erschienen bei dtv
woher: Geschenk von Lyne (Gewinnspiel)
Nobelpreis-Challenge
In diesem Frühwerk erzählt John Steinbeck von einem idyllischen Tal im Süden Kaliforniens, das ein Korporal im 18. Jahrhundert zufällig entdeckt. Ihm erscheint das Tal wie das Paradies und auch die ersten Siedler sind begeistert von dem fruchtbaren Boden und der Schönheit der Landschaft. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, und das zeigt sich in den Einzelschicksalen, von denen Steinbeck erzählt.
„Das Tal des Himmels“ wird in Episoden erzählt: In jedem Kapitel steht ein Mensch oder eine Familie aus dem Tal im Mittelpunkt. Das erinnert ein wenig an Die Straße der Ölsardinen, ist in der Umsetzung aber doch ganz anders, da „Das Tal des Himmels“ fast etwas von einer Kurzgeschichtensammlung hat. Jedes Kapitel hat einen klaren Spannungsbogen und erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte. Verknüpft werden diese Geschichten durch wiederkehrende Nebenfiguren und durch ein wichtiges Element, das mir erst relativ spät aufgefallen ist, obwohl am Anfang klar darauf hingewiesen wird. Für mich war das ein richtiges Aha-Erlebnis, daher möchte ich hier auch nicht mehr darüber schreiben.
Mir hat aber nicht nur die Struktur als ganzes gefallen, sondern auch jedes einzelne Kapitel für sich. John Steinbeck schafft es wieder einmal, einzigartige Figuren mit wenigen Sätzen zu charakterisieren. Natürlich sind sie nicht so vielschichtig wie seine Hauptfiguren in Jenseits von Eden, die ein paar hundert Seiten Zeit haben, um sich zu entwickeln. Aber dafür, dass nur so wenig Raum bleibt, um sie einzuführen, werden sie erstaunlich lebendig und ich habe auch in Windeseile mit ihnen mitgefühlt – ganz unabhängig davon, ob sie mir sympathisch waren oder nicht.
Es handelt sich – wie oft bei Steinbeck – meist um Menschen, die eher am Rande der Gesellschaft stehen. Viele von ihnen ruhen dennoch ganz in sich und haben kein Problem mit ihrer Außenseiterrolle. Leider hat aber umgekehrt das Umfeld meist ein Problem mit ihnen und gibt ihnen überhaupt erst das Gefühl, dass das Leben, so wie sie es führen, nicht in Ordnung ist. Das ist nicht immer das Thema der Episoden, zieht sich aber doch wie ein roter Faden durch das Buch.
Anders als bei der „Straße der Ölsardinen“ handelt es sich hier nur um einen Wohlfühl-Roman und die Dinge entwickeln sich in fast allen Kapiteln eher zum Negativen. Dadurch hatte ich in vielen Episoden das Gefühl einer unterschwelligen Bedrohung schon zu einem Zeitpunkt, als für die Figuren das Leben noch in Ordnung war.
Mich hat das nicht gestört, eher im Gegenteil: Die Geschichten entwickeln dadurch einen richtigen Sog und geben einem auch viel Stoff zum Nachdenken. Wenn man allerdings mit traurigen Enden nicht so viel anfangen kann, ist das vielleicht nicht so ganz das richtige Steinbeck-Buch.
Mir persönlich hat es aber sehr gut gefallen und ich bin erneut voller Bewunderung für die meisterhaften Charakterzeichnungen von John Steinbeck. Wenn ein Autor es schafft, einem innerhalb von wenigen Seiten die Figuren so nahezubringen, dass man sie sich sofort vorstellen kann und mit ihnen mitleidet, ist das ein sehr beeindruckendes schriftstellerisches Können.
Meiner Meinung nach ein sehr empfehlenswerter Roman und für mich ein weiteres Lesehighlight – wie alle Werke, die ich bislang von Steinbeck gelesen habe.
Klingt gut – hiermit auf die Leseliste gesetzt. 🙂