Historisch Rezensionen

Diane Setterfield – Was der Fluss erzählt

erschienen bei Random House Audio
ungekürzte Lesung, gelesen von Simone Kabst

Während einer stürmischen Winternacht Ende des 19. Jahrhunderts sitzen im „Swan“ die Bewohner von Radcot zusammen und vertreiben einander die Zeit mit Geschichten, als ein Mann mit einem leblosen Kind im Arm hereinstolpert, das er aus der Themse gerettet hat. Die örtliche Krankenschwester Rita hält das Kind für tot, aber als sie später noch einmal nach ihm sieht, atmet es wieder. Wunder oder Zauberei oder war das Kind nie tot? Und woher kommt das seltsame Mädchen? Handelt es sich gar um einen Flussgeist?

„Was der Fluss erzählt“ ist eine ganz wundervolle düster-märchenhafte Geschichte, die selbst wie ein Fluss dahinmäandert. Und wie Nebenarme in die Themse münden auch in die Geschichte zahlreiche Nebenhandlungen, werden damit verflochten, werfen neue Fragen auf und führen Menschen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ich hatte unglaublich viel Freude mit diesem Roman und seinem ruhigen, fast legendenhaften Erzählton.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist das Mädchen, das der Fotograf Henry Daunt aus dem Fluss gezogen hat. Nach seiner rätselhaften Rückkehr ins Leben entstehen die unterschiedlichsten Spekulationen um das Mädchen, manche denken gar an die Legende vom Fährmann Quietly. Aber die Krankenschwester Rita hält nichts von diesem Aberglauben und beginnt mit Daunt der Sache auf den Grund zu gehen. Und dann wird die Sache noch komplizierter als gleich mehrere Menschen in dem Kind ihre vermisste Tochter bzw. Schwester zu erkennen glauben. So werden rund um das Mädchen viele Figuren, Nebenplots und Rätsel eingeführt und zunächst ist nicht klar, wie alles zusammenhängt, aber nach und nach fügen sich die einzelnen Teile ineinander. Es dauerte bis zum Ende, bis mir alle Zusammenhänge klar wurden, und bis dahin gab es einige Überraschungen und unerwartete Wendungen.

Neben dem wunderschönen, etwas altmodischen Erzählstil und der fesselnden Handlung wissen auch die Figuren zu überzeugen. Diane Setterfield gestaltet nicht nur die Haupt-, sondern auch die Nebenfiguren sorgfältig aus, füllt sie mit Leben und beschreibt sie so liebevoll, dass ich sie schnell ins Herz schloss. Nun ja, nicht alle, denn ein paar haben wahrlich dunkle Abgründe zu bieten, so wie auch die Geschichte selbst mitunter ganz schön düster ist.

Trotzdem hatte ich bei diesem Hörbuch, das sehr stimmungsvoll von Simone Kabst gelesen wird, ein wenig das Gefühl, als würde mich die Geschichte wie eine warme Decke umhüllen. Sie ist ganz anders als Diane Setterfields „Die dreizehnte Geschichte“, hat mich aber ebenso begeistert. Nicht nur eines meiner Lesehighlights 2020, sondern eines meiner liebsten Bücher der letzten Jahre.

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