Lesegeplauder

Leseverhalten früher und heute

Vor einer Weile habe ich in meiner Rezension zu Besessen erwähnt, dass ich anscheinend mittlerweile eine ungeduldigere Leserin bin als früher. Ariana hat in den Kommentaren geschrieben, dass das bei ihr auch so ist – vor allem, weil es oft schwer ist, überhaupt Ruhe zum Lesen zu finden, wenn man viel um die Ohren hat.
Das ist bei mir sicher ein Teil des Problems (sowie eine allgemeine Rastlosigkeit, die es mir oft unmöglich macht, mich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren), aber ich habe das Gefühl, dass ich früher außerdem viel offener bei meiner Buchauswahl war.
Ich weiß nicht, ob das ungewöhnlich ist, da ich den Eindruck habe, dass manche eher erst im Laufe der Zeit anfangen, sich auf unterschiedliche Genres und Erzählweisen einzulassen. Bei mir dagegen war wohl meine Teenagerzeit meine experimentierfreudigste Lesephase. Nun bin ich ja immer noch eine Querbeet-Leserin, aber früher hatte ich noch viel weniger Berührungsängste und habe auch nie im Vorfeld darüber nachgedacht, ob dieses oder jenes Buch mir überhaupt gefallen könnte.
Das witzige ist, dass das zum Teil aus einer Not heraus entstanden ist. Ich war ja schon als Kind eine große Leseratte, aber im Alter von 10 oder 11 Jahren habe ich meine erste Lesekrise erlebt. Aus den Kinderserien, die ich bis dahin so geliebt hatte (Fünf Freunde, Die schwarze Sieben, Trixie Belden, diverse Pferdeserien, Dolly, usw.) war ich langsam herausgewachsen. Zwar griff ich auch zu denen weiterhin gerne, aber ich war doch immer mehr auf der Suche nach neuem und „erwachsenerem“ Lesestoff.
Damals war die kleine Bücherei in meiner Heimat in punkto Jugendbücher äußerst kläglich ausgestattet – da gab es vor allem Herzschmerz und Problembücher und abgesehen davon herrschte Ebbe. Und so habe ich mich durch alles mögliche durchprobiert. 
Die ersten Erwachsenenbücher, die ich für mich entdeckt habe, müssen die Krimis von Agatha Christie gewesen sein. Im Sommer, als ich 10 Jahre alt geworden war, war ich mit meiner Familie im Urlaub und – oh Schreck! – mir ging meine Lektüre aus. Also lieh mir meine Mutter Das Böse unter der Sonne und ich war begeistert. Nun führte mich also in der Bücherei mein Gang fast immer zum Buchstaben „C“, aber da ich nicht nur Krimis lesen wollte, musste ich meine Fühler weiter ausstrecken.
Während also die meisten meiner Klassenkameradinnen gar nicht lasen oder eben jene Herzschmerz-Teenie-Bücher, probierte ich mich in den nächsten Jahren sozusagen quer durchs Gemüsebeet.
Ich entdeckte Hohlbein und damit im Grunde auch das Fantasygenre; ich entdeckte Marion Zimmer Bradley und las ihre Werke rauf und runter; ich las mich durch die umfangreiche Jules Verne-Sammlung bei uns im Wohnzimmer und entwickelte eine erste Austen-Phase. 
Soweit war das alles noch alterstypisch, aber daneben griff ich bei den Büchern meiner Mutter auch zu William Somerset Maugham, Shakespeare, Albert Camus und Gerhard Roth. Schullektüre, die die meisten in meiner Klasse als notwendiges Übel empfanden, war für mich eine willkommene Chance, neue Autoren zu entdecken (Max Frisch und Anna Mitgutsch etwa).
In der Bücherei stieß ich auf das erwähnte Besessen von Byatt und schließlich auf Margaret Atwood. Das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe, müsste Katzenauge gewesen sein (als Geschichte über Freundschaft hatte mich der Klappentext als Jugendliche natürlich angesprochen), aber so richtig begeistert hat mich Der Report der Magd. Und dann Haslingers Opernball – meine Güte, hat mich dieser Roman umgeworfen!
Ich finde es faszinierend, dass ich damals nie vor etwas zurückgeschreckt bin aus Angst, es könnte mir zu anspruchsvoll, zu sperrig oder zu langweilig sein. Wie ist es nur möglich, dass ich als Vierzehnjährige mit größerem Enthusiasmus zu so manchem literarischen Werk gegriffen habe als nun mit einem abgeschlossenen Germanistikstudium?
Was nicht heißt, dass ich jetzt Klassiker oder Gegenwartsliteratur nicht mehr gern lese – aber es kostet mich manchmal so viel Überwindung, damit anzufangen und manchmal auch, weiter dranzubleiben. Oft wünsche ich mir dann, ich könnte wieder so unbekümmert zu solchen Werken greifen wie früher – und auf einen langsamen oder schwierigen Einstieg ebenso geduldig reagieren. Ich wünsche mir auch, ich könnte mich einfach wieder mehr auf das Buch konzentrieren, das ich aktuell lese und nicht bereits an das nächste Buch denken, das auf mich wartet.
Ich frage mich wirklich, woran diese Veränderungen im Leseverhalten eigentlich liegen. Ist das eine ganz normale „Nebenwirkung“ des Älterwerdens? Hängt es damit zusammen, dass ich als Jugendliche noch nicht so viel Kram im Kopf hatte, der mich gern mal beim Lesen blockiert? Oder hat es auch etwas mit dem Internet zu tun, das eine so unermessliche Informationsquelle für Bücher ist, es mir aber auch fast unmöglich macht, mich auf bekannte AutorInnen ohne jegliches Vorwissen und demnach ohne jegliche Erwartungen einzulassen? Ist gar meine Tendenz, schon vor der Lektüre Rezensionen zu lesen, um herauszufinden, ob das Buch überhaupt etwas für mich ist, die Wurzel meines Problems?
Wie ist das denn bei euch? Könnt ihr in eurem Leseverhalten ähnliche Änderungen feststellen? Habt ihr euch als Jugendliche auch so unvoreingenommen auf alle möglichen Bücher gestürzt? Habt ihr mittlerweile auch größere Berührungsängste bestimmten Büchern oder Genres gegenüber? Oder habt ihr als Jugendliche noch gar nicht gern gelesen und die Liebe zu Büchern überhaupt erst später entdeckt?

30 thoughts on “Leseverhalten früher und heute

    1. Was du dort geschrieben hast, fasst es auch sehr gut in Worte. Einerseits war ich als Jugendliche eben wirklich gezwungen, meine Komfortzone zu verlassen, weil ich sonst bald schlichtweg keinen Lesestoff mehr gehabt hätte. Das ist jetzt natürlich nicht mehr der Fall – ich weiß eh schon nicht mehr, womit ich anfangen soll. 😉
      Andererseits fehlt mir eben auch diese Experimentierfreude und Unbefangenheit. Ich sollte mir wirklich abgewöhnen, immer erst Rezensionen zu lesen, ehe ich mich überhaupt auf ein Buch einlasse.

  1. Ich denke, bei mir ist es so:

    Als Jugendliche hatte ich im Verhältnis zu heute unfassbar viel Freizeit. Sechs Stunden Schule am Tag + Hausaufgaben/Lernen (was mir recht leicht von der Hand ging) benötigen schon mal deutlich weniger Zeit als ein Vollzeitjob. Und in meiner Freizeit hatte ich auch deutlich weniger Aufgaben als heute. Klar habe ich im Haushalt mitgeholfen, aber ich habe eben keinen eigenen Haushalt geführt. Viele Aufgaben, die ich heute selbst erledigen muss, wurden damals von den Eltern übernommen. Also: Problem 1 = weniger Freizeit

    Problem 2: Das Leben ist heute voller "Zeitfresser". Dazu trägt das Internet einen großen Teil bei. Als Kind/Jugendliche konnte ich mich grob gesagt zwischen Fernsehen, Lesen, Handarbeiten, allein spielen und dem Spielen mit Freunden entscheiden. Heute checke ich mal schnell meine Mails (was immer länger dauert, als man denkt), gucke "mal kurz" in Facebook rein – und schwupps ist eine Stunde rum – oder auch zwei. Man kommt im Internet so herrlich vom Hundertsten ins Tausendste und "vertrödelt" Zeit mit Dingen, von denen man denkt, dass sie irgendwie wichtig wären.

    Problem 3: Man möchte die wenige Freizeit "sinnvoll" nutzen und blockiert sich dadurch selbst. Da ich eh schon deutlich weniger Freizeit habe als früher, will ich diese eigentlich nicht unnütz "verschwenden", tue es aber trotzdem, weil ich mich nicht entscheiden kann, was ich eigentlich gerade machen möchte (oder zu erschöpft bin, um die freie Zeit richtig gut zu nutzen).

    Uff, das war ein langer Kommentar – ich glaube, das, was ich zur Buchauswahl sagen will, packe ich in einen neuen Kommentar. 😉

    1. Das mit mehr Freizeit ist natürlich ein wichtiger Punkt. Ich frage mich manchmal trotzdem, wie es sein konnte, dass ich damals so viel mehr Zeit zum Lesen gefunden habe, denn ich hatte ja im Gymnasium schon gut 30 Schulstunden die Woche (in der 5. Klasse waren es sogar 38 und ich kann mich erinnern, dass das schon recht stressig war), "dank" Samstagunterricht war auch das Wochenende recht kurz, ich bin reiten gegangen, hatte Geigenunterricht und war im Turnverein. Dann Hausaufgaben und Lernen … woher kam denn da noch die viele Zeit?
      Es muss wohl wirklich an diesen Rundherum-Verpflichtungen liegen, die man als Kind/Jugendliche nicht so sehr hatte: Haushalt führen, Einkaufen, putzen, etc.

      Und ja, der Zeitfresser Internet. Das ist ganz schlimm. Ich "vertrödle" da so viel Zeit und damit meine ich noch nicht mal produktive Internettätigkeiten wie z.B. bloggen.
      Das Ergebnis ist dann auch bei mir, dass ich die Freizeit sinnvoll nutzen möchte und ja, ich kenne das so gut, dass ich sie dann oft einfach "verschwende". Als Jugendliche war das nie so. Einerseits hatte ich da nie so das Gefühl, ich "müsste" jetzt die Zeit unbedingt gut nutzen und andererseits musste ich mich da auch nicht groß dazu aufraffen, die Freizeit sinnvoll zu gestalten, da ich ohnehin den Drang hatte zu schreiben, zu malen, in die Reitschule zu fahren, … Jetzt habe ich meistens das Gefühl, dass ich mich zu so kreativ-produktiven Tätigkeiten fast schon zwingen muss.

      Was man vielleicht auch nicht vergessen darf, das sind die langen Ferien, die man als Schulkind hatte. Wenn man jedes Jahr ein paar Wochen frei hat, dann hat man nicht nur viel Freizeit, sondern auch viele Tage, die man einfach mal "vertrödeln" kann und es bleibt trotzdem noch immer genug Zeit, um sie produktiv zu nutzen.
      Ganz davon abgesehen, dass Ferien auch die Energiereserven ganz anders auffüllen.

  2. So, nun also zur Buchauswahl und der Frage, ob man beim Lesen weniger experimentierfreudig ist als früher.

    In Zeiten des Internets und der weltweiten Verfügbarkeit von Büchern steht jedem Leser eine viel, viel größere Menge an möglichen zu lesenden Büchern zur Verfügung. Nicht nur das, was die Bibliothek oder der Buchladen vor Ort hat, sondern quasi jedes lieferbare oder auch nicht mehr lieferbare Buch dieser Welt. Also: riesige Auswahl!

    Aber: Die Lesezeit ist begrenzt, in meinem Fall deutlich geringer als früher (siehe mein erster Kommentar). Diese geringere Lesezeit will ich nicht mit Büchern "verschwenden", von denen ich aus 30 Jahren Leseerfahrung weiß, dass sie mir nicht gefallen werden. Warum sollte ich ein Buch lesen, das ich belanglos finde, wenn ich in derselben Zeit ein Buch lesen könnte, das mir richtig Spaß macht, mich erfüllt, mich reinzieht, herausfordert etc.?

    Das heißt nicht, dass ich nicht offen für Neues wäre – klar probiere ich mal was aus, wage mich auch mal an Bücher, die mich herausfordern oder bei denen die "Gefahr" besteht, dass sie mich am Ende nicht überzeugen können – aber irgendwas an diesen Büchern muss mich schon reizen, damit ich sie auch wirklich lese.

    Da es mehr als genug Bücher gibt, auf die das zutrifft, bleiben alle anderen mehr oder weniger bewusst außen vor. Dadurch entgeht mir vielleicht das eine oder andere Buch, das doch ganz toll wäre, mir aber halt nicht ins Auge gestochen ist. Aber was soll's? Ich kann sowieso nicht alle Bücher lesen, die es wert wären und die mich interessieren würden! Aber ich kann versuchen, einen möglichst großen Teil meiner Lesezeit mit solchen Büchern zu füllen, die mich reizen und mir eine positive Leseerfahrung bescheren. Das klappt eigentlich recht gut, also bin ich für mich auf dem richtigen Weg. 🙂

    1. Das stimmt schon alles, was du da schreibst – die Auswahl ist jetzt auf jeden Fall größer und alle möglichen Bücher leichter verfügbar.
      Weshalb mich das mit der geringeren Experimentierfreudigkeit trotzdem stört: Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass mich sorgfältig ausgesuchte Bücher insgesamt mehr begeistern als Zufallsbücher. Mit Zufallsfunden habe ich oft schon wahre Treffer gelandet, während mich schon Bücher, bei denen ich mir gedacht habe, dass die ganz sicher mein Beuteschema sind enttäuscht haben. Umgekehrt natürlich auch, aber alles in allem denke ich manchmal, dass ich viel zu viel Zeit für eine sorgfältige Auswahl verschwende.

    2. Ah, verstehe. Ich wende für die Auswahl meiner Bücher eigentlich nicht besonders viel Zeit auf. Ich werde auf ein Buch aufmerksam (z. B. über einen Blogpost, in einer Verlagsvorschau, bei einer Lesung, auf der Buchmesse etc.) und wenn es mich genug anspricht, dann notiere ich mir das Buch und lese es. Ich lese dann aber nicht noch andere Rezensionen zum Buch oder Leseproben oder so. Maximal überfliege ich die Bewertungen bei Amazon, um zu sehen, wie die allgemeine Stimmung zum Buch ist, das mache ich aber auch nur selten. Entweder weckt ein Buch direkt mein Interesse oder eben nicht.

    3. Das ist bei mir dann wieder das Problem der großen Auswahl: Im Laufe der Zeit sind so viele Bücher auf meiner Liste gelandet, dass ich mich davon ganz erschlagen gefühlt habe. Also versuche ich seither, sorgfältiger auszuwählen, aber vermutlich ist es nun etwas zu viel Sorgfalt. 😉

  3. Hauptsache du fandest dich mit 10/11 schon zu alt für Kinder-/Jugendbücher?^^
    Ich weiß aber noch, dass es mir einmal ähnlich ging. Da wollte ich eigentlich alle Bücher aus der „Gänsehaut"-Reihe lesen, fühlte mich aber mit 13 schon zu alt und fand es peinlich, sie auszuleihen. 😀 Als ich jedoch einmal mit 11 (? oder so) „Der Seewolf" von Jack London und die Romane von V.C. Andrews ausleihen wollte, hat mich die Bibliothekarin schief angesehen und wollte mir die Bücher eigentlich nicht geben. 😀

    Also der Aspekt, dass sich das Leseverhalten verändert, weil man nunmal mehr zu tun hat und sich vielleicht nicht mehr ganz auf das Lesen konzentrieren kann, könnte auch auf mich zutreffen. Allerdings habe ich bei mir noch keine große Veränderung dahin bemerkt, dass ich ungeduldiger geworden wäre. Manchmal kommt es mir eher so vor, als würde ich jedes Buch gut bewerten. Gerade, wenn ich dann die Rezensionen tippe, fällt es mir oft schwer, etwas negatives zu finden.
    Die größte Veränderung beim Lesen kam eher durch den Blog. Vorher habe ich mir ja nie groß Gedanken gemacht, was ich lese, sondern habe einfach gelesen. Jetzt schaue ich tatsächlich, welche Bücher für Challenges Sinn machen, ob sich ein Wälzer lohnt oder noch warten muss… Ich mag mir das nur ungern eingestehen, aber der Blog hat mein Leseverhalten auch negativ geprägt. Da mir der Blog jedoch einen Austausch über Bücher bietet und mir den Anreiz gibt, mehr zu lesen und auch mehr aus der Buchwelt mitzubekommen, überwiegt eben doch das Positive.

    1. Haha, also es war nicht so, dass ich mir gedacht habe "ich bin jetzt zu alt für Kinderbücher, ich muss was anderes lesen", sondern dass mir die immer selben Serien allmählich zu langweilig geworden sind. Ich hab die immer noch gern gelesen, aber ich wollte halt auch was neues – und sowohl von den Büchern, die wir zuhause von meinen älteren Geschwistern hatten als auch aus der Kinderabteilung in der Bücherei kannte ich schon fast alles.

      Über Bücher zu bloggen, ändert natürlich schon auch das Leseverhalten. Und ja, teilweise leider zum Negativen – das habe ich bei mir auf jeden Fall auch festgestellt. Aber letztendlich überwiegen für mich auch die positiven Aspekte.

  4. Hey,

    ich kann vor allem dein Büchereiproblem als Jugendliche verstehen!! Ich habe sooo gerne meine Pferdebücher und Serien wie Dolly usw. gelesen, aber irgendwann möchte man ja doch mal erwachsenere Bücher lesen. Meine Freundin, mit der ich nach der Schule immer gemeinsam in die Bücherei gegangen bin, hat sich schon recht früh an Erwachsenen Literatur bedient, mochte aber einfach auch so Schriftsteller wie Stephen King, der mir ja viel zu gruselig ist. Ich selbst habe dann einfach noch ein paar Jahre länger Pferdebücher gelesen, weil ich auf Herzschmerz auch absolut keine Lust hatte und bin dann ins historische Genre, Fantasy und Gegenwartsliteratur übergewechselt. Alle Bücher mussten möglichst dick sein, damit ich ganz lange was davon habe (da ich damals noch Nächte durch lesen konnte, war das allerdings gar nicht sooo lange :D).
    Dicke Bücher landen heute nur noch selten auf meinem SuB. Ich habe einfach keine Geduld mehr. Verrückt! Wenn nicht beim Lesen, wann denn dann? Leider geht mir das in vielen Bereichen meines Lebens so. Ich kann nicht mehr einen ganzen Tag nur im Stall verbringen, weil mich so viele andere Dinge antreiben, meine freien Tage sind so kostbar, dass ich sie mit möglichst viel füllen möchte und meine Lektüren sollen möglichst 10 Sterne Bücher sein, damit sich die investierte Zeit auch lohnt. Ich glaube, es ist die Schnelllebigkeit unserer Zeit, des Erwachsen seins, von der wir uns viel zu viel und viel zu ungesund mitreißen lassen. Ein Umdenken ist nicht leicht, aber ich glaube, es würde uns allen gut tun.
    Prinzipiell habe ich das Gefühl vermehrt zu Büchern zu greifen, die auch meinen Geschmack treffen, was meiner Meinung nach davon kommt, dass ich hier und da Blogs durchstöber, aber auch mit etlichen Menschen kommuniziere, auf deren Buchtipps ich mich verlassen kann.
    Ganze Rezensionen lese ich immer erst, wenn ich das Buch gelesen habe. Vorher lese ich mir nur Fazit Sätze durch oder vertraue darauf, wenn mir oben genannte Menschen ein Buch empfehlen. Ich möchte mir gerne eine eigene Meinung bilden und ganz oft hat es ja auch mit der aktuellen Stimmung zu tun, ob man ein Buch mag oder nicht.
    So wie als Kind, liest man als Erwachsener definitiv nicht mehr. Unbekümmert und neugierig in eine Geschichte eintauchen und auch mal alles um sich herum vergessen, mal einen ganzen Tag + eine Nacht durchlesen, das geht einfach nicht mehr. Sehr schade. Aber vielleicht kann man für sich eine neue Leseleidenschaft entdecken, wenn man sich davon löst, dass Lesen weiter so sein soll, wie man es als Kind / Jugendliche empfunden hat …
    Ich wünsche dir, dass du bald wieder mehr Freude am Lesen empfindest und eine für dich passende Lösung findest 🙂

    Liebe Grüße Nanni

    1. Jaaa, das mit den dicken Büchern war bei mir auch so! Umso dicker umso besser, denn das hieß, dass ich davon lange was hatte und nicht so bald wieder was neues suchen musste.
      Jetzt dagegen schrecken dicke Bücher mich auch oft ab, obwohl ich sie dann, wenn ich erst mal drin bin, meist eh gern lese. Aber manchmal fehlt mir da schon im Vorfeld die Geduld dafür.
      Es ist garantiert ein Problem der Schnelllebigkeit und leider eben auch wirklich ein Internet-Problem (bei mir zumindest). Manchmal ärgere ich mich so über mich, wenn ich – obwohl ich doch so gern lese – eine Stunde im Internet vertrödelt habe, anstatt mich mit einem Buch aufs Sofa zu setzen. Es ist fast so, als ob ich vor lauter "ich muss meine Zeit sinnvoll nutzen" und "was mach ich denn jetzt am besten, damit ich auch richtig was von meinem freien Nachmittag habe" erst recht zu nichts komme (und stattdessen dann wieder im Internet versande).

      Zu dieser Unbekümmertheit der Kindheit/Jugend kann man da vermutlich gar nicht mehr zurückfinden, so sehr man sich das auch wünscht.
      Letztendlich ist das wohl auch nicht mal ein Leseproblem, sondern eher ein Lebensproblem.

    2. Ja, und wie! Und es frustriert auch einfach. Wieso schafft man es nicht, dagegenzusteuern, wenn man doch schon erkannt hat, wo das Problem ist? *seufz*

  5. Super Beitrag. Ich bereue, dass ich weniger Klassiker oder aktuelle Belletristik lese. Man ist mit dem Alter leider auf seine Genres fixiert und wird halt zum Gewohnheitstier. Vielleicht mal ein schöner Vorsatz, dass man immer etwas Neues liest.

    LG Lyne

    1. Bei mir sind es eben auch deutlich weniger Klassiker in den letzten Jahren geworden, was ich schade finde. Andererseits möchte ich mir eigentlich nicht wieder Lesevorsätze nehmen – ich würde mir eher wünschen, dass ich so wie früher auch einfach Lust auf Klassiker habe und mich nicht erst dazu überwinden muss, nach einem zu greifen.

  6. Ich habe früher auch breit gefächerter gelesen. Vermutlich aus einem ähnlichen Grund wie du: Gelesen wurde, was da war!
    So kurz vor dem Abi habe ich dann unheimlich gerne Frauenromane gelesen, z.B. Marian Keyes. Da hätte ich jetzt nur noch selten Lust drauf, unterhalten tun sie mich aber immer noch. Dann kam meine Thriller-Zeit, in der ich fast nur blutige Cover in meinem Regal hatte, außerdem habe ich etwa zur gleichen Zeit (während des Studiums) auch viele historische Romane gelesen, die mich jetzt gar nicht mehr reizen.
    Seit ich blogge, lese ich vor allem (High-)Fantasy und Jugendbücher.

    Klassiker haben mich eigentlich nie so richtig gereizt, ich musste mich durch fast alle durchquälen.

    Du hast aber definitiv mal wieder ein spannendes Diskussionsthema gefunden. 🙂

    1. Manchmal ist es vielleicht auch von Vorteil, wenn man nicht so unendlich viel Auswahl hat – wobei ich bei all dem nostalgischen Blick auch zugeben muss, dass ich früher häufig Phasen hatte, in denen ich einfach nicht wusste, was ich lesen sollte und deshalb aus schierer Not zum fünften Mal zu "Krabat" gegriffen habe. Da ist es jetzt schon auch schön, wenn ganz viele neue Bücher auf mich warten, die ich auch wirklich gern lesen möchte.

      Auf alle Fälle aber zeigen mir eure Antworten, dass ich wohl nicht die einzige bin, bei der sich das Leseverhalten auf eine solche Weise verändert hat.

  7. Mir ging es damals genauso! Ich bin ja schon Ende Vierzig und zu meiner Zeit gab es im Ort nur eine Pfarrbücherei, die am Sonntag vormittag geöffnet hatte. Dort half ich auch jede Woche aus und bekam dafür die Bücher gratis zum lesen mit nach Hause. Jede Woche ging ich mit 5-6 Bücher hinaus und brachte sie am nächsten Sonntag gelesen wieder. Heute ist es mit ein Rätsel wie ich das gemacht habe!
    Nachdem ich alle 5 Freunde Abenteuer, die schwarze Sieben, Tina und Tini, Dolly, hani und nanni usw. gelesen habe, gab es auch für mich nichts mehr. ich griff dann mal zu Berte Bratt, aber danach? und ich wähkte dieselbe Autorin wie du: Agathe Christie! ich habe wirklich ALLE ihre Krimis damals gelesen. Und danach kam wieder die Frage: Was lese ich jetzt?
    Ich hatte dann mit 14 einen Schulwechsel und kam ins Internat. In der Stadt meldete ich mich dann bei der Bücherei an und las Hermann Hesse, Biografien wie "Josephine", Napoleons Frau, Goethe…..alles schwere Kost. Heute überlege ich mir zweimal, ob ich zu so einer Lektüre greife. Wie schon die anderen angesprochen haben, liegt es auch an der Zeit, die uns irgendwie durch die Finger rinnt. Ich möchte mich vorallem bei einem Buch nach dem Joballtag entspannend und nicht analysieren oder einen Text zweimal lesen, um ihn zu verstehen.
    Ich lese zwar noch immer querbeet: Thriller, Krimis, Romane, Liebesromane, historische Romane, Dystopien, wenige Jugendbücher……allerdings keine High Fantasy oder Science Fiction.
    Liebe Grüße
    Martina

    1. Hach ja, die Schwarze Sieben, Berte Bratt, Tina und Tini … mochte ich früher auch sehr! Und interessant, dass Agatha Christie anscheinend nicht nur für mich ein Übergang weg von den Kinderbüchern war.

      Mit der Bücherei habe ich das ganz ähnlich erlebt. Zwar hatte ich eine Ortsbücherei mit ganz normalen Öffnungszeiten zu Verfügung, aber ich bin da auch regelmäßig mit Bücherstapeln ein- und ausgegangen. Kein Wunder, dass meine Mutter nie fassen konnte, wie ich denn bitte soviel lesen konnte. 😉

      Es ist wirklich spannend zu lesen, wie eure Erfahrungen da sind. Anscheinend ist das doch eine ganze normale Entwicklung beim Lesen und zumindest eine, die viele nachvollziehen können.

  8. Ariana hat ja schon gut vorgelegt, aber ich schreibe dennoch selbst was.

    Dieses Bücherei-Problem kenne ich auch irgendwoher. Ich war einfach irgendwann mit den Kinderbüchern durch, dann mit den Jugendbüchern und dann bin bei Henning Mankell und anderen Sachen im Erwachsenen-Bereich gelandet. Weiß gar mehr genau, wie alt ich war, aber wohl so um die zwölf Jahre herum. Agatha Christie und Hohlbein habe ich mir recht gern in der Schulbibliothek ausgeliehen, im gleichen Alter, wenn ich mich richtig entsinne.

    Ich denke, da kommen viele Dinge zusammen, warum man nicht mehr so experimentierfreudig ist. Wichtigster Grund bei mir ist natürlich, dass ich nicht mehr nehmen muss, was ich kostenlos kriege. Meine Krimi- und Thrillerrate hat dadurch deutlich nachgelassen. Zudem ist die Auswahl auch innerhalb eines Genres viel größer geworden, Amazon und Co. sei Dank. Außerdem lassen sich viel leichter Bewertungen für Bücher nachschlagen, so dass ich nicht mehr nur von einer Empfehlung abhängig bin. Dies alles führt aber auch dazu, dass zumindest ich sehr viel Zeit für das Lesen von Rezensionen etc. aufwende, statt einfach Bücher zu lesen.

    Ich denke mir aber einfach, dass ich keine Zeit mit schlechten Büchern verschwenden will. Hm, wenn ich so darüber nachdenke, dann ist das ja eigentlich auch wieder Optimierungswahn …

    1. Ja, genau dieser "Optimierungswahn" verschlingt bei mir mitunter ziemlich viel Zeit. Denn bei mir ist es eben auch so, dass ich sehr viel Zeit für das Lesen von Rezensionen etc. aufwende, während ich in der Zeit auch einfach ein Buch lesen könnte.
      Natürlich ist bei mir auch die Intention, dass ich keine Zeit mit schlechten Büchern verschwenden will, aber selbst bei so sorgfältigem Auswählen passiert es mir sehr häufig, dass ich Bücher dann trotzdem nur mittelmäßig oder sogar schlecht finde.

      Bei Mankell bin ich übrigens erst relativ spät gelandet. Ich habe zwar neben Agatha Christie auch einige andere KrimiautorInnen gelesen, aber zunächst waren das doch vornehmlich britische.

  9. Bei mir haben sich mein Leseverhalten und vor allem die Bücher, die ich lese, sehr geändert seit früher. Eigentlich finde ich gar nicht mal so gut und ich gebe letztlich auch dem Bloggen Schuld daran. Nicht nur, aber schon zum wichtigen Teil. Ehrlich gesagt habe ich auch schon länger im Kopf, darüber einen kleinen Bericht zu schreiben, für den Blog. Mir geht´s nämlich wie dir. Bin bisher nur nicht dazu gekommen, aber vielleicht nehme ich das doch mal in Angriff.

    Ich finde es übrigens beeindruckend, dass du mit 10 angefangen hast, Agatha Christie zu lesen. Das ist wahrscheinlich meiner Unwissenheit geschuldet, denn ich habe noch NIE ein Agatha Christie Buch gelesen – aber geht´s da nicht auch nur um Mord und Tod und so weiter? Ist das nicht ein bisschen "viel zugemutet" für eine 10-Jährige? (Ich habe übrigens wirklich keine Ahnung und lasse mich gern berichtigen von denjenigen, die die Bücher kennen… 😀 )

    1. Das würde ich sehr interessant finden, wenn du dazu einen Bericht für den Blog schreibst. Ich glaube, dass über Bücher bloggen auf eine gewisse Weise wirklich gefährlich fürs Lesevergnügen ist. Auch wenn es gleichzeitig natürlich auch sehr bereichernd ist.

      Es geht zwar in Agatha Christie um Mord und Tod, aber die Krimis sind sehr unblutig und im Vordergrund stehen auch immer die Ermittlungen, die in erster Linie auf Kopfarbeit basieren. Für mich waren sie quasi die erwachsenere Weiterführung der diversen Kinderkrimi-Serien von Enid Blyton, ich ich so geliebt habe.

  10. Eine gewisse Verschiebung der Genres bemerke ich bei mir auch. Ja, ich lese auch weniger Klassiker als früher. Dafür mehr Sachbücher. Weniger Liebesgeschichten, dafür mehr Graphic Novel.
    Aber ich schaffe es weiterhin, mir Bücher auszusuchen, ohne erst einen Haufen Infos einzuholen. Ich lese eine interessante Rezi, kicke das Buch auf die Wunschliste und fertig. Wenn ich dann durch die Bücherei oder Buchhandlung gehe, dann entdecke ich das eine oder andere Buch und denke mir, hach, da wollteste doch lesen! Dann lese ich kurz rein und danach entscheide ich dann aus den Bauch heraus.

    Viele Bücher bleiben so ewig auf der Wunschliste, manche lösche ich dann auch wieder. Dafür finde ich andere Bücher, die mir einfach so begegnen und auch da bin ich recht spontan. Ab und zu ziehe ich Nieten, aber meistens habe ich ein gutes Händchen. 😉

    1. Ich finde es schön, dass du das doch recht entspannt siehst. Genauso sollte es ja auch sein.

      Ich habe das eine Zeitlang auch so gemacht – interessante Rezi, Buch auf die Wunschliste, fertig. Aber dann ist meine Wunschliste gewachsen wie verrückt und bei vielen Büchern wusste ich dann schon gar nicht mehr, was für Bücher das überhaupt sind und weshalb sie auf der Wunschliste gelandet sind. Also dachte ich, ich müsste sorgfältiger auswählen – und dann hat das wiederum überhand genommen. Offensichtlich muss ich erst den Mittelweg für mich finden.

    2. Och, ne übervolle Wunschliste habe ich auch. Aber ich habe gar nicht das Bedürfnis, die Bücher alle lesen zu wollen. Ich werde es sowieso nie schaffen, alle Bücher zu lesen, die ich lesen will. Praktisch ist die Wunschliste trotzdem, weil sie mir einen Anhaltspunkt bietet auf der Suche nach neuem Lesestoff.

  11. Nachdem ich eben deinen interessanten Blogeintrag gelesen habe, habe ich mal mein Leseverhalten reflektiert und ich bin mir nicht sicher, ob es damals anders war als heute.
    Was jedenfalls anders war, war die Menge an Büchern, die ich gelesen habe.
    Als Kind habe ich sehr sporadisch gelesen. Mal einen Band "Die Kinder von Bullerbü", mal einen Band "Der kleine Vampir" usw, mit 12/13 habe ich mir dann zwei Bücher von Banana Yoshimoto ausgeliehen, weil ich mich durch Mangas sehr für Japan interessierte, verschlang auch "Die Geisha" von Arthur Golden, las mal einen Teenie-Romanze-Roman und holte mir anlässlich des Kinofilms die Herr der Ringe-Reihe, wovon ich nur den ersten Band las.
    Mit 15 fing ich an, die Harry Potter-Reihe zu verschlingen und als diese beendet war, war ich immer wieder auf der Suche nach was Neuem.

    Dass ich auf der Suche war, hieß aber nicht, dass ich auch immer etwas befriedigendes gefunden hatte. Ich bin eine sehr sehr wählerische Leserin und ich glaube, das war ich als Kind schon. Ich nehme nicht jedes Buch mit ins Bett 😉 Viele Themen langweilen mich oder erscheinen mir zu banal. Mir fallen viele Schreibstile schnell negativ auf und ich bin im Allgemeinen immer sehr ungeduldig. Meistens vermeide ich auch Wälzer, weil ich Angst habe, sie nicht zu Ende zu lesen. Momentan lese ich Buddenbrooks, bin fast am Ende und ich bin überrascht, dass mich dieser Wälzer doch gefesselt und unterhalten hat. Doch viele Bücher lese ich ein paar Seiten und dann lege ich sie wieder weg. Oder ich bemerke bereits vorm Zubettgehen, dass ich mich gar nicht auf das Buch, welches ich aktuell lese, freue und dann wird es weggelegt.
    Ich bin auch immer wieder erstaunt, wenn ich die ganzen Bücherblogs durchschaue, was die Leute a) alles lesen und es b) auch noch gut bewerten können. Ich wünschte, ich könnte das auch, aber viele Bücher würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Man muss heutzutage schon ein richtiger Perlentaucher sein, bei der Flut an Büchern und Neuerscheinungen, die wir haben.

    Mittlerweile kann ich mich aber besser damit arrangieren, wählerisch zu sein. Als Kind in den 90ern hatte man ja kaum Möglichkeiten, sich zu informieren, was einem gefallen könnte und was nicht. Heutzutage durchstöbere ich einfach Blogs, Amazon-Lieblingslisten usw, um herauszufinden, was mir gefallen könnte, wodurch ich dann auch mehr zu lesen habe, denn als Kind. 🙂

    Was die Ungeduld betrifft, so kann ich meinen Vorrednern nur zustimmen: Ich glaube, das mediale Zeitalter macht uns völlig unruhig und ungeduldig, wodurch wir uns nicht lange auf ein Buch konzentrieren können. Das Internet frisst nur noch die Zeit, sondern wirkt sich auch langfristig auf unsere Aufmerksamkeitsspanne aus.

    So, jetzt bin ich aber fertig. 😉

    LG
    http://lesenundgrossetaten.blogspot.de/

    1. Interessant, deine Erfahrungen dazu zu lesen.
      Ich bin heute sicher wählerischer als früher, wobei das vielleicht auch einfach mit der größeren Leseerfahrung kommt. Aber ja, du hast recht damit, dass man heutzutage besser wählerisch sein kann. 😉

      Ich habe auch den Eindruck, dass ich im Vergleich zu manchen anderen Bücherbloggern recht nörgelig bin. Aber solange ich immer wieder mal Perlen finde, stört mich das auch nicht mehr. Es kann eben nicht jedes Buch ein Highlight sein.

      Das mit der Ungeduld wird wohl viel mit dem Internet zusammenhängen und auch einfach mit dem Erwachsenwerden: Ich habe nun einfach viel mehr im Kopf als als Kind/Jugendliche und kann nicht mehr so gut abschalten.

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