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[Kurzrezensionen] Ein Weltuntergang, eine Wohngemeinschaft und ein Roadtrip

Kurt Vonnegut – Katzenwiege

Ich habe diesen Roman in erster Linie gelesen, weil daraus der Begriff der „Karass“ stammt, der in Jo Waltons In einer anderen Welt eine große Rolle spielt. Eine Karass ist eine Bezeichnung für eine Gruppe von Menschen, die auf eine schicksalhafte Weise zusammengehören, und hat den Ursprung in der von Vonnegut erfundenen Religion „Bokononismus“. Diese Religion ist ebenso skurril wie der restliche Roman. Er beginnt damit, dass der Ich-Erzähler John über den Wissenschaftler Felix Hoenikker recherchiert und sich auf die Spuren dessen Kinder begibt. Dabei verschlägt es ihn auf die karibische Insel San Lorenzo, die auch der Geburtsort des Bokononismus ist. Auf San Lorenzo trifft John auf den Diktator Papa Monzano, dessen schöne Tochter und so einige andere schillernde Personen – und er bekommt es mit nichts weniger als dem drohenden Weltuntergang zu tun.
Ich hatte bei „Katzenwiege“ das Gefühl, dass das Buch und ich einfach nicht zueinander finden wollten. Es ist über weite Strecken spannend, strotzt nur so vor schwarzem Humor und Absurditäten und spart auch nicht an Gesellschafts- und Religionskritik. Am Anfang hat mir das noch gefallen, aber in Summe wurde mir das dann zuviel. Der Humor nutzt sich meiner Meinung nach mit der Zeit ab und die Figuren fand ich zu skurril, um noch einen Zugang zu ihnen zu finden (nur John ist nicht skurril, dafür aber wie eine leere Projektionsfläche).
Ein Roman, der mal ganz außerhalb meines sonstigen Beuteschemas lag – vielleicht zu weit außerhalb, um daran noch Gefallen zu finden. Ein interessantes Leseerlebnis war es dennoch.

Anna Gavalda – Zusammen ist man weniger allein

Diesen Roman gab es schon im November 2014 als Gratisbuch der Stadt Wien, aber da er mich nicht so sehr gereizt hat, hat es eine Weile gedauert, bis ich mich zum Lesen aufraffen konnte. Leider war das Buch tatsächlich nicht ganz mein Fall, auch wenn es mir stellenweise sehr gut gefallen hat.
Es geht darin um vier sehr unterschiedliche Menschen, die alle einsam im Leben sind und in einer etwas anderen Pariser WG zusammenfinden: die Künstlerin Camille, die mit Magersucht zu kämpfen hat; der liebenswürdige Adelige Philibert, der unter Zwangsstörungen leidet; der zynische Koch Franck und dessen Großmutter, die nach einem Unfall nicht mehr allein in ihrem Haus leben kann. Die Art und Weise, wie diese vier zusammenkommen und einander helfen, hat einerseits etwas herzerwärmendes, ist manchmal aber auch arg kitschig. Zudem hatte ich den Eindruck, dass sich einige Probleme etwas zu leicht lösen lassen – das hat schon etwas von Küchenpsychologie.
Trotzdem wäre das Buch sehr nett zu lesen gewesen, wenn ich nicht meine Probleme mit dem Schreibstil gehabt hätte: Der Roman besteht zu einem Großteil aus Dialogen, bei denen die Sprecher fast nie genannt werden. Manchmal habe ich eine Weile gebraucht, um mir darüber klar zu werden, wer da mit wem redet; manchmal habe ich während der (recht redundanten) Gespräche den Überblick verloren und manchmal gab es auch Absätze und neue Anführungsstriche, obwohl es keinen Sprecherwechsel gab, was mich dann vollends verwirrt hat.
Alles in allem habe ich das Buch als eher mittelprächtig empfunden. Es war nicht direkt schlecht, aber ich konnte auch nicht nachvollziehen, weshalb es so in den Himmel gelobt wird.

Adi Alsaid – Let’s Get Lost

Ich hatte – passend zum Sommer – vor kurzem Lust darauf, über einen Roadtrip zu lesen und bin nach einigem Suchen auf diesen Roman gestoßen, den es praktischerweise sehr günstig als ebook gab.
Die siebzehnjährige Leila ist quer durch die USA und Kanada nach Alaska unterwegs, um dort die Polarlichter zu sehen. Allerdings handelt es sich um einen Roadtrip der etwas anderen Art, da er hauptsächlich aus der Sicht von den Menschen erzählt wird, denen Leila unterwegs begegnet. Dadurch ergeben sich vier voneinander unabhängige Geschichten, die nur durch Leila zusammengehalten werden, ehe abschließend dann noch ein Teil aus Leilas Sicht folgt. Die Schicksale der vier Menschen bleiben allerdings sehr an der Oberfläche. Jede(r) der vier, die alle ungefähr in Leilas Alter sind, hat ein Päckchen zu tragen, aber weder bei der Charakterzeichnung noch den Gefühlen noch den Konflikten geht der Autor besonders in die Tiefe. Die Auflösung der Geschichten ist dann teilweise recht zuckerlrosa geraten.
„Let’s Get Lost“ ist flott zu lesender Roman, der ein paar sehr nette Geschichten erzählt, mir aber schon wieder ein wenig zu gefällig und nett war. So gesehen aber gut geeignet als leichte Sommerlektüre.

6 thoughts on “[Kurzrezensionen] Ein Weltuntergang, eine Wohngemeinschaft und ein Roadtrip

  1. Von "Zusammen ist man weniger allein" kenne ich nur den Film. Auch da gefiel mir die Erzählweise nicht, aber die Geschichte an sich total. Ich bin einfach kein Freund der französischen Bücher und Filme.

    Der Roadtrip klingt ziemlich interessant. Gerade, dass die Geschichte von den Reisebegeleitern erzählt wird. Schade, dass sie dann dochso oberflächlich bleibt.

    1. Ich muss ehrlich sagen, dass ich meistens auch kein Fan der französischen Bücher und Filme bin (was nicht heißt, dass es für mich nicht auch Ausnahmen gibt).

      Vielleicht hatte ich mir gerade aufgrund der etwas ungewöhnlichen Erzählform mehr von dem Roadtrip erwartet – oder vielleicht auch, weil der Roman von vielen so gelobt wird. Insofern war es zum Teil sicher auch ein Problem der falschen Erwartung.

  2. Salut, Neyasha.
    Kurt Vonnegut ist – jetzt ähnlich wie Samuel L. Delany – bei den SF-Fans einer der ambivalent rezipierten Autoren. Einerseits die Otto-Normas, die für ein Kapitel Text nicht inbedingt eine Blaupause + Betriebsanleitung lesen wollen; andererseits die Elite-Pioniere, die liebend gern in Texte hinein interpretieren.
    Persönlich schätze ich es wenn mir die Autorin, der Schriftsteller etwas damit zu sagen hatte. Ist bei Vonneguts (oder Delanys) Romanen eher etwas mühsam zu erfahren.

    Lange Dialoge sind in Romanen ein heikles Thema, weil man/frau doch öfter in Gefahr gerät, den sprichwörtlichen Faden zu verlieren. Ist dann in besonderer Weise nervig, wenn Parts von Dialogen austauschbar geschrieben sind.
    Richtig frustrierend wird es dann aber, wenn einem nach einer halben Seite Dialog plötzlich auffällt, daß Person Y das definitiv nicht sagen/meinen kann. Also zurückblättern und die "überfahrene Weiche" ausfindig machen, um sicher zu gehen. Nervig.
    Ob die Lobbehudelung besagten Buches mit der Verfilmung zu tun hat!?!

    Zeit wohl an der Zeit für ein überzeugend gutes Buch, denke ich. 🙂

    bonté

    1. Manchmal interpretiere ich durchaus gern in Texte hinein, aber in diesem Fall habe ich einfach nicht den richtigen Zugang dazu gefunden. Mag vielleicht auch daran liegen, dass mir das Genre nicht so vertraut ist und man das Buch natürlich auch als Kind seiner Zeit betrachten muss.
      Dass du Delany in einem Atemzug mit Vonnegut nennst, demotiviert mich jetzt ein wenig. Denn dieser findet bei Walton auch sehr viel Erwähnung und ich wollte noch etwas von ihm lesen. Mal sehen, ob ich einen Zugang zu ihm finde.

      Das mit der "überfahrenen Weiche" beschreibt es sehr anschaulich! Genauso ging es mir nämlich mehrmals beim Lesen. Und ja, ich glaube, dass der Roman tatsächlich erst durch die Verfilmung so richtig zum Bestseller wurde.

  3. Mit den Anführungszeichen, obwohl es keinen Sprecherwechsel gab, sagst du was. Wobei dieses Problem in Englischen viel häufiger auftritt, meiner Meinung nach. Da scheinen viele Autoren einfach an Beginn jeden neuen Absatzes neue Anführungszeichen zu setzen. Urghs!

    1. Soweit ich weiß, ist es im Englischen üblich, Anführungszeichen an den Anfang eines Absatzes zu setzen, auch wenn dabei der Sprecher nicht wechselt – allerdings nicht an das Ende des vorherigen. Da betrifft das dann vor allem lange Reden einer Person.
      Ich mag das auch nicht besonders, aber in Gavaldas Roman war das noch schlimmer. Mal davon abgesehen, dass es im Deutschen nicht üblich ist, bei einem neuen Absatz wieder Anführungszeichen zu setzen, handelt es sich hier nicht um lange Reden, sondern es werden eindeutig formal Sprecherwechsel markiert, wo es keine gibt. Das kommt natürlich nicht ständig vor, aber doch einige Male. Extrem verwirrend.

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