Rezensionen Sachbuch

Michael Wigge – Ohne Geld bis ans Ende der Welt

Genre: Sachbuch, Erfahrungsbericht
Seiten: 216
Verlag: KiWi-Taschenbuch
ISBN: 978-3462041811
Meine Bewertung: 3 von 5 Sternchen

Sachbuch-Challenge

 

Im Sommer 2010 bricht der Journalist und Entertainer Michael Wigge zu einer abenteuerlichen Reise auf: Ohne einen Cent in der Tasche möchte er es innerhalb von gut drei Monaten bis in die Antarktis schaffen. Er arbeitet auf einem Containerschiff, das ihn in nach Kanada bringt, übernachtet bei zahlreichen Menschen als Couchsurfer, hilft einer Amish-Familie bei der Farmarbeit, verdingt sich als persönlicher Butler ebenso wie als „hill helper“ in San Franzisco, versucht sich als Lastenträger in Peru und lernt dabei die unterschiedlichsten Menschen kennen.
 
Dieses Buch war ein kompletter Zufallsfund. Ich war in der Abteilung der Reiseberichte in der Städtischen Bücherei eigentlich auf der Suche nach einem ganz anderen Buch, als dieses mir in die Hände fiel und ich mir dachte, dass das vielleicht ganz amüsant zu lesen wäre. Zwar wollte ich als nächstes Buch für die Sachbuch-Challenge wieder eines mit etwas mehr „Substanz“, aber da ich nun mit einem ziemlichen Wälzer beschäftigt bin, kam mir so ein dünnes Büchlein für Zwischendurch ganz gelegen.
 
Tatsächlich ist „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“ ein ganz amüsantes und sehr kurzweiliges Buch, das man mal eben nebenbei lesen kann. Es ist aber nicht nur kurzweilig, sondern auch zu kurz: Bei all den Ländern und Menschen, die Wigge auf seiner Reise kennenlernt, fasst er sich meistens sehr knapp. Manchmal beschreibt er einzelne Etappen detaillierter und diese sind die spannendsten im Buch. Es ist auch schön, wenn er einzelne Begegnungen genauer schildert und ich hätte über die restlichen Menschen, die er auf der Reise kennengelernt hat, auch gern mehr erfahren.
 
Was nun das Experiment an sich betrifft, hat mich das Buch etwas zwiespältig zurückgelassen: Einerseits sind Wigges Erlebnisse sehr abenteuerlich, oft witzig, mitunter auch beängstigend und manchmal herzerwärmend. Es ist spannend zu lesen, wie die Menschen auf sein Vorhaben reagieren und wer ihm wie weiterhilft. Besonders schön fand ich die kleinen Jobs, die er sich zwischendurch überlegt (etwa als „human sofa“ oder Kissenschlacht-Gegner oder Statist in einer Oper). Bei den größeren Jobs dagegen stellt er sich oftmals eher ziemlich unfähig an – und das leider auch teilweise auf Kosten anderer (etwa als er als Lastenträger nach Macchu Picchu versagt). Das hinterlässt beim Lesen manchmal einen etwas unangenehmen Beigeschmack, aber das Hauptproblem ist ein ganz anderes:
Was genau soll dieses Experiment aussagen, wenn Michael Wigge sehr häufig nur deshalb weiterkommt, weil er als Journalist mit einem detaillierten Konzept unterwegs ist? Es ist eindeutig, dass viele auf Werbung bzw. zumindest eine Erwähnung hoffen oder schlichtweg das Gesamtkonzept interessant finden und ihm deshalb weiterhelfen. Welche Aussagekraft hat das nun zum Reisen ohne Geld an sich? Richtig, gar keine. Hätte Wigge niemals den Journalisten-Bonus ausgespielt, hätte ich das Buch spannender gefunden. Aber gerade die richtig schwierigen Abschnitte (die Fahrt auf dem Containerschiff nach Kanada sowie die Fahrt durch die Drake-Passage in die Antarktis) konnte er nur auf diese Weise bewältigen.
 
Schön, dass Wigge zu der Erkenntnis kommt, dass viel mehr Menschen viel hilfsbereiter sind als man zunächst erwarten würde – auch ich war beim Lesen oft positiv überrascht von der großen Hilfsbereitschaft, die er erfährt. Aber die allgemeine Aussage, dass man es auch ohne Geld schaffen kann, „bis ans Ende der Welt“ zu reisen, kann man diesem Buch nicht entnehmen. Nicht, wenn jemand als Journalist mit einem ausgearbeiteten Konzept unterwegs ist und zwischendurch auch mal seinen Presse-Ausweis zückt.
 
Alles in allem ist „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“ ein unterhaltsames, kleines Büchlein, dessen Lektüre Spaß macht und das einige faszinierende Einblicke in andere Kulturen und die Gastfreundschaft vieler Menschen bietet. Leider bleibt es meistens allzu oberflächlich und ist als Experiment als solches eher sinnlos.

6 thoughts on “Michael Wigge – Ohne Geld bis ans Ende der Welt

  1. An sich eine sehr interessante Idee, von dem Herrn Wigge, aber wie du schon sagst, oft ist sowas mehr Schein als Sein.

    Besonders scheinheilig finde ich es immer, wenn jemand sagt, er lebt ohne Geld und nur vom tauschen und dann zu anderen Leuten geht und erbettelt, die Waschmaschine benutzen zu dürfen. Ich meine, ER lebt ja dann ohne Geld, aber BEZAHLT wird ja trotzdem. Also die Erkenntnis, ganz einfach ohne Geld leben zu können, ist ja kompletter Schwachsinn, wenn das nur darauf beruht, dass andere für dich zahlen. Anders ist es da, wenn man z.B. wie "Öff Öff" im Wald lebt und tatsächlich von Flusswasser, Holz und selbstgesammelten Pflanzen oder selbst erlegten Tieren lebt.
    Das schweift jetzt evtl ein wenig vom Thema ab, aber irgendwie kam ich da drauf und musste es einfach loswerden. 😀

    1. Natürlich, das stimmt und da gebe ich dir völlig recht. Wobei ich bei dem Buch nun nicht erwartet habe, dass Herr Wigge wirklich völlig ohne jegliches Geld (wessen auch immer) reisen würde, sondern eher, dass er zeigen möchte, dass man auch reisen kann, wenn man persönlich nicht reich ist.
      Erwartet habe ich aber einfach mehr in Richtung solcher Gegenleistungen, dass er eben kleine Jobs erledigt und dafür mitgenommen wird/übernachten kann/Essen bekommt. Vielleicht auch mehr zu Fuß gehen oder etwas in der Art.
      Vermutlich wäre ich da mit dem Buch "Deutschland umsonst: Zu Fuß und ohne Geld durch ein Wohlstandsland" von Michael Holzach besser beraten gewesen. Vielleicht lese ich das auch irgendwann noch. 😉

  2. Ich glaube, das ist auch der entscheidende Unterschied zwischen "Ein Journalist zieht los, um etwas zu erleben, worüber er schreiben kann" und "Jemand hat etwas erlebt und schreibt danach ein Buch darüber". Letzteres finde ich in der Regel deutlich interessanter, weil man da als Leser das Gefühl hat, dass das nicht so geplant ist und nicht über diverse Kanäle gefördert wurde.

    Über "Deutschland umsonst" kann ich nichts sagen, aber ich habe mal einen Blogger verfolgt, der ebenfalls zu Fuß und mit Hund quer durch Deutschland lief und darüber dann schrieb. Und mich hat das zwiespältig zurückgelassen. Erst einmal hat sich der Mann anfangs vollkommen überfordert (und langfristig seinem Hund Gelenk- und Ballenprobleme verschafft), weil er feste Tagesstrecken (inklusive vorher online verabredeter Übernachtungsmöglichkeiten) eingeplant hatte, die er als untrainierter Fußgänger gar nicht schaffen konnte. Dann schrieb er immer wieder vom Betteln und ich fragte mich, ob es wirklich nötig sei, dass jemand bettelt, der es sich doch eigentlich leisten könnte beim Bäcker sein Brötchen selber zu bezahlen. Das gibt mir das Gefühl, er nehme gleich zwei Leuten etwas weg, einmal dem Bäcker, der nun mal seine Brötchen verkauft, um sein Leben und seine Mitarbeiter zu finanzieren, und dann einem eventuellen Bedürftigen, der es nötiger gehabt hätte unterstützt zu werden.

    1. Ja, dieses Problem hatte ich mit Wigges Betteln um Nahrungsmitteln auch. Das war auch mit ein Grund, weshalb mir sein Buch immer dann am sympathischsten war, wenn er entweder diese kreativen kleinen Jobs erledigt oder von seinen Unterkünften als Couchsurfer erzählt hat oder etwa mit einem klapprigen Rad unterwegs war, das ihm die Amish geschenkt haben.
      Aber dieses Erbetteln von Dingen, die man sich eigentlich leisten könnte, gerade in armen Ländern, hat mir auch nicht gefallen (was mich dran erinnert, dass ich das eigentlich auch noch in der Rezension unterbringen wollte … das kommt davon, wenn man sich vorher keine Notizen macht).

      Und ja, diesen Unterschied sehe ich auch. Ich hatte bei dem Buch nur die Kurzbeschreibung auf der Rückseite gelesen und da stand nicht, dass es sich um einen Journalisten handelt. Als mir das dann beim Lesen bewusst wurde (noch dazu, dass er vor allem auch Reisereportagen gemacht hat), war das eine Ernüchterung.

    2. Ach, wenn du dir Notizen gemacht hättest, hättest du dann vermutlich wieder andere Dinge vergessen (das scheint ein Naturgesetz zu sein :D). In ärmeren Ländern finde ich so ein Verhalten noch kritischer. Es ist ja immer schön, wenn man von der vielzitierten Gastfreundschaft mancher Kulturen/Menschen profitieren kann, aber wenn man auf Kosten Ärmerer macht, dann wird es schwierig.

  3. Ich habe das Gefühl, dass das bei vielen dieser besonderen Reiseaktionen so läuft, dass die Leute es nur deshalb schaffen, weil sie Journalisten sind oder andere auf ihre Aktion aufmerksam machen oder so. Ich hab das Buch zwar selbst noch nicht gelesen, meine aber aufgeschnappt zu haben, dass es bei "Mit dem Kühlschrank durch Irland" so war, dass Leute im Radio von Tony Hawks' Aktion gehört haben und dann gezielt losgefahren sind, um ihn mitzunehmen. Das führt die Sache dann irgendwie ad absurdum.

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