Rezensionen

Sabrina Železný – Das Geheimnis des Mahagonibaums

2015 bei Aufbau Taschenbuch erschienen

entdeckt durch: Buch einer Schreibkollegin im Tintenzirkel
woher: Buchhandlung Kuppitsch (ebook)

Eines kurz vorweg: Wie oben schon angedeutet, möchte ich nicht verschweigen, dass ich die Autorin aus dem Tintenzirkel
kenne. Da wir lediglich Forenkolleginnen sind und ich auch als
unbedarfte Leserin an den Roman herangegangen bin, habe ich mich dazu entschlossen, eine normale Rezension zu schreiben, keine reine Buchvorstellung.
Ein Stipendium für eine Foto-Akademie bringt die deutsche Studentin Blanca nach Arequipa. Doch sie ist nicht nur zum Fotografieren hier, sondern auch, um sich auf die Spuren ihrer Urgroßmutter Guadalupe zu begeben. Diese ist einst dem Fotografen Max in seine Heimat nach Deutschland gefolgt, in den Wirren des Zweiten Weltkriegs aber nach Peru zurückgekehrt. Seither hat sich ihre Spur verloren und ihre Familie hat nie wieder von ihr gehört. Blanca versucht nun herauszufinden, was damals passiert ist und weshalb Guadalupe nie einen der Briefe beantwortet hat.
Ein fernes Land und Rätsel in der Vergangenheit – das sind keine ungewöhnlichen Romanzutaten, aber meistens wird man dabei als Leser mit nach Australien oder Neuseeland genommen, manchmal auch nach Afrika oder Asien. Südamerika und besonders Peru sind dagegen eher seltene literarische Reiseziele. Völlig zur Unrecht, wie Sabrina Železný mit diesem Buch beweist: Sie beschreibt hier Arequipa so anschaulich mit all seinen Farben, Geräuschen und Gerüchen, dass ich beinahe das Gefühl hatte, mich zusammen mit Blanca in der Andenstadt zu befinden. Bei der Lektüre besteht also akute Fernwehgefahr.
Obwohl es sich bei „Das Geheimnis des Mahagonibaums“ um keinen Krimi handelt, bin ich nur so durch die Seiten geflogen, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht. Nicht nur die Rätsel um Guadalupe haben mich gefesselt, sondern auch die sehr gelungene Vermischung mehrerer Ebenen in dem Roman.
So gibt es mithilfe von Tagebucheinträgen und Briefen einige Ausflüge in die Vergangenheit und in das Leben von Guadalupe. Auf diese Weise wird Peru in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg zum Leben erweckt, auch wenn die Tagebucheinträge ein wenig gekünstelt wirken – sie klingen weniger wie etwas, das tatsächlich jemand in ein Tagebuch schreiben würde, sondern dienen klar als Informationen für die Leser.
Blanca wird bei ihrer Suche von Emilio, einem Mitarbeiter der Akademie, unterstützt und mit ihm kommt eine weitere Ebene mit ins Spiel: Emilio kommt aus dem Hochland und ist unter dem Schatten der Terror-Organisation „Leuchtender Pfad“ aufgewachsen. Durch Rückblicke werden die Schrecken der damaligen Zeit geschildert, aber auch Rassismus in der Gegenwart wird nicht verschwiegen. Diese gesellschaftskritische Komponente, die gewissermaßen einen Kontrapunkt zu den strahlenden Farben und hellen Kolonialbauten in Arequipa setzt, hat mir sehr gut gefallen.
Ebenfalls sehr gut gefallen haben mir die sehr sanften und warmherzigen Töne des Romans. Diese zeigen sich in Blancas Charakter, in der Art, wie Sabrina Železný von Peru schreibt und auch in der zarten Annäherung zwischen Blanca und Emilio. Trotz der Gräueltaten des Leuchtenden Pfades und den Konflikten, die auch noch in der Gegenwart bestehen, ist das Buch wie eine warme Decke, in die man sich hüllen kann. Vielleicht gerade auch wegen der Schattenseiten, die angesprochen werden; es entsteht nicht der Eindruck einer kitschigen Friede-Freude-Eierkuchen-Situation, stattdessen gibt es Probleme und Grenzen, die aber (zumindest zum Teil) überwunden werden können, wodurch ein optimistischer Grundton mitschwingt.
Gestört hat mich nur, dass der Roman eher vorhersehbar war. Mir war schnell klar, worauf das alles hinausläuft und wer hier Dreck am Stecken hat. Dass Blanca ziemlich lange braucht, bis sie das ebenfalls erkennt, war beim Lesen etwas mühsam. Das ist ein Problem, dass in Büchern häufig dadurch entsteht, dass man als Leser den Überblick von außen hat, während die Figuren selbst zu tief drinstecken und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Zum Glück hilft Blanca dann genau so ein Blick von außen auf die Sprünge und die Missverständnisse werden also nicht zu breit ausgewalzt.
Abgesehen von diesem Kritikpunkt habe ich aber meine Zeit mit Blanca in Peru sehr genossen und wäre gern noch länger mit ihr dort geblieben. Beim Lesen war ich sogar so vertieft in den Roman, dass ich beinahe meine Zugstation verpasst hätte. Besonders gut hat mir das Ende gefallen, das schön und befriedigend ist, aber nicht kitschig und das einfach ein gutes Gefühl in mir zurückgelassen hat.
Trotz kleiner Schwächen also ein sehr gelungener Roman, der mir viel Freude bereitet hat.

Leave a Reply

Your email address will not be published.