Streifzüge

[Streifzüge] Archäologischer Park Carnuntum

Ich war schon öfter in Carnuntum – zuletzt vor etwa einem Jahr – und wollte auch schon längst diesen Streifzug posten, wusste aber nie so recht, wie ich ihn aufteilen oder die Fotos aussortieren sollte, da es so viel gibt, was ich euch da zeigen kann.
Carnuntum ist eine römische Stadt aus der frühen Kaiserzeit mit gut 50.000 Einwohnern in ihrer Blütezeit und war 308 n. Chr. Sitz der Kaiserkonferenz. Abgesehen von der Zivilstadt befanden sich dort auch ein Legionslager und eine Militärsiedlung.
Außer dem archäologischen Park gibt es das Amphitheater der Zivilstadt, das Amphitheater der Militärstadt, das römische Museum in Bad Deutsch-Altenburg und das sogenannte „Heidentor“ zu besichtigen. Von Wien aus erreicht man die Orte mit der Schnellbahn und dann einem kleineren Fußweg. Wenn man sich alles an einem Tag ansehen möchte und vielleicht noch bei Bad Deutsch-Altenburg auf den Pfaffenberg wandern will (wie ich es einmal gemacht habe), ist man ordentlich beschäftigt und hat auch so einige längere Fußwege zurückzulegen.
Ich werde euch in diesem ersten Streifzug einmal das „Highlight“ vorstellen – den Archäologischen Park von Carnuntum.
Was einst „nur“ eine für Besucher zugängliche Archäologische Ausgrabungsstätte mit einigen Ausstellungen und Infotafeln war, ist mittlerweile einer der Vorreiter auf dem Gebiet der archäologischen Rekonstruktion. In Carnuntum wurden in den letzten Jahren mehrere Gebäude mit den Mitteln der experimentellen Archäologie an ihrem ursprünglichen Standort (und anhand der ergrabenenen Grundrisse und Gebäudeteile) wiederaufgebaut. Das heißt, es wurde nur mit historischen Nachbauten antiker Werkzeuge gearbeitet und zwar bis in die Details; bei den Möbeln hat man sich an Text- und Bildquellen sowie an archäologischen Vergleichsfunden orientiert. Das besondere ist, dass die Häuser funktionstüchtig sind: Sie werden mittels Hypokausten und Holzöfen beheizt und an den Küchenherden kann gekocht werden.
Begonnen hat man vor einigen Jahren mit dem Haus des Lucius, einem kleinen Stadthaus eines Tuchhändlers aus der Mittelschicht; dann ging es weiter mit der Villa Urbana, einer Stadtvilla der Oberschicht und zuletzt schließlich mit einer der kleineren Stadtthermen. Alle Gebäude und Einrichtungsgegenstände sind der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts zuzuordnen, also etwa der Zeit der Kaiserkonferenz.

 

Zivistadt von Carnuntum
Nach einer kleinen Ausstellung im Infocenter und einem Modell der Stadt betritt man direkt den Park, wo sich einem folgender Blick bietet:

 

Blick auf einen Teil des Geländes mit der Therme und der Villa Urbana
Das Haus des Lucius von hinten
Innenhof im Haus des Lucius
Werkstatt mit historisch hergestellten Stoffen
Wohnraum im Haus des Lucius
Säulengang und Front der Villa Urbana und der Thermen
thermopolia („Imbissbuden“) im Säulengang
Küche in der Villa Urbana
Einer der Innenhöfe der Villa Urbana: rechts hinten ist die Heizungsklappe,
unter der Treppe wird Holz gelagert
Vorraum der Therme
Galerie im Vorraum mit Liegen und Umkleidemöglichkeiten
Wasserbecken im frigidarium
Wasserbecken im caldarium mit warmem Wasser
Ofen im Hinterhof zum Beheizen des caldariums
In Carnuntum wird auch weiterhin ausgegraben
Soweit einmal ein kleiner Einblick vom Archäologischen Park. Man kann auf den Fotos nicht festhalten, wie unglaublich schön die Thermen sind – als ich den Vorraum betreten habe, war ich völlig überwältigt. Es ist auch faszinierend, die Hypokaustenheizung einmal in Aktion zu erleben und in den Innenhöfen zu sehen, von wo aus und wie die Räume beheizt werden.
Ich kann allen, die etwas länger als nur für ein Wochenende in Wien sind, nur empfehlen, einmal nach Carnuntum zu fahren. Der Archäologische Park ist mit seinen Rekonstruktionen einzigartig (vergleichbar ist nur noch die Herberge in Xanten), vor allem, da es nicht nur darum geht zu zeigen, wie etwas möglicherweise ausgesehen hat, sondern auch, wie man es möglicherweise gemacht hat. Auch wenn die experimentelle Archäologie immer wieder größerer Kritik ausgesetzt ist, vermitteln die Gebäude unbestreitbar ein anschaulicheres Bild der Antike als Modelle oder Zeichnungen es tun könnten. Es wird in Carnuntum zudem wissenschaftlich sehr sorgfältig gearbeitet und auch wenn vieles natürlich immer Interpretation bleibt, haben die Nachbauten dort dennoch Hand und Fuß. So sind etwa auch in den Wohnhäusern die oberen Stockwerke nicht rekonstruiert, da die Ausgrabungen keine Hinweise auf Nutzung oder Ausstattung gegeben haben.
Carnuntum ist also auf jeden Fall einen Ausflug wert, zumal es dort auch noch mehr zu sehen gibt – dazu komme ich dann in den nächsten Streifzügen.

16 thoughts on “[Streifzüge] Archäologischer Park Carnuntum

  1. Tja, da hat sich allerdings einiges verändert, seit ich das letzte Mal (so vor 20 Jahren…) dort war. Der obligatorische Ausflug nach Carnuntum war in meiner Schulzeit immer gefürchtet, weil es extrem langweilig war, sich nur Reste von Steinmauern anzuschauen…. 😉 Aber jetzt schauts richtig interessant aus!

    lg, A.

    1. Als ich das erste Mal dort war, gabs auch noch keine Rekonstruktionen. Ich habs schon damals sehr spannend gefunden, war aber immer schon ein Fan von jeglichen antiken Resten (auch als Kind). Mal davon abgesehen, dass ich jeden Ausflug spannender gefunden habe als in der Schule zu sitzen. 😉

  2. Wie toll!! Sowas habe ich ja noch nie gesehen!
    Ich finde ja antike Reste schon interessant, muss aber zugeben, dass ich mir nur manchmal schwer vorstellen kann, wie das nun in "echt" ausgesehen hat.
    Also, ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll: irgendwie stelle ich mir alles immer so "anders" vor als heute, so ganz entfernt von uns. Dabei sind die Häuser und Einrichtungen ja gar nicht sooo viel anders als heute – also, zum gewissen Teil schon, aber eben nicht so, dass man es nicht wiedererkennen würde.
    Wahrscheinlich habe ich mich jetzt komisch ausgedrückt.^^

    Danke auf jeden Fall für die tollen Eindrücke. Ich hoffe, ich schaffe es irgendwann auch einmal da hin. 🙂

    1. Ich finde nicht, dass du dich komisch ausgedrückt hast und denke, dass sich eigentlich die meisten antike Häuser (und auch anderes aus der Zeit) viel fremder und "exotischer" vorstellen. Stattdessen wirkt vieles sehr vertraut – in der Antike vielleicht sogar mehr noch als später dann im Mittelalter.

  3. Ein richtig schöner Bericht, leider wohne ich ja nun nicht grade um die Ecke. Im Hinterkopf für eine eventuelle Wienreise werde ich es trotzdem behalten, mich fasziniert "alter Kram" ja auch immer wahnsinnig und alleine die Thermen scheinen ja schon einen Besuch wert zu sein. Danke für`s Vorstellen!

    1. Ja, die Thermen sind echt toll. Die sind auch das neueste und dementsprechend das einzige, das ich bei meinem Besuch im letzten Jahr noch nicht kannte, aber alleine dafür hat es sich schon gelohnt, dass ich mal wieder hingefahren bin.

  4. Ui, das sieht ja spannend aus! Auch wenn die Häuser von innen schon sehr museal wirken. Im Mai war im auf dem Campus Galli, das ein ähnliches Projekt ist, aber die Karolingerzeit wieder aufleben lässt. Ich glaube, als Archäologin wäre so was mein Traumeinsatzgebiet 🙂

    1. Ich nehme an, der museale Eindruck entsteht dadurch, dass die Räume halt nicht wirklich belebt sind. Die Küchen, wo auch öfter tatsächlich mal gekocht wird, wirken auch gleich bewohnter als die anderen Räume, weil etwa die Kochstellen voller Ruß sind usw.
      Ich finde experimentelle Archäologie auch extrem spannend.

  5. Sehr schöner Bericht. Sollte ich wieder mal nach Wien gehen, dann werde ich einen Tag für den Park reservieren. Ich liebe so was. Auch wenn ich beim Lesen die Bilder vor Augen habe, ich "echt" wirkt die Vergangenheit um einiges… realer.
    BücherFähe drückt das aus, was ich auch meine 😉

  6. Xanten fand ich schon spannend (wobei ich nicht weiß, was sich da in den letzten Jahren noch so getan hat, ich war mit der Schule da :D), aber diese Häuser sehen fantastisch aus. Und funktionierende Hypokausten würde ich wirklich gern mal in Betrieb sehen! Danke für diesen Streifzug! Du findest doch immer wieder spannende Ecken, die du uns zeigen kannst. 🙂

  7. Schade, dass ich so weit weg wohne, sonst hätte ich mir das nach diesem Bericht und den tollen Bildern garantiert mal angeschaut.
    Meiner Meinung nach hast du eine sehr schöne Auswahl an Bildern für diesen Artikel getroffen. 🙂

    Mit freundlichen Grüßen,
    Seitenfetzer

  8. Oh, das sieht wirklich großartig aus! Wenn ich mal nach Wien komme, steht das auf jeden Fall auf dem Besichtigungsplan. 😀 So ein ähnliches Projekt, nur aus dem Mittelalter, gibt es in Baden-Würtemberg. "Adventon" heißt das Dorf, das dort gebaut wird. Da war ich vor Jahren mal, aber es war bei Weitem nicht so beeindruckend wie deine Fotos oben.

  9. Es freut mich, dass euch mein Streifzug gefällt und er euch Lust auf Carnuntum gemacht hat. Falls es euch mal hinverschlägt: Sagt mir, wie es euch gefallen hat. 🙂
    Oder noch besser: Sagt mir vorher Bescheid, dann treffen wir uns mal dort. 😉

  10. Wow, das sieht wirklich toll aus! Ich habe an Antiken Stätten bisher nicht viel gesehen – hauptsächlich in der Türkei und Südalbanien. Da fand ich schon die Mauerreste spannend, aber das sieht nochmal ganz anders aus!

    Hier in Regensburg konzentriert man eher auf das Mittelalter – es gibt zwar auch Reste aus römischer Zeit, aber das erstere dominiert einfach. Was aber auch wohl daran liegt, das römische Überreste später überbaut wurden.

    1. Hier sind die römischen Städte sonst leider auch großteils überbaut und Carnuntum daher eine ziemliche Ausnahme (wobei dort ja bislang auch nur ein kleiner Bruchteil der Stadt freigelegt werden konnte).

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