Historisch Rezensionen

[Kurzrezensionen] Drei historische Romane

Eugen Ruge – Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna

erschienen bei dtv

Es beginnt mit einem Vogelschutzverein und einem griechischen Bergbauspezialisten, der einen baldigen Vulkanausbruch vorhersagt. In diesem Umkreis hält der aus armen Verhältnissen stammende Jowna eine kurze Rede, die der Beginn einer steilen Karriere ist. Bald ist er nicht nur damit beschäftigt, 20 Meilen von Pompeji entfernt (und in sicherer Entfernung vom Vulkan) ein neues Gemeinwesen zu gründen, sondern wird auch von den Reichen und Mächtigen der Stadt eingeladen, um sie in ihren politischen Angelegenheiten zu unterstützen.

„Pompeji“ ist weniger ein historischer Roman als eine Gegenwartssatire. Das ist manchmal ziemlich witzig und treffend, manchmal aber auch mühsam. Ruge arbeitet sich an der aktuellen Politik, an Verschwörungstheorien, Bauspekulationen und Korruption ab, bis von einer tatsächlichen Handlung kaum mehr etwas zu erkennen ist. Dadurch wirkte der Roman für mich vor allem in der zweiten Hälfte ziellos und überfrachtet; viele Anspielungen konnte ich zudem als Österreicherin nicht zuordnen. Auch die Figuren kamen mir nur wie Mittel zum Zweck vor, nicht wie vielschichtig ausgestaltete Charaktere. Es gibt zwar einige starke und atmosphärische Szenen, aber letztendlich verliert sich der Roman zu sehr in den Botschaften, die der Autor anbringen wollte.

Francesca Melandri – Eva schläft

erschienen bei Wagenbach

Als Eva erfährt, dass ihr Stiefvater, zu dem sie lange keinen Kontakt mehr hatte, im Sterben liegt, tritt sie eine Zugreise nach Süditalien an. Parallel dazu findet eine Reise in die Vergangenheit statt, in der anhand von Evas Familiengeschichte auch die wechselhafte Geschichte Südtirols von 1919 bis 1992 erzählt wird.

Auf eine gewisse Weise sind auch in diesem Roman die Figuren eher Mittel zum Zweck, um die Geschichte von Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg zu erzählen, als die Region 1919 im Vertrag von Saint-Germain Italien zugesprochen wurde. Evas Familie findet sich mitten in den Konflikten der folgenden Jahrzehnte: die gewaltsame Assimilierungspolitik durch die Faschisten, die Umsiedlungen in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, der teils gewaltsame Widerstand der Südtiroler und die Bemühungen des Politikers Silvius Magnago um eine friedliche Lösung bis hin zur Autonomie 1972. Francesca Melandri findet dabei eine ganz gute Balance, um dennoch eigenständige Figuren zu entwickeln, auch wenn gerade die Ich-Erzählerin Eva etwas blass bleibt. Zwischendurch hat der Roman einige Längen, aber im Allgemeinen fand ich ihn interessant zu lesen. Er kann zwar meiner Meinung nach nicht ganz mit „Ich bleibe hier“ von Marco Balzano mithalten, aber es war spannend in „Eva schläft“ auch die neuere Geschichte Südtirols ab 1960 mitzuerleben.

Abraham Verghese – Die Träumenden von Madras

erschienen bei Suhrkamp

Kerala um 1900: Die erst 12jährige Mariamma wird mit einem älteren Mann verheiratet und muss sich in ihr neues Leben einfinden. Als ihr Stiefsohn bei einem Unfall ertrinkt, erfährt sie von dem rätselhaften „Zustand“, der in der Familie seit Generationen zu einer unerklärlichen Angst vor dem Wasser und zahlreichen Todesfällen durch Ertrinken führt. Dieses Rätsel beschäftigt Mariamma, die zur Matriarchin „Big Ammachi“ heranwächst, für Jahrzehnte, bis ihre Enkeltochter ein Medizinstudium beginnt, um die Frage endlich zu lösen.

„Die Träumenden von Madras“ (ein typisch nichtssagender Titel der deutschen Übersetzung; im Original heißt er treffend „The Covenant of Water“) ist eine umfangreiche Familiensaga, die der Arzt Abraham Verghese wortgewaltig auf knapp 900 Seiten erzählt. Ich mag solche generationenumspannenden Geschichten, bei denen allerdings mitunter die Gefahr von gewissen Längen besteht. Und leider ist das auch eine Schwäche dieses Romans, der meiner Meinung nach sehr stark beginnt, im Mittelteil aber etwas zäh wird (auch aufgrund der teils sehr detailliert beschriebenen medizinischen Behandlungen). Bei der Stange hielt mich der atmosphärisch gezeichnete Hintergrund: die indische Kastengesellschaft, die Thomaschristen in Kerala, die Geschichte der indischen Unabhängigkeit von Großbritannien. Die Figuren haben mich nicht alle gleichermaßen begeistert; einige habe ich sofort in mein Herz geschlossen, während ich andere etwas übertrieben dargestellt fand. Trotzdem habe ich den Roman als gesamtes sehr gern gelesen und hatte auch bis zum Ende Interesse am Schicksal der Familie. Kein Jahreshighlight, aber eine sehr lohnenswerte Lektüre.

Leave a Reply

Your email address will not be published.