Guillermo Martínez – Der langsame Tod der Luciana B.
Zehn Jahre sind vergangen, seit der Ich-Erzähler seine ehemalige Assistentin Luciana zuletzt gesehen hat. Damals diktierte er ihr seinen Roman, weil er wegen einer Handverletzung nicht schreiben konnte. In diesen zehn Jahren musste Luciana einige Schicksalsschläge verkraften: Zuerst starb ihr Verlobter, dann ihre Eltern, dann ihr Bruder. Doch anders als die Polizei glaubt sie nicht, dass es sich dabei um Unfälle handelte. Vielmehr glaubt sie, dass es sich um einen perfiden Racheplan des berühmten Krimiautors Kloster handelt, den sie einst wegen sexueller Belästigung angezeigt hat.
Die Ausgangssituation von „Der langsame Tod der Luciana B.“ fand ich sehr spannend und auch das dann folgende Spiel mit den Wahrheiten hat mir gut gefallen. Trotzdem war das insgesamt ein eher durchwachsenes Leseerlebnis. Abgesehen davon, dass ich den Ich-Erzähler ziemlich unsympathisch fand und das Frauenbild in dem Roman aus den 50er Jahren stammen könnte, hat mich auch das offene Ende enttäuscht. Eine tolle Idee, deren Umsetzung mir aber leider nicht besonders gut gefallen hat.
Lenz Koppelstätter – Das Tal im Nebel
Im vierten Teil der Südtiroler Krimireihe rund um Grauner und Saltapepe verschlägt es die Ermittler ins Unterland, wo im Tal zwischen den Weinhängen unzählige Apfelbäume stehen. Und ausgerechnet in einer Kiste zwischen frisch geernteten Äpfeln werden die Leichen von zwei Prostituierten gefunden.
Nach zwei tollen ersten Bänden hat mich der dritte Band der Grauner-Reihe nicht ganz überzeugt und dasselbe muss ich leider auch zu „Das Tal im Nebel“ sagen. Es ist sehr schade, dass der Autor kaum mehr an der interessanten Dynamik zwischen Grauner und Saltapepe arbeitet. Noch mehr hat mich aber gestört, dass es hier mit organisiertem Verbrechen eher in die Thriller-Richtung geht. Nichts gegen Thriller, aber wenn ich einen Regionalkrimi erwarte, dann möchte ich diesen auch erhalten. Die ersten zwei Bände hatten so schöne „klassische“ Kriminalfälle und Ermittlertätigkeiten – ich hoffe wirklich, dass Lenz Koppelstätter mit den nächsten Bänden wieder dahin zurückgeht.
Ruth Lillegraven – Tiefer Fjord
Als ein kleiner Junge in einem Osloer Krankenhaus stirbt, ist der diensthabende Arzt Haavard davon überzeugt, dass der Junge misshandelt wurde. Doch zur Vernehmung der Eltern kommt es nicht mehr – der Vater wird im Gebetsraum der Klinik ermordet aufgefunden.
„Tiefer Fjord“ beginnt als sehr sozial- und gesellschaftskritischer Krimi, der die Themen Kindesmisshandlung, Fremdenhass und Konflikte mit Einwanderern thematisiert. Auch Haavards Frau Clara, die im Justizministerium arbeitet, beschäftigt sich mit der Thematik Kindesmisshandlung und sieht ihre Karriere in Gefahr, als Haavard unter Mordverdacht gerät. Da es außerdem um die Ehe zwischen den beiden nicht zum besten steht, ist „Tiefer Fjord“ auf jeder Ebene ein ziemlich düsterer Roman. Da es weniger um die Aufklärung der Morde geht, sondern mehr um die Psychologie des Verbrechens, wird die Täterschaft schon bald enthüllt. In der zweiten Hälfte geht es daher sehr stark auch um die Täterperspektive und die Planung der Verbrechen. Das war sehr spannend zu lesen, auch wenn ich persönlich einfach Ermittlerkrimis vor Thrillern bevorzuge. Trotzdem hätte mir dieses Buch sehr gut gefallen, hätte es nicht sehr offen geendet. Es handelt sich dabei nämlich um einen Reihenauftakt, der nicht in sich abgeschlossen ist. Da mir das vorher nicht bewusst war, hat mich das ein wenig unbefriedigt zurückgelassen.