen gelesen. Damals hatte ich das Gefühl, ich war so ziemlich die Einzige auf weiter Flur, die mit dem Buch nicht so wirklich zurecht kam. Ich glaube, wenn ich mich recht erinnere, hat mich das Ende völlig verwirrt und ich fand den Ausgang schade. Das hatte ich einfach nicht erwartet, obwohl es ja wiederum so logisch war. Dann aber wieder nicht… Hach, ich sag ja, das Ende hat mich verwirrt! Ich will "Lucian" unbedingt bald nochmal lesen. Vielleicht gehe ich dann diesmal anders ran an die Geschichte.
Kennst du noch andere Bücher von Isabel Abedi? Sie schreibt eigentlich immer recht gut.
Mir hat der Ausgang an sich sehr gut gefallen, aber es war mir nur alles zu schnell und durch dieses Überhastete tatsächlich auch verwirrend.
Ich hab von Isabel Abedi noch "Whisper" gelesen, das ich ganz nett, aber nicht überragend fand und "Isola", das meiner Meinung nach auch grandios begonnen hat, aber zum Ende hin hab ich mich total über das Buch geärgert. Es war schon die ganze Zeit alles so vorhersehbar, aber die Figuren haben gar nix kapiert – und dann hat die Autorin auch noch so krampfhaft vermieden, die "Täter" beim Namen zu nennen, als ob nicht eh längst klar gewesen wäre, um wen es sich handelt. Das hat mich ziemlich genervt.
Ich hadere immer mit mir, ob ich das Buch lesen mag oder nicht. Deine Beschreibung der ersten Hälfte klingt echt toll und beim lesen dachte ich, dass ich das Buch dann doch mal lesen werde. Nachdem ich jedoch deine Beschreibung zur zweiten Hälfte gelesen habe, bin ich doch wieder irgendwie abgeschreckt. Ich glaube, ich warte einfach mal, bis das Buch auf irgendeinem Wege zu mir kommt. Das klingt jetzt vielleicht sehr esoterisch oder so, soll es aber gar nicht. Aber manchmal begegnen einem einige Bücher einfach so, wie z.B. bei dir in der Onleihe, ohne dass man danach sucht – und das meinte ich 😉
Liebe Grüße,
Jai
Ja, manchmal muss einen das Buch sozusagen von selbst finden. 🙂
Den hab ich letztens auch endlich gelesen und war auch ziemlich begeistert. Allerdings finde ich, wo ich jetzt so deinen Post gelesen habe, das Ende in Retrospekt auch deutlich überhastet! Also den Ausgang an sich fand ich klasse und auch sehr passend, aber du hast Recht, es gibt durchaus einige Logiklücken. Die Einige, die mir richtig doll aufgefallen ist, ist diese "Rezession"-Stelle (die Schülerin hätte Rezension sagen sollen. Da ist der AUtorin wohl entfallen, dass sie kurz vorher die Handlung nach Amerika verlegt hatte, wo das ja nun nicht so richtig hinpasst. Kannst du dich an die Stelle erinnern? Ich hab mich hinterher noch öfter gefragt, ob ich da was überlesen habe… (Deutsche Schule? Deutschunterricht?)
An die Stelle kann ich mich sehr gut erinnern, weil ich sie sogar markiert hatte, um es in meiner Rezension zu erwähnen. Dann habe ich es allerdings doch vergessen. 😉
Von einer deutschen Schule wird da auf alle Fälle nichts erwähnt – ich halte das für einen Schnitzer der Autorin.