Gegenwartsliteratur Rezensionen Sachbuch

[Kurzrezensionen] Bücher über das Meer

Etliche Bücher, die ich letztes Jahr gelesen habe, habe ich (noch) nicht rezensiert. Über einige möchte ich gerne noch etwas schreiben, aber so lange Zeit später ist das nicht ganz einfach. Daher wird es großteils nur Kurzrezensionen geben. Den Anfang machen einige Bücher, die ich letztes Jahr rund um meine Ostsee-Wanderung gelesen habe. Da ich im Urlaub gerne Bücher lese, die thematisch zur Region passen, habe ich mir damals eine Reihe von Ebooks aus der Bibliothek ausgeliehen, die mehr oder weniger vom Meer handeln.

Volker Weidermann – Mann vom Meer: Thomas Mann und die Liebe seines Lebens

erschienen bei btb

Das Meer war für Thomas Mann ein Sehnsuchtsort, ein Ort, an dem er sich befreit fühlte von den Zwängen in seinem Leben. Diese Beziehung zum Meer stellt Volker Weidermann in den Mittelpunkt dieser etwas anderen Biografie. Dabei spannt er einen Bogen von Manns Mutter Julia, die als Kind von Brasilien zu unbekannten Verwandten in Lübeck geschickt wurde, bis hin zur Tochter Elisabeth, die Meeresforscherin wurde. Hauptsächlich geht es aber natürlich um Thomas Mann selbst, der sein Leben lang damit beschäftigt war eine Fassade aufrecht zu halten und sein Gefühlsleben in erster Linie literarisch auslebte. Anhand von Textpassagen legt Weidermann die Parallelen zwischen Leben und Werk dar und wie sich manche Themen in der Prosa wiederholen, aber auch weiterentwickeln. Es hilft, wenn man zumindest einige von Manns Romanen und Novellen gelesen hat, wobei das zum Verständnis nicht zwingend notwendig ist. „Mann vom Meer“ kann auch als Einstieg für die Beschäftigung mit Thomas Mann und seinen Werken funktionieren, aber ich denke, dass man von der Lektüre mehr hat, wenn man damit bereits ein wenig vertraut ist.

Ein kurzweiliges und zugleich informatives Sachbuch, das einem den Schriftsteller einerseits menschlich näherbringt und andererseits auch auf seinen literarischen Schaffensprozess eingeht.

Gabriela Jaskulla – Ostseeliebe

erschienen bei Insel Taschenbuch

Dank eines Stipendiums landet die Germanistin Julia Völcker auf einer Ostsee-Insel, wo sie den Nachlass eines Dichters bearbeiten soll, der dort jahrelang seine Sommer verbrachte. Zunächst kann sie nur schwer Fuß fassen, aber mit der Zeit lernt sie Land und Leute kennen – und lieben.

Ein Jahr lang auf einer Insel über einen Dichter forschen und sich in in seinen Nachlass vertiefen – das ist ein Germanisten-Traum und so kann man das Buch getrost als Eskapismus für mich bezeichnen. „Ostseeliebe“ ist aber keine reine Wohlfühllektüre, sondern zeichnet durchaus ein differenziertes Bild vom Leben auf einer abgeschiedenen Insel. Vor allem die Wintermonate sind hart und einige Einheimische sind nach geplatzten Träumen verbittert und enttäuscht. Wie Julia sich dort trotzdem allmählich zuhause fühlt, ist schön beschrieben. Die nahezu obligatorische Liebesgeschichte hat für mich allerdings nicht so ganz funktioniert – ich konnte bis zum Ende nicht ganz nachvollziehen, was die beiden außer Einsamkeit zusammengeführt hat. Alles in allem aber ein schöner, ruhig erzählter Roman.

Franziska Jebens – Immer am Meer entlang

erschienen bei dtv

Josi erfüllt sich einen Lebenstraum, als sie sich eine Auszeit aus ihrem Job nimmt, um mit einem alten Bulli an der Küste von Europa entlangzufahren. Paul entscheidet sich dagegen ganz spontan für einen Roadtrip, weil er aus seinem vorhersehbaren Alltag ausbrechen möchte. Ihre Wege kreuzen sich zunächst zufällig und später absichtlich immer öfter.

„Immer am Meer entlang“ ist nun wirklich ein reines Wohlfühlbuch, das sich wunderbar eignet zum Darin-Eintauchen, zum Abschalten und Träumen. Josi und Paul erleben auf ihren Reisen so einige Abenteuer und auch wenn nicht alle davon schön sind, ist doch stets klar, das nichts wirklich schlimmes passieren wird. Es gibt zahlreiche humorvolle und skurrile Situationen, die aber immer im Rahmen des Möglichen bleiben. Eine unterhaltsame Lektüre für zwischendurch, die Lust darauf macht selbst einfach aufzubrechen. Allerdings hätte sie etwas mehr Tiefgang und etwas weniger Vorhersehbarkeit brauchen können.

Isabelle Autissier – Acqua Alta

erschienen bei mare

Der Beginn des Romans ähnelt einem postapokalyptischen Szenario: Venedig ist von einer Flutwelle zerstört worden und Guido Malegatti sucht in den Ruinen nach seiner Tochter.

Nach diesem düsteren Einstieg springt Isabelle Autissier zwei Jahre zurück und zeichnet das Bild einer zerissenen Familie. Guido möchte als erfolgreicher Bauunternehmer und Wirtschaftsrat noch mehr Touristen in die Stadt locken, während seine Tochter Léa als Umweltaktivistin auf die Probleme des Massentourismus aufmerksam machen möchte.

Ich fand den Einstieg in „Acqua Alta“ ein wenig schwierig, aber als der Roman erst mal in Fahrt kommt und die Konflikte zwischen Guido und Léa mehr in den Mittelpunkt rücken, konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Es spricht viele Probleme der Gegenwart (in Venedig, aber nicht nur dort) kritisch an und zeichnet dabei auch ein differenziertes Bild. Die Figuren selbst sind etwas klischeehaft geraten, aber ausreichend charakterisiert, um nicht nur wie die Überbringer einer Botschaft zu wirken. Ein schockierendes Buch, das leider nur allzu schnell Realität werden könnte.

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