Lesegeplauder

Zehn Bücher, die mein Lesen verändert haben

Da ich schon wieder vergessen habe, ein Gewinnspiel für den Welttag des Buches vorzubereiten, möchte ich anlässlich des heutigen Tages wenigstens einen Beitrag schreiben, der mir schon seit einer Weile im Kopf herumspukt: Ich werde zehn Bücher beleuchten, die in irgendeiner Weise mein weiteres Leseverhalten verändert haben – etwa, dass ich ein neues Genre kennengelernt oder mir eine andere Art des Lesens erschlossen habe.
Kurt Held – Die rote Zora und ihre Bande
Soweit ich mich erinnern kann, war das das erste Buch in meinem Leben, mit dem im zunächst gekämpft habe. Ich muss acht oder neun Jahre alt gewesen sein, als ich es gelesen habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon unzählige Bücher (von „Bille und Zottel“ über die Serien von Enid Blyton bis hin zu Astrid Lindgren) gelesen, in die ich aber stets auf Anhieb hineingefunden habe. „Die rote Zora“, ein Buch, das meiner Mutter gehört hatte, war für mich aber in dem Alter vom Einstieg her schwierig. Straßenkinder in Jugoslawien um 1940 – das war für mich als Kind sehr fremd und mit vielen Namen/Begriffen konnte ich nichts anfangen. Ich war aber damals immer so verzweifelt auf der Suche nach neuem Lesestoff, dass ich dennoch weitergelesen und das Buch dann schnell lieben gelernt habe. Was mir dieser Roman (neben einer tollen Geschichte) mitgegeben hat, war Geduld und die Bereitschaft, einem Buch auch dann eine Chance zu geben, wenn der Einstieg sperrig und das Äußere nicht allzu einladend ist.

 


Agatha Christie – Das Böse unter der Sonne
Im Sommer, bevor ich ins Gymnasium kam (ich war damals also gerade zehn Jahre alt geworden) besuchten wir meine Tante, die damals in der Nähe von Cambridge wohnte. Mitten im Urlaub ging mir der Lesestoff aus und da ich vor Ort mangels Englischkenntnissen auch nur schlecht mit neuem versorgt werden konnte, gab meine Mutter mir das Buch, das sie selbst mitgebracht hatte: Agatha Christies „Das Böse unter der Sonne“. Ich hatte schon vorher sehr gern Detektivserien wie „Die fünf Freunde“, „Die schwarze Sieben“ und „Trixie Belden“ gelesen, aber das war mein erster Kontakt mit Erwachsenenkrimis. Danach las ich mich zuhause quer durch das Agatha-Christie-Angebot der Bibliothek – und entwickelte in dieser Zeit eine Begeisterung für Cozy mysteries, die im Grunde bis heute anhält.

 

Wolfgang Hohlbein – Unterland
Als junger Teenie mit etwa zwölf Jahren geriet ich in eine Lesekrise. Für meine geliebten Kinderbuchserien fühlte ich mich allmählich zu alt, aber in der Erwachsenenliteratur fühlte ich mich abseits von Krimis noch nicht sehr zuhause. Da damals das Angebot an Jugendbüchern in der Bibliothek kaum vorhanden war (es gab nur ein paar Teenie-Problembücher, die mich nicht interessierten), saß ich etwas verloren zwischen den Stühlen der Kinder- und Erwachsenenbücher. In dieser Krise lieh mir eine Klassenkameradin Hohlbeins „Unterland“ und ich war begeistert. 800 Seiten Spannung und Abenteuer mit einem jugendlichen Protagonisten. Ich war im Lesehimmel! Danach las ich mich nicht nur quer durch Hohlbeins Romane, sondern hatte auch das Genre Fantasy für mich entdeckt. In der Bibliothek entdeckte ich nämlich in einem so betitelten Regal irgendwo im letzten Eck Hohlbein und andere Autoren.
Strenggenommen habe ich auch schon als Kind Bücher gelesen, die in dieses Genre fallen (z.B. Michael Endes „Die unendliche Geschichte“), aber erst jetzt griff ich bewusst dazu.
J.R.R. Tolkien – Der Herr der Ringe
Nach der Entdeckung der Fantasy dauerte es noch gut zwei Jahre, bis ich endlich den Klassiker dieses Genres zur Hand nahm. Es lässt sich nur schwer in Worte fassen, was diese Trilogie damals für mich bedeutete. Tolkiens Schrebstil und Mittelerde saugten mich in sich auf und ich war von der Tiefe dieser Welt völlig überwältigt. Als ich mit dem Buch zu Ende war, hatte ich das Gefühl, dass ich nie wieder etwas lesen würde, was diesem gleichkommt. Ab da las ich mich kreuz und quer durch verschiedene Spielarten der Fantasy – immer auf der (vergeblichen) Suche nach einem zweiten Tolkien.
Gewissermaßen stürzte mich „Der Herr der Ringe“ also in eine weitere Lesekrise, aber er war auch der Anstoß zu meinem eigenen Weltenbasteln (Fantasy hatte ich schon vorher geschrieben, aber nur mit sehr simplen Hintergrundwelten).

 

 

Margaret Atwood – Der Report der Magd
Ich war etwa fünfzehn Jahre alt, als mir in der Bibliothek der Roman „Katzenauge“ in die Hände fiel. Da er mir sehr gut gefiel, griff ich danach zu einem weiteren Buch der Autorin – zu „Der Report der Magd“. Ich hatte keine Ahnung, dass es sich bei Atwood um eine preisgekrönte Autorin und bei dem Buch um einen Bestseller handelte, der bereits verfilmt worden war. Ich wusste nur, dass mich der Roman völlig überwältigte und mir das Tor zur Gegenwartsliteratur öffnete. Ich hatte ja schon immer viele verschiedene Genres ausprobiert und auch den Großteil meiner Schullektüre gern gelesen, aber „Der Report der Magd“ (und Ransmayrs „Die letzte Welt“, das ich etwa zur selben Zeit las) war ausschlaggebend, dass ich bewusst nach vergleichbarer Lektüre Ausschau hielt.
Johann Wolfgang von Goethe – Faust I
Ebenfalls im Alter von fünfzehn Jahren entdeckte ich durch den Deutschunterricht „Faust“. Obwohl ich Klassikern gegenüber immer schon recht aufgeschlossen gewesen war, war dieses Werk in meinem Kopf ein Schreckgespenst, vor dessen Lektüre ich Respekt hatte. Ich stellte dann aber fest, dass ich die Tragödie spannend zu lesen fand und mir die intensive Beschäftigung damit im Unterricht Spaß machte. „Faust“ war maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass ich mich für ein Germanistikstudium entschied – und meine Angst vor Klassikern der Weltliteratur ablegte (was nicht heißt, dass ich im Studium immer alle gerne gelesen habe).

 

 

Joanne K. Rowling – Harry Potter and the Order of the Phoenix
Als der fünfte Harry Potter 2003 erschien, wollte ich nicht auf eine deutsche Übersetzung warten und griff daher zum englischen Original. Es war seit meiner Schulzeit das erste Buch, das ich auf Englisch las – und auch in der Schule hatten wir im Englischunterricht kaum Bücher gelesen. Der Einstieg war daher eine ziemliche Qual und es dauerte lange, bis ich einigermaßen in die Sprache hineinfand. Aber knapp 800 Seiten später ging es mir dann mit der Sprache schon deutlich besser und von da an griff ich immer wieder nach englischen Büchern.

 

Birgit Brandau, Hartmut Schickert – Hethiter. Die unbekannte Weltmacht
Im Sommer 2005 war ich mit einer Freundin bei deren Oma in der Schweiz, die gerade dieses Buch las und es mir ans Herz legte. Ich blätterte ein wenig hinein und war interessiert, aber es dauerte zwei Jahre, bis ich mir das Buch dann auch selbst kaufte. Obwohl mich Antike und frühe Hochkulturen schon seit meiner Kindheit faszinierten, war es das erste Mal, dass ich ein Sachbuch zu diesem Thema las. Es zeigte mir außerdem, dass ein Sachbuch ebenso spannend zu lesen sein kann wie Belletristik. Zwar hatte ich in meiner Jugend schon einige Biografien und außerdem zahlreiche Pferdesachbücher gelesen, aber gerade mit Beginn des Studiums war Fachliteratur für mich zu reiner Recherchelektüre und Prüfungsvorbereitung geworden. „Hethiter. Die unbekannte Weltmacht“ war daher seit Jahren das erste Sachbuch, das ich in der Freizeit las. Danach las ich zumindest sporadisch Sachbücher, bis ich mit Winterkatzes erster Sachbuch-Challenge endgültig in dieses „Genre“ hineinkippte.

 

 

Jostein Gaarder – Die Frau mit dem roten Tuch
Ich hatte als Kind immer sehr gern Hörspiele gehorcht, aber Hörbücher blieben mir lange verschlossen. Ich versuchte ein paarmal, welche zu lesen, aber ich konnte mich nie richtig darauf konzentrieren. Dann entdeckte ich 2010 das Knüpfen wieder für mich und stellte fest, dass ich mich währenddessen prima auf Hörbücher konzentrieren konnte. „Die Frau mit dem roten Tuch“ war das erste von vielen, das ich mir aus der Bibliothek auslieh (bis dann 2012 ein Audible-Abo dazukam).

 

Oliver Plaschka – Die Magier von Montparnasse
So wie das vorige Buch ist auch dieses eines, das weniger inhaltlich als eher von der Form her prägend war: Es war das erste Ebook, das ich gelesen habe. 
In den letzten Jahren habe ich mein Leseverhalten also vor allem in punkto Technik erweitert und bin vom reinen Printbuch weggekommen, während ich weiterhin die Genres lese, die ich mir im Laufe der früheren Jahre erschlossen habe.
Habt ihr auch solche Bücher, die für euch die Entdeckung eines neuen Genres darstellen oder die bei euch das Leseverhalten in irgendeiner Weise dauerthaft geprägt haben? 

7 thoughts on “Zehn Bücher, die mein Lesen verändert haben

  1. Schöner Beitrag! Und so viele Bücher, die ich (ich muss es gestehen) nicht kenne. So einen Beitrag könnte ich auch mal bringen, auch wenn ich glaube, dass unter den 10 Büchern mindestens 3 von John Irving dabei wären… 😀

  2. Schöner Beitrag!
    Bei mir war das mit der Roten Zora ähnlich, da müsste ich etwa im selben Alter gewesen sein, eigentlich noch viel zu jung für das Buch. Ich glaube, ich habe es auch zwei oder drei Mal angefangen. Meine Ausgabe sieht ähnlich unattraktiv aus, nur in blau 😉 Allerdings kannte ich damals schon einige Folgen einer TV-Serie zu dem Buch, leider eben nicht alle, und erst recht nicht das Ende. Das war dann doch ein guter Ansporn für mich, das Buch dann doch noch vollständig zu lesen.

    Und Hörbücher zum Knüpfen sind einfach ideal, lange Zeit war diese Kombination eine meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen. Seit 2013 ist allerdings nichts Neues zu meiner Bändersammlung dazugekommen, mit der Handtasche bin ich auch nicht wirklich weiter, und Hörbücher höre ich meist nur noch zur Hausarbeit…

    1. Die TV-Serie hab ich nie gesehen – aber ja, so etwas ist ein sehr guter Ansporn.
      Meine Mutter und meine älteste Schwester haben das Buch halt auch etwa in dem Alter gelesen und ich habs dann auch toll gefunden, als ich mal reingefunden hatte, aber inzwischen wird es erst ab 10 empfunden, glaube ich.

      Ich hatte auch eine Zeit, in der Knüpfen und Hörbuch hören für mich eine regelmäßige Abendbeschäftigung war. In letzter Zeit habe ich aber leider auch kaum noch etwas geknüpft.

  3. Sehr interessant, dass du deine "einflussreichen" Bücher so klar benennen kannst. Bei mir ist das nicht so einfach, ich könnte höchstens von Karl May "Der Fremde aus Indien" aufführen, denn das war der erste "richtige" Romane, den ich gelesen habe, und hat damit zu meinem unbändigen Lesebedürfnis geführt.

    1. Also ich kann jetzt nicht sagen: Genau diese Bücher waren für mich einflussreich und sonst keine. Aber sie sind auf jeden Fall welche, die mir klar im Gedächtnis geblieben sind und die auf irgendeine Weise auch einen Wendepunkt für mich markieren. Manche waren halt richtige "Augenöffner".

  4. Habe eben durch Zufall diese Seite entdeckt und mich riesig gefreut, hier als einzige mit einem Sachbuch vertreten zu sein. Danke!

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