Erzählungen Krimi/Thriller Rezensionen

[Kurzrezensionen] Von Gift, Drohbriefen und Flüchen

Dorothy L. Sayers – Starkes Gift

Der 5. Krimi mit der adeligen Spürnase Lord Peter Wimsey beginnt mit einer Gerichtsverhandlung, in der die Schriftstellerin Harriet Vane des Mordes an ihrem ehemaligen Geliebten angeklagt wird. Obwohl zahlreiche Indizien gegen sie sprechen, will Peter nicht an ihre Schuld glauben und beginnt zu ermitteln.
„Starkes Gift“ ist ein äußerst unterhaltsamer Krimi, in dem neben Lord Peter auch seine Bekannte Miss Climpson ermittelt. Vor allem mit ihren Kapiteln hatte ich einen Riesenspaß, aber auch sonst gibt es hier einiges zu schmunzeln. Der Kriminalfall an sich ist eher simpel gestrickt und auch recht schnell zu durchschauen, aber es gibt dennoch einige Fragen, über die man rätseln kann und die am Ende alle zufriedenstellend beantwortet werden.
Lord Peters plötzliche Verliebtheit kommt zwar ein wenig aus dem Nichts, aber dann wiederum passt das – und die ungelenke Art, wie er um Harriet wirbt – durchaus zu seinem Charakter. Ich denke, dass sich in den nächsten Bänden noch eine interessante Dynamik zwischen ihnen entwickeln könnte.
Ein sehr amüsanter und spannender, wenn auch etwas vorhersehbarer Krimi, dem ich 4 Sternchen gebe.

Carola Dunn – Styx and Stones

Eine weitere Adelige, die sich als Detektivin versucht: die Ehrenwerte Daisy Dalrymple. Zwar etwas unbeholfener als Lord Peter, aber ebenso amüsant. In „Styx and Stones“ führt ein Hilferuf ihres Schwagers sie aufs Land. In dem vermeintlich beschaulichen Dorf sorgen anonyme Drohbriefe für Unruhe. Natürlich ist auch ein Toter nicht mehr fern, sobald Daisy vor Ort ist.
Nach dem recht schwachen Vorgängerband „Dead in the Water“ hat mir dieser Krimi wieder besser gefallen. Daisys Gespräche mit all den unterschiedlichen Dorfbewohnern haben mir gut gefallen – man wird hier wirklich gut in einen Mikrokosmos mit allen möglichen Charakteren eingeführt und wie sich das in einem Krimi gehört, schlummern in den meisten ungeahnte Abgründe (auch wenn sie – typisch für die Daisy Dalrymple-Mysteries – nicht allzu dunkel geraten sind). Was mir hier leider gar nicht gefallen hat, ist der Streit zwischen Daisy und Alec, der auf eine künstliche Weise überdramatisiert und dabei aber so knapp abgehandelt wird, dass mich nur gefragt habe, was das denn bitte sollte. 
Deshalb dann doch nur 3,5 Sternchen, obwohl mir der Krimi ansonsten sehr gut gefallen hat.

Neil Gaiman – The Sleeper and the Spindle

Das Äußere dieses dünnen Buches habe ich euch bereits hier vorgestellt, kommen wir nun zum Inneren: Wie eine Seuche breitet sich ein Fluch aus, der alle Menschen in tiefen Schlummer versetzt. Und so macht sich Schneewittchen am Vorabend ihrer Hochzeit mit drei Zwergen auf den Weg, um den Fluch zu lösen, der vor vielen Jahren in einem Turm seinen Anfang nahm.
Neil Gaiman verknüpft in dieser Erzählung die Märchen von Schneewittchen und Dornröschen miteinander und versieht sie mit einigen unerwarteten Wendungen. Statt hilflosen Prinzessinnen gibt es hier wehrhafte Frauen, die recht energisch die Zügel in die Hand nehmen und eine äußerst spannende Handlung. 
Die Zeichnungen von Chris Riddell passen perfekt zum Inhalt und verstärken die düster-skurrile Atmosphäre des Buches.
Leider konnte mich die Erzählung trotzdem nicht ganz überzeugen, auch wenn ich nicht genau sagen kann weshalb. Am Ende blieb bei mir einfach ein Gefühl von „das wars?“ und ich hatte ein wenig den Eindruck, als wären die Figuren teilweise Mittel zum Zweck, als würde mir etwa Schneewittchen entgegenbrüllen „Schau mal, was für eine starke Frauenfigur ich bin!“. Andererseits ist die Erzählung für wirklich ausgeformte Charaktere auch fast zu kurz und es passt wohl auch zum Märchencharakter, dass die Figuren eher Typen sind.
Dennoch eine sehr lesenswerte Märcheninterpretation, die durch die tollen Illustrationen zu einem Fest für die Augen wird. 4 Sternchen

9 thoughts on “[Kurzrezensionen] Von Gift, Drohbriefen und Flüchen

  1. The Sleeper and the Spindle habe ich auch auf meiner Wunschliste 🙂 Schade, dass es dich nicht komplett ueberzeugen konnte. So wies ausschaut ist es aber wohl wert das Buch als Printausgabe zu kaufen. Ist ja wirklich huebsch! Ich ueberlegs mir noch 🙂

  2. Um das Gaiman-Buch schleiche ich auch schon länger herum und auch seine Hänsel und Gretel Version reizt mich grundsätzlich. Hm, mal sehen, ich werde wohl noch etwas darüber nachdenken.

    "Starkes Gift" fand ich auch unterhaltsam. Was die Figur der Harriet angeht, muss ich aber gestehen, dass ich mir ihr nicht so recht warm wurde.

    1. So ganz warm geworden bin ich mit Harriet auch noch nicht, aber man erlebt sie in "Starkes Gift" ja auch in einer Ausnahmesituation. Insofern muss ich sie wohl erst mal in den weiteren Romanen besser kennenlernen, bis ich was zu ihr sagen kann.

  3. Danke für den Eindruck zu "The Sleeper and the Spindle". Irgendwann lese ich es ganz sicher, aber vielleicht kann ich noch ein wenig warten… Gerade so krampfhaft starke Frauenfiguren nerven mich ganz schnell.

    Und jedesmal, wenn ich bei dir ein Daisy Dalrymple-Buch entdecke, nehme ich mir wieder vor, die Reihe weiterzulesen…

  4. Mitä kuuluu, Neyasha?
    Mein interessierter Blick in die biografischen Angaben zu Dorothy L. Sayers eben, legt ein wendungsreiches Leben offen. Selbst Stoff für einen Roman. Ihre Biographie von 2007 erscheint mir hier lesenswert.
    Die unvermittelten Liebesgefühle des Lords gründen vielleicht darin, daß Sayers einer starken Frauenfigur – zumal Schriftstellerin – dieses Glück (geliebt zu werden) ebenso zugestehen wollte.

    Ein Disput zwischen Daisy Dalrymple & Alec Fletcher deutet möglicherweise & lediglich nur auf den Kniff hin, Seiten zu füllen. 😉

    Für das Gaiman-Buch schwimme ich einmal durch die Theorie, daß es wegen der einfachen Schnittart direkter Kinder ansprechen will…

    bonté

    1. Der Disput zwischen Daisy und Alec kam mir eher wie ein krampfhaft inszeniertes Drama vor – als müsste mal ein Streit rein, um die Spannung zu erhöhen oder so.

      Bei Gaimans Buch sehe ich Kinder ganz klar nicht als Zielgruppe. Vielleicht wäre es für ältere Kinder durchaus geeignet, aber ansonsten ist das schon eher für Erwachsene.

  5. Ich mag Harriet und ich mag "Starkes Gift", aber vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ich Harriet als erstes in "Gaudy Night" ("Aufruhr in Oxford"? – da ist mir der englische Titel komischerweise präsenter) kennengelernt habe.

    Den Streit zwischen Daisy und Alec habe ich innerlich beim Lesen dieses Bandes einfach ausgeblendet. Ich glaube, der Autorin ging irgendwann auf, dass es zwischen den beiden zu glatt läuft, obwohl doch so viele gesellschaftliche Hindernisse (*hüstel*) zwischen ihnen liegen … 😉

    1. Ich fand es prinzipiell nicht schlecht, dass es mal zu einem Streit kam, da es vorher doch sehr glatt lief. Allerdings war der Streit ja noch nicht mal auf die gesellschaftlichen Hindernisse zurückzuführen. Und er wurde einfach viel zu schnell abgehandelt, um überhaupt ernst genommen zu werden.
      Vor allem (SPOILER für alle, die das Buch noch nicht kennen), dass Daisy ihm mehr oder weniger sofort den Verlobungsring zurückgibt – ihn dann aber bei der Versöhnung auch praktisch innerhalb von Minuten wieder annimmt. Wenn es bei einem Streit geblieben wäre und nicht gleich die Verlobung gelöst worden wäre, wäre mir das ganze nicht gar so überhastet vorgekommen.

    2. An den Ring konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Ich glaube, die Autorin mag einfach keine Streitszenen zwischen den beiden schreiben und macht es deshalb auch nicht sehr stimmig. Sonst ist es doch immer sehr harmonisch zwischen Daisy und Alec – zu dem Zustand wollte sie vermutlich ganz schnell wieder zurückkehren.

Leave a Reply

Your email address will not be published.