Rezensionen Science Fiction

Koushun Takami – Battle Royale

Genre: Science Fiction?
Seiten: 624
Verlag: VIZ Media
ISBN: 9781421527727
Meine Bewertung: 2,5 von 5 Sternchen

In einer nicht näher festgelegten Zeit werden in dem fiktiven totalitären Staat „Republic of Greater East Asia“ jedes Jahr mehrere Schulklassen ausgewählt, um an dem Programm „Battle Royale“ teilzunehmen. Das bedeutet, dass sich die Schüler auf einer Insel oder einem anderen abgeschlossenen Gebiet so lange zu bekämpfen haben, bis nur noch eine(r) überlebt.
Der 15jährige Shuya gehört in diesem Jahr einem der 42 Schüler der Klasse 3B der Shiroiwa-Mittelschule, die für dieses Programm ausgewählt wurde. Er sucht nach Verbündeten – und muss feststellen, dass manche seiner Klassenkameraden sofort bereit sind, das grausame Spiel mitzuspielen.
 
„Battle Royale“ wird gern mit den „Hunger Games“ verglichen (oder eher umgekehrt, da „Battle Royale“ deutlich älter ist), was nur zum Teil verständlich ist. Es gibt einige Gemeinsamkeiten, gleichzeitig aber auch so viele Unterschiede, dass es etwas gewagt ist, Suzanne Collins vorzuwerfen, sie hätte sich an dem japanischen Roman bedient. Dennoch konnte natürlich auch ich gewisse Vergleiche beim Lesen nicht ganz ausblenden und muss zugeben, dass aus meiner Sicht die „Hunger Games“ in vielerlei Hinsicht deutlich besser funktionieren. Man hat eine Protagonistin, mit der man mitfiebert eine Hintergrund-Gesellschaft, die zwar nicht gänzlich logisch ist, aber doch sehr greifbar wird und durch die Anklänge an Reality-TV eine Nähe zu unserer Gegenwart, die einem beim Lesen ordentlich etwas zu denken gibt.
 
„Battle Royale“ hat auf diesen Ebenen dagegen mit einigen Problemen zu kämpfen, die mir das Lese“vergnügen“ doch etwas verleidet haben (nicht, dass man bei diesem Thema überhaupt von Vergnügen sprechen kann). Das Hauptproblem ist, dass mir bis zum Ende nicht klar wurde, was mit diesem Programm bezweckt wird. Es werden mehrere Erklärungen geliefert, die ich aber alle nicht einleuchtend fand. Es scheint mir ein seltsames Machtmittel zu sein, wenn selbst die Kinder von denen, die sich der Regierung fügen oder sogar für sie arbeiten, nicht verschont bleiben. Anders als bei den „Hunger Games“, wo das gesamte privilegierte Capitol von den grausamen Spielen verschont bleibt, scheint es hier jeden treffen zu können. Es kann also kein Drohmittel gegen Rebellen sein, wenn auch jene, die das System unterstützen, nicht sicher sind? Letztendlich verdeutlicht es lediglich die Willkür der Regierung, ihre Allmacht, die sie zu solchen Grausamkeiten befähigt. Warum aber sollte überhaupt jemand dieses System unterstützen, wenn man letztendlich nichts davon hat? Warum gibt es keinerlei Widerstand gegen das System?
Das alles bleibt umso mehr unklar, da man über die Gesellschaft, die hinter all dem steckt, kaum etwas erfährt.
 
Das andere Problem ist zugleich eine Stärke: Takami heftet sich zwar mit Shuya an eine Hauptfigur dran, bringt aber noch zahlreiche weitere Perspektiven ein, da man praktisch allen Schülern beim Töten und Sterben zusieht. Das ist anfangs noch sehr wirkungsvoll, schockierend und vielleicht auch notwendig, um zu zeigen, zu welchen Reaktionen und gruppendynamischen Vorgängen eine solche Extremsitaion führen kann. Mit der Zeit wird es aber ermüdend und wirkt teilweise sinnlos: Ist es wirklich notwendig, den Tod jedes einzelnen in allen Details zu schildern? Ständig noch neue und grausamere Möglichkeiten darzustellen? Und weshalb soll ich mich überhaupt für die gesamte Vergangenheit einer Figur interessieren, wenn ich bereits weiß, dass am Ende des Kapitels ihr Tod stehen wird?
Es ist durchaus interessant, das ganze aus verschiedenen Blickwinkeln zu erleben, aber eine gewisse Einschränkung auf einen Teil der Figuren wäre wünschenswert gewesen, zumal es auch schwer fällt, alle Namen auseinanderzuhalten.
 
Der Roman hat für mich dadurch einige Längen und wird manchmal trotz des schockierenden Themas ab und zu langweilig oder wirkt wie ein wahres Schwelgen in Gewaltszenen. Brutalität zu Unterhaltungszwecken scheint wichtiger zu sein als der Anstoß zum Denken.
Trotzdem ist „Battle Royale“ dazwischen auch wieder sehr spannend und nimmt einen mit, vor allem, wenn manches Mal aufgrund eines kleinen Missverständnisses oder Fehlers auf einmal alles schiefgeht. Es gibt einige recht interessante Figurenkonstellationen, leider aber auch sehr viel schwarz-weiß-Zeichnung und aufgrund der Menge des Personals einige sehr eindimensionale Figuren.
Gerade Shuya gehört leider zu den weniger interessanten Figuren, da er einfach zu gut ist um wahr zu sein: Er ist freundlich und klug, aufopferungsvoll, tötet natürlich nur aus reiner Gegenwehr, wenn er keine andere Wahl hat, ist gutaussehend und ein guter Sportler, ein rebellischer Musiker (also auch noch „cool“) und der Schwarm zahlreicher Mädchen. Eins davon ist Noriko, das sich mit ihm zusammenschließt, leider aber den ganzen Roman über außer einer paar Sätzen nur wenig zur Handlung beizutragen hat.
 
Zum Schreibstil ist zu sagen, dass manchmal gerade einige emotionale Szenen fast schon unbeholfen wirken, da der Tonfall ab und zu arg pathetisch wird. Das mag aber auch an der Übersetzung liegen, zu der ich noch kurz etwas sagen möchte: Ich habe das Buch in der englischen Übersetzung gelesen, da die deutsche wirklich schlecht ist. Sie strotzt vor Fehlern sowohl in der Rechtschreibung als auch der Grammatik und liest sich extrem sperrig – möglicherweise aufgrund des Versuchs, japanische Satzstrukturen einfach ins Deutsche zu übertragen, was so natürlich nicht funktioniert.
Ich würde also allen die englische Version ans Herz legen.
 
Nach vielen Worten also noch ein abschließendes Fazit: „Battle Royale“ bietet eine interessante Idee, die aber meiner Meinung nach nicht immer gelungen umgesetzt ist. Aufgrund des Themas und der zahlreichen ausführlich geschilderten Gewaltszenen, ist der Roman oft sehr harter Tobak, konnte mich aber trotzdem emotional nicht gänzlich mitreißen.
Ich finde vieles im Ansatz sehr interessant und die Handlung über manche Strecken auch spannend, aber wirklich überzeugt hat mich der Roman nicht – und anders als die „Hunger Games“ hat er mich nicht zum weiteren Nachdenken gebracht.(Wenn nicht bald mal wieder ein richtiger „Knüller“ kommt, dann bekomm ich echt noch eine Lesekrise …)

7 thoughts on “Koushun Takami – Battle Royale

  1. Dass die Plagiatsvorwürfe gegen Collins Schwachsinn sind, habe ich mir eh schon gedacht 🙂 Sie sagt ja selbst, sie hat sich an die Gladiatorenkämpfe angelehnt, was ja auch durch die Aufteilung Distrikte-Kapitol ersichtlich wird, als Pendant zu Rom und den Provinzen. Wenn man nun die Idee von Gladiatorenkämpfen in Form einer Jugenddystopie verwursten will, hat man zwangsläufig einen totalitären Staat in der Zukunft, weil Dystopien das so an sich haben, und jugendliche Protagonisten. Das ist eine nette Idee, aber nicht der Geistesblitz schlechthin, den keinesfalls zwei Leute unabhängig von einander haben könnten…

    Eine Idee haben kann jeder, viel schwieriger ist die Umsetzung. Ich lese teilweise auch Mangas, Übersetzungen von japanischen Romanen habe ich aufgegeben, die sind entweder für unser ästhetikempfinden grottig oder schwer übersetzbar, keine Ahnung, aber mir fällt auch bei den Mangas immer wieder auf, dass ich persönlich die Motivation der Figuren und ihr Handeln nicht immer so nachvollziehen kann. Denen ist es immer wichtig, brav zu sein, dazu zu gehören, gute Noten zu haben, dann sind sie auch noch ständig verlegen… Die wollen um jeden Preis dazugehören und gefallen. Bei uns würde keiner auf die Idee kommen, einen Charakter so zu motivieren. Da wird eher die Individualität hervorgehoben. Die Literatur dort drüben ist halt schon sehr anders…

    1. Hallo Mira!

      Ja, selbst falls Collins davon inspiriert wurde (sie meint ja, sie hätte vorher nichts von "Battle Royale" gehört, aber zumindest da hab ich schon ein paar Zweifel), kann von einem Plagiat sicher keine Rede sein. Dafür sind die Struktur, die Figuren, der Hintergrund und der Plot im Detail doch viel zu unterschiedlich.

      Dass ich mir einfach aufgrund der sehr unterschiedlichen japanischen Mentalität schwer getan habe mit den Figuren und der dargestellten Gesellschaft, habe ich auch schon überlegt. Da "Battle Royale" in Japan ein Riesenerfolg war (vor allem der Film), kann ich mir das schon vorstellen.

  2. Ich glaube auch, dass einige deiner Kritikpunkte etwas "typisch japanisches" ansprechen. Ich nehme so etwas bei Geschichten oft einfach hin, wenn der Rest stimmt. Manchmal finde ich sogar gerade diese Lücken oder Figuren spannend, weil es doch einiges über die Japan aussagt. Auf jeden Fall hast du mich mit deiner Rezension neugierig auf das Buch gemacht – nur die schlechte Übersetzung hält mich noch ab. Darüber habe ich mich in letzter Zeit zu oft geärgert.

    Viel Glück bei der Wahl deines nächsten Buches! 🙂

    1. Also die englische Übersetzung ist wirklich in Ordnung, die sollte nicht zum Ärgern sein.

      Mag sein, dass ich da auch mit kulturellen Unterschieden zu kämpfen hatte. Aber beim Lesen fühlte es sich halt für mich einfach nach Unstimmigkeit oder schlechter Charakterzeichnung an. Ich kenne halt (außer Murakami) sonst nur wenig japanische Literatur, daher kann ich das nur schwer beurteilen.

  3. Erst mal eine schöne Rezension, liebe Neyasha!
    Allerdings bin ich mir immer noch unsicher, ob ich es wirklich mit dem Buch versuchen soll. Ich kann zwar Gewaltszenen gut lesen, finde aber irgendeinen Sinn sollten sie haben. Einer (mehrere) überleben am Ende ist ja gut und schön, aber etwas mehr darf es doch noch sein.
    Sollte ich es mir zu Gemüte führen, wähle ich in jedem Fall die englische Variante. Über die Übersetzung habe ich bislang überall nur Schlechtes gelesen. Da bekommt man ja Angst;).
    LG und viel Erfolg für die baldige Auswahl eines Krachers,
    Nia

    1. Ich würde dir auch auf jeden Fall die englische Übersetzung empfehlen.
      Insgesamt gehen ja die Meinungen über den Roman stark auseinander – und vielleicht liegt es teils auch an der Erwartungshaltung, mit der man daran herangeht. Ich weiß also nicht so recht, ob ich ihn weiterempfehlen würde. Vielleicht hast du die Möglichkeit, irgendwo mal reinzulesen?

  4. @neyasha: ich würde die kulturellen Unterschiede gar nicht so sehr in den Figuren selber suchen; eine eindimensionale Figur ist eine eindimensionale Figur. Kultur hin oder her, die Menschen haben überall vielschichtige Persönlichkeiten 😉

    Ich sehe den großen Unterschied eher in der Darstellungsform. In Wahrheit orientieren wir uns ja alle am amerikanischen Standard vom Creative Writing; das ist für uns die gefälligste Form und die hat sich durchgesetzt. Japan ist nicht so US-orientiert, die haben hauptsächlich ihre eigenen Sachen, und bei denen haben sich eigene Regeln durchgesetzt. Die kennen das anders und die wollen ein anderes Carakterdesign, so wie sie das gewohnt sind. Die bauen Geschichten auch ganz anders auf und haben andere Klischees usw. Das macht es für mich interessant, hin und wieder einen Manga in die Hand zu nehmen. Das ist zwischendurch einfach mal eine schöne Abwechslung 🙂

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