Rezensionen Sachbuch

Rüdiger Safranski – Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft

Genre: Sachbuch
Seiten: 344
Verlag: Carl Hanser Verlag
ISBN: 978-3446233263
Meine Bewertung: 4,5 von 5 Sternchen

Sachbuch-Challenge

 

Rüdiger Safranski geht in diesem Buch einer Freundschaft auf die Spur, die keinen guten Start hatte: Als Schiller zum ersten Mal den von ihm verehrten Goethe trifft, zeigt der erfahrene Dichter ihm die kalte Schulter. Zu sehr erinnerte ihn der jüngere Mann an seine eigene Sturm&Drang-Zeit, die er hinter sich lassen wollte; zu leidenschaftlich erschienen ihm Schillers gefeierte „Räuber“.
Erst einige Jahre später begegnen sich die beiden wieder und führen ein lebhaftes Gespräch, das in zahlreichen Briefen seinen Fortgang nimmt. Das ist der Beginn einer Freundschaft, die seinesgleichen sucht. Von nun an arbeiten die beiden Dichter gemeinsam an der Zeitschrift „Die Horen“, unterstützen sich gegenseitig bei ihren Werken und haben ein diebisches Vergnügen mit den „Xenien“, in denen sie ihre literarischen Gegner aufs Korn nehmen.
 
Safranski stellt diese ungewöhnliche Freundschaft anhand zahlreicher Originalzitate aus Briefen und Tagebüchern sehr anschaulich dar. Wie schon der Titel zeigt, legt er seinen Fokus ganz auf die Beziehung zwischen den beiden Dichtern und darauf, wie sie von den Zeitgenossen aufgenommen wurde. Dabei geht er im Großen und Ganzen zwar chronologisch vor, springt aber auch öfter mal in den Jahren vor und zurück, wenn er sich auf bestimmte Themen konzentriert.
Es ist daher durchaus empfehlenswert, mit einem kleinen Vorwissen an dieses Buch heranzugehen. Wenn man die grobe Biografie der beiden Dichter kennt, einige ihrer Werke gelesen hat und auch eine gewisse Ahnung von Literaturgeschichte hat, wird man sich mit bestimmten Bezügen sicher leichter tun und auch den Sprüngen besser folgen können. Als ein Einstiegswerk über die Zeit der Weimarer Klassik eignet sich Safranskis Buch eher nicht.
 
Obwohl Safranskis Stil eher nüchtern und sachlich ist, liest sich die Geschichte dieser Freundschaft wirklich herzerwärmend. Dafür sorgen die zahlreichen Passagen aus den Briefen, die eindrücklich zeigen, wie eng das freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Dichtern war, die sich in all ihren Gegensätzen nahezu perfekt ergänzt haben. Ich lehne mich wohl kaum zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass einige ihrer wichtigsten Werke es zumindest in der Form, wie wir sie kennen, ohne die gegenseitige Inspiration und Kritik so nicht gegeben hätte.
So ist es auch kein Wunder, dass Goethes Leben nach Schillers frühem Tod kurzzeitig völlig aus den Fugen gerät. Es ist berührend und traurig zu lesen, wie Goethe sich zuerst ganz zurückzieht und später an an seinen Freund Zelter schreibt, er habe „die Hälfte seines Daseins verloren“.
 
Mir hat Rüdiger Safranskis Buch sehr gut gefallen und ich kann es allen empfehlen, die sich näher über die beiden „Dioskuren“ der deutschen Literatur informieren wollen. Sowohl die Persönlichkeiten der beiden Dichter werden klar herausgearbeitet, als auch die immense Wirkung ihrer Werke und ihrer Zusammenarbeit.
Stellenweise hätte es ein wenig ausführlicher sein können, was andererseits aber auch für das Buch spricht: Es ist an keiner Stelle langatmig und stets flüssig zu lesen. Am Ende hatte ich beinahe das Gefühl, gemeinsam mit Goethe um einen Freund zu trauern.

6 thoughts on “Rüdiger Safranski – Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft

  1. Wieder mal ein Thema, mit dem ich mich bislang noch überhaupt nicht beschäftigt habe. Dabei habe ich – gerade aufgrund der Farbenlehre – mich immer mal wieder mit Goethe und seinem Leben auseinandersetzen dürfen. Schön, dass dir das Buch so gut gefallen und dich so berührt hat! 🙂

    1. Ich habe in der Schule mal ein Referat über Schiller gehalten und ihn schon damals für eine sehr faszinierende Persönlichkeit gehalten. Daher habe ich mich immer mehr für Schiller als für Goethe interessiert – aber im Gegenzug mag ich Goethes Werke lieber. 😉

  2. Komisch, das Buch habe ich kurz nach Erscheinen auf meine Wunschliste gesetzt, aber irgendwann aus den Augen verloren. Dabei reizt es mich immer noch, wie ich gerade gemerkt habe. Mal sehen, ob ich es mir leihen kann. 😉

  3. Oh, auf deinem Blog darf man sich gar nicht umsehen, in letzter Zeit könnte ich mir fast jedes Buch auf meine Wunschliste setzen! ;D
    Momentan bin ich voll im Goethe-Rausch, ich schleiche schon die ganze Zeit um deine Rezension herum. Sobald ich ein paar Bücher mehr von ihm (und Schiller) gelesen habe, werde ich mir dieses Buch definitiv auch zulegen!

    1. Tut mir sehr leid, dass ich deine Wunschliste so gut füttere. 😉
      Ich muss ja gestehen, dass ich selbst nicht so wahnsinnig viel von Schiller gelesen habe – die meisten seiner Werke kenne ich eher nur theoretisch. Dafür hab ich umso mehr von Goethe gelesen. *g*

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