Gegenwartsliteratur Rezensionen

Gabriel García Márquez – Die Liebe in den Zeiten der Cholera

 
Genre: Gegenwartsliteratur
Seiten: 512
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3596162512
Meine Bewertung: 3 von 5 SternchenEin Jahr mit Nobelpreisträgern

 
 
Über 50 Jahre lang wartet Florentino Ariza auf seine große Liebe Fermina Daza. Als junger Mann hatte er sich in sie verliebt und mit Liebesbriefen überschüttet, aber sie hat – auch auf Drängen ihres Vaters – einen angesehenen Arzt geheiratet. Als dieser dann stirbt, sieht Florentino endlich seine Chance gekommen, Fermina erneut seine Liebe zu beweisen.
 
„Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ beginnt mit dem Tod von Ferminas Mann und rollt dann nach und nach die Ereignisse auf, die bis zu diesem Punkt geführt haben. Es ist eine eigenartige Liebesgeschichte, die Márquez hier erzählt. Florentino wartet unerschütterlich auf seine Jugendliebe – zwar schläft er in dieser Zeit mit zahlreichen Frauen, aber er geht keine Bindung ein und richtet sein ganzes Leben danach aus, irgendwann mit Fermina vereint zu sein. Nicht aus persönlichem Ehrgeiz arbeitet er sich zum Leiter der karibischen Flussschifffahrtsgesellschaft empor, sondern nur, um seiner Fermina irgendwann zu genügen.
Das klingt vielleicht romantischer als es ist, denn beim Lesen fand ich die Liebesgeschichte seltsam blutleer. Weder konnte ich nachvollziehen, weshalb Florentino so über alle Maßen von der (ziemlich zickig-nervigen) Fermina schwärmt, noch was sie so viel liebenswerter als die anderen Frauen in seinem Leben macht, denen er aufgrund seiner Obsession für Fermina erst gar keine Chance gibt. Es scheint, als wäre es eher ein Bild, in das Florentino sich verliebt hat, aber in diesem Fall würde man irgendwann die Ernüchterung erwarten – die nicht kommt.
Die Liebschaften, die er in den 50 Jahren hat, sind zum Teil recht amüsant geschildert, zum Teil aber auch äußerst grenzwertig, wenn man über die sexuelle Beziehung eines 70jährigen zu einem 14jährigen Mädchen lesen muss. Das war dann auch der Punkt, an dem ich Florentino, der mir schon vorher nicht wirklich sympathisch war, von Herzen eine gesalzene Abfuhr nach all seiner Warterei gewünscht hätte.
Interessanter zu lesen fand ich Ferminas Lebensgeschichte, aus deren Vernunftehe mit Urbino im Laufe der Zeit doch so etwas wie Liebe – oder zumindest ein respektvolles Aneinander-Anpassen – wird.
 
Das beste an dem Roman war für mich aber der Hintergrund. Man erfährt viel über das Leben und die Gesellschaft in Kolumbien um die Jahrhundertwende, und da Márquez seinen Figuren jahrzehntelang begleitet, entfaltet sich ein wahres Kaleidoskop aus historischen und persönlichen Ereignissen und verschiedenen Schauplätzen im Karibikraum.
Auch sprachlich hat mir der Roman gut gefallen. Die oftmals verschachtelten Sätze von Marquéz lassen sich gut lesen und der augenzwinkernde Tonfall macht auch klar, dass man manche Geschehnisse nicht immer so ernst nehmen sollte. Die sprunghafte Erzählweise mit Rückblicken und Vorausdeutungen erfordert eine gewisse Konzentration beim Lesen, macht den Roman aber etwas weniger eintönig. Denn um ehrlich zu sein, fand ich „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ stellenweise recht langweilig, zumal die Handlung über weite Strecken ohne große Höhepunkte vor sich hinplätschert.
 
Alles in allem hat der Roman einen zwiespältigen Eindruck in mir hinterlassen. Ich fand ihn zwar stellenweise sehr faszinierend zu lesen, aber emotional konnte er mich kaum packen. Manchmal hat er mich ein wenig an den Stil von Isabel Allende erinnert und – ganz ehrlich: Nobelpreisträger hin oder her, aber was das Lesevergnügen betrifft, hat Allende ganz klar die Nase vorn.
Nun kann man einwenden, dass große Literatur nicht immer ein Vergnügen ist, aber ich fand Márquez‘ Roman noch nicht einmal besonders gehaltvoll. Natürlich, er ist schön geschrieben und interessant komponiert, aber hat er mich zum Nachdenken angeregt, ist etwas darin wirklich in mir hängen geblieben? Nein.

7 thoughts on “Gabriel García Márquez – Die Liebe in den Zeiten der Cholera

  1. Na, das hört sich ja nicht so richtig toll an …Du machst mir ja Freude! Ich "muss" das Buch ja auf jeden Fall für die BBC-Liste lesen, als Nobelpreisträger habe ich García Márquez ja schon anderweitig "abgehakt". Welche Übersetzung hast du denn da gelesen? Ich glaube, inzwischen gibt es von einigen Romanen von García Márquez eine neue, die könnte man dann ja alternativ "ausprobieren" …

    1. Ich kann gerade nicht ins Buch schauen, weil ich bei meiner Familie bin – es ist halt die oben angeführte Taschenbuchausgabe von Fischer.
      Allerdings fand ich den Roman sprachlich ja gut, nur inhaltlich nicht so sehr. Insofern glaube ich nicht, dass er mir in einer anderen Übersetzung besser gefallen hätte. 😉

  2. Schade, das es dir nicht so gut gefallen hat. Ich bin mir allerdings auch nicht sicher, ob mir das Buch heute noch gefallen würde. Vor ca. 10 Jahren fand ich es nach einigen Startschwierigkeiten gut. Aber damals mochte ich auch noch Allende, mit der ich heute auch nichts mehr anfangen kann.

    1. Bei mir ist es jetzt auch schon etliche Jahre her, seit ich zuletzt ein Buch von Allende gelesen habe – insofern weiß ich auch gar nicht mehr, ob sie mir jetzt noch immer (und besser als Márquez) gefallen würde.

  3. Ich fand das Buch ja supergut und hatte mich deshalb schon auf "100 Jahre Einsamkeit" gefreut… an dem ich jetzt seit MONATEN rumkaue. Mein Begeisterungsgrad für das Buch ist wahrscheinlich noch wesentlich niedriger als deiner hier. Ich komme einfach nicht weiter, es wird wirklich ganz schön abgedreht und es geht mir tierisch auf den Keks :p

  4. Ich fand das Buch ja supergut und hatte mich deshalb schon auf "100 Jahre Einsamkeit" gefreut… an dem ich jetzt seit MONATEN rumkaue. Mein Begeisterungsgrad für das Buch ist wahrscheinlich noch wesentlich niedriger als deiner hier. Ich komme einfach nicht weiter, es wird wirklich ganz schön abgedreht und es geht mir tierisch auf den Keks :p

    1. Dann bin ich ja mit der Liebe in der Zeiten der Cholera wohl noch besser ausgestiegen. 😉
      Aber wenn es dir schon seit Monaten auf den Keks geht, würde ich es dann doch abbrechen.

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