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Niccolò Ammaniti – Die Herren des Hügels

Genre: Erzählung
Seiten: 256

Verlag: Bertelsmann
ISBN: 978-3570006283
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternchen
Es ist ein trockener, heißer Sommer im Jahr 1978 im Süden von Italien. Die Kinder des armen Dorfes Acqua Traverse vertreiben sich die Zeit mit Spielen und Wettläufen mit harten Strafen für die Verlierer. Als der neunjährige Michele Amitrano als eine solche Strafe ein verfallenes Haus hinter einem Hügel betreten muss, stößt er darin auf einen fremden, halbverhungerten Jungen, der dort angekettet ist. Für Michele ist es zunächst ein spannendes Geheimnis, das seine Phantasie in Gang setzt, bis ihm allmählich klar wird, was es mit dem Jungen auf sich hat.
Ich bin auf diesen Roman durch Hermias Rezension aufmerksam geworden und bin glücklicherweise auch in der Bücherei fündig geworden. Die Taschenbuchausgabe ist unter dem Titel „Ich habe keine Angst“ erschienen, was meines Wissens die genaue Übersetzung des italienischen Originals ist, aber es war neben dem Inhalt in erster Linie der ungewöhnliche Titel „Die Herren des Hügels“, der mich auf den Roman neugierig gemacht hat.
Und das ist ein Glück, denn es handelt sich dabei um ein äußerst lesenswertes Buch.
Aus der kindlichen Ich-Perspektive schildert Ammaniti diesen drückend-heißen Sommer, der Micheles gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Es beginnt zunächst harmlos mit der Gruppe von Kindern – oder auch nicht ganz so harmlos, da deren Spiele mitunter ganz schön grausam ausfallen. Diese gefährliche Gruppendynamik beschreibt Ammaniti ebenso eindrücklich und anschaulich wie auch die Landschaft: wogende Weizenfelder, trockene Hügel und Täler, ein paar verstreute Häuser.
Obwohl die Sprache (der Perspektive angemessen) eher schlicht ist, ist dennoch die Beschreibung der Umgebung und der Beziehungen innerhalb der Dorfgemeinschaft ungemein lebhaft und stellenweise sogar poetisch.
Viele alltägliche Situationen wirken in dem Roman sehr bedrohlich, was vor allem daran liegt, dass man sie so eindrücklich aus Micheles Sicht erlebt – so etwa die Angst davor, beim Wettlauf zu verlieren und sich in Folge dessen einer Strafe stellen zu müssen oder auch Streitigkeiten in der Familie. Und natürlich auch das Rätsel um den fremden Jungen, das man in diesem Fall als Leser bald durchschaut, während Michele dafür noch fantasievolle Erklärungen sucht.
Die Wahrheit führt schließlich nicht nur zu einem Verlust von Micheles kindlicher Welt, sondern auch zu einem Verlust des Vertrauens in die Erwachsenen. Mit einemmal wird ein kleiner Junge mit dem Bösen konfrontiert und zwar dort, wo er nicht damit gerechnet hat. Seine gesamte Vorstellung einer (annähernd) heilen Welt bricht in sich zusammen und er sieht sich mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert.
„Die Herren des Hügels“ ist ein packender und sehr aufwühlender Roman über den Verlust der Kindheit, über einen moralischen Zwiespalt und über einen Jungen, der mehr Mut entwickelt als alle Erwachsenen zusammen.
Ich habe nur einen einzigen kleinen Kritikpunkt, den ich hier aufgrund massiver Spoiler nicht wirklich nennen kann, aber er betrifft das Ende (das mir dennoch gut gefällt). Das ändert aber nichts an begeisterten 5 Sternchen. Sehr empfehlenswert!

3 thoughts on “Niccolò Ammaniti – Die Herren des Hügels

  1. Dieser Moment, in dem Michele erkennt, wer die Bösen sind, den fand ich so tragisch…

    Ich bin immer noch froh, das ich das Buch vor Jahren auf dem Flohmarkt entdeckten konnte – eine echte Perle!

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