erschienen bei Penguin Audio
19 Stunden 39 Minuten (ungekürztes Hörbuch)
gelesen von Euan Morton
Nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater verschlägt es Blaise aus dem kriegerischen Gorhaut in den Süden nach Arbonne, wo er sich als Söldner verdingt. Anfangs hat er Schwierigkeiten mit der fremden Kultur des Landes, in dem Frauen herrschen und Troubadoure verehrt werden und man an eine Göttin glaubt, aber allmählich wird er immer tiefer in die Politik von Arbonne hineingezogen. Bald holt ihn auch seine eigene Vergangenheit ein und er muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht.
„A Song for Arbonne“ ist meiner Meinung nach einer der besten Romane von Guy Gavriel Kay. Er erzählt eine Geschichte, bei der man am Anfang nicht recht weiß, wo sie hinführen wird, die sich allmählich entfaltet und bei der schließlich alle Fäden harmonisch zusammenlaufen. Es gibt Intrigen und unerwartete Wendungen, die auch erfahrene Kay-Leser teilweise noch überraschen dürften.
Mit Blaise hat Kay einen sehr interessanten Protagonisten erschaffen. Anfangs engstirnig, arrogant und unbedacht wirkt er zunächst nicht sehr sympathisch. Dennoch fällt es nicht schwer, sich in ihn hineinzuversetzen und im Laufe des Romans macht er eine große, aber dennoch glaubwürdige Entwicklung durch.
Aber auch die anderen Perspektiventräger und Nebenfiguren sind sehr gut gelungen. Da sind auf der einen Seite Signe de Barentain, Gräfin von Arbonne, und ihr Umfeld; auf der anderen Seite der Umkreis des Königs von Gorhaut. Auch wenn die Sympathien klar bei Arbonne liegen und die Führungsriege von Gorhaut tendentiell eher als die „böse“ Seite dargestellt wird, gibt es keine schwarz-weiß-Malerei und die meisten Figuren bekommen Gelegenheit, unterschiedliche Seiten von sich zu zeigen. Am einseitigsten erscheint noch Galbert de Garsenc, Hohepriester von Gorhaut, der seinen Glauben in Arbonne auch mit Gewalt verbreiten möchte, aber er ist weit mehr als nur ein religiöser Fanatiker und es zeigt sich erst nach und nach, wo er überall seine Fäden zieht.
Bertran de Talair, einer der einflussreichsten Adeligen von Arbonne, ist vielleicht die typischste Kay-Figur – der vermeintliche Tunichtgut und Frauenheld, der nach und nach hinter die Fassade blicken lässt. Er erinnert mich sowohl an Ammar ibn Khairan (The Lions of Al-Rassan) als auch an Prinz Diarmuid (A Fionavar Tapestry), ist aber dennoch eine eigenständige Figur. Die Freundschaft, die sich langsam zwischen ihm und Blaise entwickelt, wird sehr schön dargestellt – so wie überhaupt Freundschaften in diesem Roman einen hohen Stellenwert haben. Daneben kommt auch Liebe nicht gänzlich zu kurz, wobei aber die Liebesgeschichten sehr im Hintergrund bleiben.
Neben der ganzen politischen Seite, die gute Einblicke in die Entstehung eines (Religions-)Krieges bietet, kommt mit den Troubadouren auch eine künstlerische Seite mit ins Spiel. Musik nimmt einen großen Raum im Buch ein und es gibt auch eine Perspektiventrägerin unter den Sängern. Es ist interessant, wie Kunst und Politik ineinander verschränkt werden – zusammengehalten durch Bertran de Talair, der selbst ein Musiker ist und dessen Lied über ein vergangenes politisches Abkommen mit ein Grund für den Krieg ist.
Ich habe diesen Roman nicht zum ersten Mal gelesen, aber er hat mich ein weiteres Mal gefesselt und emotional gefangen genommen. Wie oft bei Kay herrscht eine eher melancholische Stimmung und es gibt auch einige tragische Szenen. Da die Nebencharaktere so gut ausgearbeitet sind, hatte ich auch beim Tod einer eher unbedeutenden Figur mit den Tränen zu kämpfen. Neben den vielschichtigen Figuren mag ich besonders das Setting, das vom Albigenserkreuzzug inspiriert ist und praktisch ohne Magie auskommt.
Es war nun das erste Mal, dass ich das Buch auf Englisch gehört habe und ich hatte anfangs ein wenig Schwierigkeiten, in die Sprache hineinzufinden – was auch am leichten schottischen Akzent des Sprechers liegen mag. Mit der Zeit bin ich dann aber gut hineingekommen und ich finde, dass Euan Morton nicht nur die Geschichte sehr gut liest, sondern auch die enthaltenen Lieder sehr gut singt. Da ich das Buch auf Deutsch schon einige Male gelesen habe, hatte ich manche Passagen noch im Kopf und mir ist aufgefallen, dass die Übersetzung teilweise weniger gut ist, als ich gedacht hätte. Guy Gavriel Kay hat durchaus einen anspruchsvollen Schreibstil, aber auf Deutsch sind manche Formulierungen doch deutlich umständlicher ausgefallen. Daher hat es sich auf jeden Fall gelohnt, den Roman endlich mal im Original zu lesen.
Letztendlich kann ich „A Song for Arbonne“ aber sowohl auf Englisch als auch in der Übersetzung nur wärmstens empfehlen. Es ist einmal ein Fantasyroman der etwas anderen Art und meiner Meinung nach ein sehr guter Einstieg in die Werke von Kay.