Phantastisch Rezensionen

Erin Morgenstern – Das sternenlose Meer

erschienen bei Blessing

Als Zachary Ezra Rawlins für seine Dissertation recherchiert, findet er ein seltsames Buch, das zahlreiche Geschichten enthält, darunter auch ein Erlebnis aus Zacharys eigener Kindheit. Die Verbindung aller Geschichten scheint das sternenlose Meer zu sein – eine geheimnisvolle Welt voller Bücher, die durch mehrere versteckte Türen betreten werden kann. Bald wird Zachary bewusst, dass er nicht der einzige ist, der einen Weg in diese Welt sucht.

Erin Morgensterns Debüt „Der Nachtzirkus“ gehört zu den besten Büchern, die ich je gelesen habe, und so war ich sehr gespannt auf ihren nächsten Roman. Ich habe versucht keine zu hohen Erwartungen zu haben, muss aber ehrlicherweise sagen, dass ich trotzdem enttäuscht wurde.

„Das sternenlose Meer“ beginnt mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Geschichtenanfängen, bei denen zunächst nicht klar ist, wie diese zusammenhängen. Der Einstieg in den Roman ist daher nicht ganz einfach, aber als Zachary schließlich einen Weg in den Hafen am sternenlosen Meer findet, scheint sich allmählich alles zusammenzufügen. Zu diesem Zeitpunkt war ich von dem Roman begeistert. Die unterirdische Welt wird wunderbar beschrieben – hier spielt Erin Morgenstern eine ihrer großen Stärken aus, nämlich Atmosphäre und magische Welten zu erschaffen. Es war außerdem sehr befriedigend, wie die einzelnen Fäden nach und nach aufgenommen und miteinander verknüpft werden. Einige Motive und Figuren tauchen in immer neuen Varianten und Inkarnationen auf, wodurch man sehr schön miträtseln und die entsprechenden Verbindungen ziehen kann. Ich hatte mehrere Aha-Erlebnisse und war sehr gespannt, wohin sich die Geschichte weiter entwickeln würde.

Leider wurde es für mich danach enttäuschend. Die Autorin spielt sehr viel mit Metaphern und Symbolen, dazu erschafft sie phantasievolle Bilder und Welten. Allerdings bekommt man für vieles keinerlei Erklärung, was manchmal den Eindruck der Beliebigkeit erweckt. Was genau hat es mit den Symbolen Schwert, Schlüssel, Krone, Herz, Feder und  Biene auf sich, die beinahe inflationär häufig auftauchen? Wieso spielen überhaupt Bienen und Honig eine so große Rolle? Es gibt sehr viele Rätsel und Fragen, auf die man nie eine wirklich Antwort bekommt, auch wenn man für vieles natürlich eigene Interpretationen finden kann.

Vielleicht hätte mich das gar nicht so sehr gestört, wenn ich eine emotionale Bindung zu den Figuren entwickelt und mit diesen mitgefiebert hätte, aber obwohl ich Zachary anfangs mochte, blieb er für mich als Figur im Laufe des Romans sehr schwammig. Mir war seine Motivation nicht wirklich klar – ein Problem, das ich mit mehreren Figuren hatte. Dass sich zwischen Zachary und Dorian, der ihm dabei hilft das sternenlose Meer zu finden, eine Art Liebe auf den ersten Blick entspinnt, verstärkte für mich dieses Problem noch. Ich konnte die Gefühle zwischen ihnen nicht spüren und daher ließ mich diese Liebesgeschichte ziemlich kalt.

Das bedeutet nicht, dass ich „Das sternenlose Meer“ schlecht gefunden hätte. Ich mochte nicht nur den Mittelteil sehr gern, in dem Zachary erstmals die magische Welt erkundet, sondern auch die Szenen, die am Campus in der realen Welt spielen. Zacharys Studienfreundin Kat war für mich beinahe die interessanteste Figur, auch wenn sie leider nur eine Nebenrolle spielt. Außerdem stecken in dem Roman sehr schöne Ideen. Ich kann durchaus nachvollziehen, weshalb viele von „Das sternenlose Meer“ begeistert sind. Wenn man das ungewöhnliche Konzept dieses Romans mit den vielen ineinander verwobenen Geschichten mag und sich ganz auf die Magie einlässt, ohne Antworten auf alles zu suchen, dann ist das ein wunderbarer Fantasyroman! Ich persönlich hätte mir einfach mehr geradlinige Plotstruktur gewünscht und mehr Antworten. Es ist zwar schön, wenn Raum für Fantasie und eigene Interpretationen bleibt, aber für mich war es nahezu frustrierend, dass am Ende so vieles offen bleibt.

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