Rezensionen Science Fiction

Hugh Howey – Silo

Genre: Science-Fiction, Endzeit/Postapokalypse
Seiten: 534

Verlag: Piper
ISBN: 3869521597
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternchen
Seit Generationen ist die Luft an der Erdoberfläche vergiftet und der letzte Rest der Menschheit hat sich in ein unterirdisches „Silo“ zurückgezogen. Sheriff Holston beginnt sich aber zu fragen, ob wirklich alles so ist, wie es den Anschein hat. Vor drei Jahren ist seine Frau gestorben, weil sie nach draußen wollte – aber was hat sie damals entdeckt, dass sie überhaupt diesen tödlichen Wunsch geäußert hat? Holston beschließt, dass er selbst mit eigenen Augen sehen möchte, was sich hinter der großen Luke, die sie alle beschützt, verbirgt.
„Silo“ ist ein ebook, das ich durch eine Gratisaktion entdeckt habe. Ich nutze solche Aktionen sonst nur selten, da ich nicht zig ebook-Leichen auf meinem Reader ansammeln möchte, die ich dann doch nie lese. Auf „Silo“ bin ich vor allem deshalb neugierig geworden, weil das Self-Publishing-ebook im englischsprachigen Raum quasi durch die Decke geschossen ist, weshalb sich dann Piper die Rechte für die deutsche Übersetzung gesichert hat.
Nun muss ja so ein Überraschungserfolg noch nicht viel heißen, aber in diesem Fall kann ich ihn wirklich nachvollziehen. Der Roman ist ungemein spannend und hat mich selbst in einer Zeit, in der ich stressbedingt kaum den Kopf frei zum Lesen hatte, mit glühenden Wangen an meinen Reader gefesselt.
Die Inhaltsbeschreibung klingt zunächst nach einem sehr vertrauten Handlungsschema solcher letzten Menschheitsrefugien, aber keine Bange: So vorhersehbar ist der Roman nicht. Hugh Howey hat einige Überraschungen in der Hinterhand und stellt gerade zu Beginn alle Vermutungen mehrmals mit einigen Wendungen auf den Kopf. Diese Wendungen bringen auch mit sich, dass die Protagonisten mehrfach wechseln, was vielleicht nicht jedermanns Fall ist. Mich hat das aber nicht gestört und ich konnte mich auch auf jede neue Perspektive schnell einstellen.
Es sind einerseits die offenen Fragen, die das Buch so fesselnd machen, andererseits auch die latente Bedrohung, die über den Figuren schwebt, denn wer zu viele Fragen stellt, gerät schnell in Gefahr, aus dem Silo verbannt zu werden. Und Fragen stellen vor allem Sheriff Holston und die Mechanikerin Juliette Nichols reichlich. Juliette ist eine äußerst sympathische Figur: ein wenig ruppig zwar, aber auch intelligent und mutig. Die anderen Figuren stehen etwas hinter ihr zurück – sie sind zwar gut ausgearbeitet, in manchen Punkten aber doch etwas klischeehaft. Trotzdem bringen sie noch genug Facetten mit, dass sie authentisch und lebensecht wirken.
Das Silo selbst ist beinahe ein Protagonist für sich: eine komplette Stadt auf zahlreichen Stockwerken, mit bildhaft beschriebenen unterschiedlichen Abteilungen und Bewohnern, deren Lebenszweck es in erster Linie ist, ihre Zuflucht am Laufen zu halten. Dennoch beginnt sowohl das mittlerweile veraltete Gebäude als auch die strenge Gesellschaftsordnung allmählich zu bröckeln. Immer mehr Menschen stellen in Frage, was sie bislang zu wissen glaubten, bis schließlich ihre gesamte Welt aus den Fugen gerät.
Dass „Silo“ für mich dann doch kein perfekter Roman ist, liegt vor allem daran, dass es für mich einige Logiklücken gab. Ob es tatsächlich Lücken sind, kann ich zwar noch nicht beurteilen, da das der Auftakt zu einer Trilogie ist, aber ich bezweifle dennoch, dass alles noch zur Zufriedenheit erklärt wird. Zudem geschieht zum Ende hin manches ein wenig überstürzt, was dann auch dazu führt, dass gewisse Ereignisse und auch Entscheidungen der Figuren nicht ganz nachvollziehbar sind. Umgekehrt hätte man in den ersten zwei Dritteln vielleicht manches straffen können, wobei ich mich aber beim Lesen nie gelangweilt habe.
Sprachlich ist der Roman nicht überragend geschrieben, er liest sich aber trotzdem flüssig und schnell – hätte ich ihn im Original gelesen, hätte ich mich wohl auch an der recht einfachen Sprache nicht gestört.
Fazit: „Silo“ ist ein äußerst spannender Roman über Lüge und Manipulation, bei dem die Seiten nur so an einem vorbeifliegen. Er enthält altbekannte Elemente, schlägt aber doch so eigene Wege ein, dass ich ihn durchaus originell fand. Da das Tempo teilweise nicht ganz stimmt und der Roman sprachlich vielleicht noch ein wenig Feinschliff vertragen hätte, gibt das von mir 4 Sternchen mit leichter Tendenz nach oben.

7 thoughts on “Hugh Howey – Silo

  1. Das klingt ja doch recht reizvoll… ich habe das Buch nach dem Kauf kurze Zeit auf den Reader gehabt, dann aber runtergeschubst, weil mich so Endzeitromane eigentlich nicht sooo reizen. 🙂

    1. Ich hab ein bisschen ein zwiegespaltenes Verhältnis zu Endzeitromanen – rein von der Inhaltsangabe her hätte ich wohl auch nicht unbedingt zu "Silo" gegriffen. Aber die Leseprobe hat mich dann überzeugt.

  2. Hallo, Neyala.
    Bei Besprechungen zu reinen E-Books werden doch öfter Kritikpunkte wie ein zerdehnter Aufbau (vorne ausführlich, hinten hoppla-hopp), überschaubare Figurentiefe oder eine sprachliche Unwucht aufs Tableau gebracht.
    Ein Lektorat ist also doch kein "ünnötig Ding", wie es A-zone gern glauben will.

    bonté

    1. Also ich denke nicht, dass man das so allgemein sagen kann – es gibt inzwischen auch einige reine ebook-Verlage, bei denen ein Lektorat vorgenommen wurde.
      Davon abgesehen habe ich schon eine ganze Reihe von Büchern aus großen Verlagen gelesen, die also auf jeden Fall ein Lektorat durchlaufen haben und trotzdem in handwerklichen Dingen, Plot und Figurentiefe weit hinter "Silo" zurückstehen.

    2. …ein gutes Lektorat ist natürlich das Ideal.

      Das mit dem Mangel ist jetzt nicht gegen E-Books im allgemeinen gemünzt; eher speziell auf die Weltsicht eines Online-Händlers mit Allmachtsphantasien. 🙂

      bonté

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