Christoph Ransmayr – Cox oder Der Lauf der Zeit
China im 18. Jahrhundert:
Mit gewohnter Sprachgewalt schildert Ransmayr, wie sein fiktiver Protagonist Alister Cox (der an den englischen Uhrmacher James Cox angelehnt ist) das für ihn so fremdartige Leben am chinesischen Hof wahrnimmt. Cox, der gegen seine eigenen Dämonen kämpft, soll hier eine Reihe von Uhren konstruieren, durch die sich die unterschiedlich wahrgenommenen Geschwindigkeiten von Zeit darstellen lassen. Als krönender Abschluss soll schließlich ein Perpetuum Mobile dienen, eine ewig laufende Uhr. Damit gerät Cox in ein Dilemma, das über die technische Frage, welches Räderwerk eine solche Uhr in Gang halten kann, hinausgeht: Kann er den Auftrag nicht erfüllen, droht ihm der Tod; aber zugleich wäre eine Uhr, die über die Lebzeit des „ewigen Kaisers“ hinaus läuft, ein unglaublicher Frevel.
„Cox“ ist ein ganz wunderbarer Roman, der mit feinsinnigen Worten nicht nur das höfische Leben in der Verbotenen Stadt, sondern auch die faszinierenden mechanischen Kunstwerke von Cox beschreibt. Vielleicht eines der stillsten, zugleich aber auch eines der zugänglichsten Werke von Christoph Ransmayr.
Alexandra Tobor – Minigolf Paradiso
In den Sommerferien 1997 findet die sechzehnjährige Malina heraus, dass ihr Großvater nicht vor vielen Jahren ertrunken ist, wie sie immer dachte. Stattdessen lebt Alois Dudek als Losbudenverkäufer und Betreiber einer Minigolfanlage gleich in der Nähe von Malina. Als sie ihn besucht, muss sie aber feststellen, dass Alois kein Vorbild-Opa, sondern ein Gauner und Lügner ist. Einige Verstrickungen führen dazu, dass Opa und Enkeltochter sich auf einen Roadtrip begeben: in die polnische Heimat und damit in eine Vergangenheit, die Malinas Eltern totschweigen wollen.
„Minigolf Paradiso“ ist eine sehr schräge Roadnovel, die nicht nur eine Reise erzählt, sondern einen auch – mehr oder weniger nostalgisch – zurückversetzt in die 90er Jahre.
Emma Donoghue – Kissing the Witch
In dieser Kurzgeschichtensammlung, die erstmals 1997 publiziert wurde, betrachtet Emma Donoghue bekannte Märchen (von Aschenputtel über die Gänsemagd bis hin zur kleinen Meerjungfrau) aus einer neuen, feministischen – und meist queeren – Perspektive. Dabei beschränkt sie sich nicht auf oberflächliche Änderungen und ein simples Ersetzen des Prinzen mit einer Prinzessin, sondern dringt zum inneren Kern der Märchen vor und erzählt von diesem ausgehend eine Geschichte, in der man die Ursprungsversion mal stärker und mal nur schwach durchscheinen sieht.
Das Hauptthema in ihren Geschichten ist Selbstverwirklichung und das Erkennen des eigenen, wahren Ichs. Teilweise geht es auch um Liebe, aber diese steht selten im Fokus.
Alle Geschichten sind in der Ich-Perspektive aus weiblicher Sicht geschrieben und werden insofern ineinander verwoben, weil immer eine Nebenfigur aus der vorigen Geschichte zur Hauptfigur der nächsten wird. Das war leider der Punkt, der mich ziemlich gestört hat, da auf diese Weise mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. In vielen Fällen wollen die Geschichten nämlich nicht recht ineinander greifen und die Vorgeschichte der Figur passt nicht zu der Rolle, die sie später einnimmt. Ich hätte es tatsächlich gelungener gefunden, wenn die Kurzgeschichten einfach ohne Überleitung für sich stehen würden. Einzeln betrachtet haben sie mir nämlich großteils sehr gut gefallen, auch wenn sich manche Motive für mich etwas zu sehr wiederholt haben. Alles in allem also sehr interessante Neuinterpretationen von Märchen, die mich aber in dieser Form nicht gänzlich überzeugen konnten.