Historisch Rezensionen

Kate Quinn – The Serpent and the Pearl

Genre: Historischer Roman
Seiten: 433
Verlag: Berkley Books
ASIN: B009RYKXCA
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternchen
Rom im ausgehenden 15. Jahrhundert: Die junge Adelige Giulia Farnese stellt sich auf das übliche Leben einer verheirateten Frau ein und findet sich stattdessen als Mätresse von Rodrigo Borgia wieder, der als Papst Alexander VI. seinen unaufhaltsamen Aufstieg beginnt. Neben Giulia werden auch die resolute Köchin Carmelina und der kleinwüchsige Leonello unvermutet mit hineingezogen in die politischen Machtspiele der Familie Borgia.

Ich bin auf „The Serpent and the Pearl“ nur über Umwege aufmerksam geworden. Vor längerem haben die beiden tollen Köchinnen vom Inn at the Crossroads ein Gericht aus Kate Quinns Roman gekocht – und da es das Buch gerade günstig in einer Aktion gab, habe ich kurzerhand zugeschlagen. Dann allerdings ist es erst einmal für eine ganze Weile auf meinem Reader versauert, ehe ich endlich damit begonnen habe.

Kate Quinn nähert sich in ihrem historischen Roman der berüchtigten Borgia-Familie einmal von einer etwas anderen Seite. So sind ihre Perspektiventräger nicht die Borgias selbst, sondern „La Bella“ Giulia Farnese und die beiden fiktiven Figuren Carmelina und Leonello. Ich habe alle drei, die jeweils aus der Ich-Perspektive erzählen, schnell in mein Herz geschlossen, am meisten aber Giulia. Sie ist in diesem Trio vielleicht die „schwächste“ Figur, aber eine liebenswerte und herzensgute Person, deren Aufgaben es vor allem sind, Rodrigo Boriga des Nachts zu unterhalten und tagsüber ihre Schönheit zu pflegen. Das klingt jetzt eher oberflächlich, aber es wird schnell klar, dass Giulia durchaus Köpfchen hat und auch ihren eigenen Willen. Ich konnte ihren Frust, als sie feststellt, dass sie von ihrer eigenen Schwiegermutter praktisch an den Papst verhökert wurde, gut nachvollziehen, hätte mir aber von ihrer Seite noch etwas mehr Widerstand in manchen Situationen gewünscht. Aber Giulia ist eben doch auch ein Kind ihrer Zeit und macht als solche auch einen sehr glaubwürdigen Eindruck.
Besonders sympathisch fand ich ihre Schwäche für Carmelinas Leckereien, die mir selbst auch das Wasser im Magen zusammenlaufen ließen – natürlich, wenn eine Köchin eine Perspektiventrägerin ist, spielt Essen eine große Rolle.
Die Liebe, die Carmelina für das Kochen aufbringt, kann Kate Quinn sehr gut vermitteln. Man spürt einfach beim Lesen, dass man es da mit einer Figur zu tun hat, die sich mit Leib und Seele ihrer großen Leidenschaft verschrieben hat. Anderen Menschen gegenüber verhält sich Carmelina allerdings ziemlich ruppig und scheucht gnadenlos die Küchenhilfen herum. Das fand ich sehr amüsant zu lesen, auch wenn sie mir stellenweise nicht unbedingt sympathisch war.

Und schließlich ist da noch Leonello, der nach einem grausamen Mörder sucht und im Zuge seiner Ermittlungen bei den Borgias landet. Er hat mich ein wenig an Tyrion Lannister erinnert – nicht nur, weil er auch kleinwüchsig ist, sondern weil er eine ähnlich sarkastische Erzählstimme und eine ebenso scharfe Zunge hat.
Die Kapitel aus seiner Sicht haben mir fast am besten gefallen, da die Suche nach dem Mörder sehr spannend ist und Leonello außerdem eine Reihe von interessanten Gesprächen führt, etwa mit Cesare Borgia, dem vielleicht faszinierendsten und zugleich unheimlichsten Familienmitglied.

Aus den Augen dieser drei Figuren lernt man schließlich beim Lesen die Familie Borgia kennen. Abgesehen von Juan, bei dem man die guten Eigenschaften mit der Lupe suchen muss, sind alle sehr differenziert gezeichnet. So macht Rodrigo zwar einen sehr charmanten und in vielerlei Dingen auch aufgeklärten Eindruck, aber er hat doch auch seine Schattenseiten.
Leider habe ich eine Weile gebraucht, bis ich mich mit den Borgias, wie sie in dem Roman dargestellt werden, anfreunden konnte. Das liegt nicht an dem Buch, sondern daran, dass ich letztes Jahr mit großer Begeisterung die Serie „The Borgias“ (die mit Jeremy Irons) geschaut habe und nun erst einmal mit Kate Quinns Interpretation der Personen klarkommen musste.
Dafür dürfte aber der Roman – sowohl in der Figurenzeichnung als auch der Schilderung der Ereignisse – historisch korrekter sein als die Serie, die ja doch recht frei mit den historischen Tatsachen umgeht. Überhaupt ist der zeitliche Hintergrund sehr schön ausgestaltet und sorgt dank der vielen kleinen Details für eine sehr bunte und lebhafte Atmopshäre.

Alles in allem hat mir „The Serpent and the Pearl“ sehr gut gefallen, auch wenn der Roman durchaus noch etwas Luft nach oben bietet. Obwohl er stellenweise ziemlich brutal ist und die Autorin mit ihren Figuren auch nicht allzu zimperlich umgeht, hat dieser 1. Band einen gewissen „Wohlfühlfaktor“ beim Lesen. So ist etwa auch das Erzähltempo eher ruhig, obwohl mich der Roman fast durchwegs gefesselt hat. Er endet ziemlich abrupt mit zahlreichen Cliffhangern, weshalb man also den Nachfolger möglichst schon griffbereit haben sollte.
Da ich diesen inzwischen auch schon gelesen habe, kann ich bereits sagen, dass das Tempo dort ordentlich anzieht und mir „The Serpent and the Pearl“ vergleichsweise wie ein harmloser Auftakt vorkommt. Aber dazu dann in den nächsten Tagen mehr, wenn ich „The Lion and the Rose“ rezensiere.

2 thoughts on “Kate Quinn – The Serpent and the Pearl

  1. Irgendwie kommen in diesem Roman die Borgias und ihr Umfeld besser weg als in den Serien, oder? Zumindest klingt das so. 😉
    Deine Bemerkung zu Juan: einfach super! 😀
    In der ZDF-Serie ist Cesare ja auch eine ziemlich zwiegespaltene Persönlichkeit, immer irgendwo zwischen gut und böse. Giulia ist dort auch eher willensstark gezeichnet, soweit eine Frau das zu dieser Zeit sein konnte.

    Deine Rezension behalte ich auf jeden Fall im Hinterkopf! Wer weiß, wann mich das Borgia-Fieber wieder packt!
    Wahrscheinlich hätte ich nur Probleme mit der Köchin: lange Ausschweifungen über das Essen (oder noch schlimmer: wie man es zubereitet!), kann ich gar nicht leiden.
    Das fand ich schon bei "Rebecca" manchmal lästig, wobei es da noch in den Kontext des "täglichen Trotts" passt, mit den Teestunden, Abendessen, etc….

    1. Die Borgias kommen hier zunächst noch besser weg, aber im Laufe des nächsten Bandes geht es eher bergab. Die Macht steigt ihnen ziemlich zu Kopf. 😉
      Die ZDF-Serie kenne ich nicht, aber in der anderen Serie kommt Cesare eigentlich besser weg als hier im Buch. Dort hat er dunkle (und grausame), aber auch lichte (und liebevolle) Seiten. Im Buch ist er zwar sehr interessant und zweifellos intelligent und talentiert, aber gleichzeitig auch sehr kalt.

      In Carmelinas Kapitel geht es natürlich schon auch um die Zubereitung von Essen. Ich fand es spannend zu lesen, da es durch die historische Komponente ja doch etwas ganz anderes ist als heutiges Kochen. Aber wenn du sowas nicht magst, wäre das Buch vielleicht nicht so gut für dich geeignet.

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