Die 14jährige Ann Rankin ist begeistertes Mitglied im Ponyclub in der australischen Kleinstadt Murra Wanda. Die jungen Reiter und Reiterinnen widmen sich nicht nur ehrgeizig dem Turniersport, sondern sind auch bei Rettungseinsätzen und Notfällen jeglicher Art stets zur Stelle. Doch eine Sache ist Ann ein Dorn im Auge: Während alle von ihnen eifrig üben, dürfen bei den tatsächlichen Einsätzen immer nur die Jungs mit. Doch als es nach schweren Regenfällen zu zahlreichen Überflutungen kommt, gilt es auch für Ann sich zu bewähren.
Als ich bei meiner Familie war, habe ich mal wieder im Keller nach alten Kinder- und Jugendbüchern gestöbert und diesen etwas anderen Pferderoman hervorgekramt, um gleich noch ein weiteres Buch für Elenas Challenge zu lesen. Leider habe ich es verabsäumt, das Buch abzufotografieren, ehe ich wieder nach Wien gefahren bin, und so ist diese Besprechung dieses Mal ganz bilderlos.
Anders als bei Ahornstraße 5 konnte hier der Reread nicht mehr mit den Erinnerungen meiner Kindheit mithalten. Es gab doch etliche Punkte, die mich jetzt gestört haben, obwohl sie mir früher nie aufgefallen sind.
Der teils etwas anstrengende Geschlechterkampf im Ponyclub ist zum Beispiel etwas, woran ich mich nicht einmal erinnert habe. Man muss aber dem Roman zugestehen, dass er aus den 70er Jahren stammt und es damals mit der Gleichberechtigung noch nicht so weit her war. Insofern ist es ja löblich, dass Paul Buddee mit der kämpferischen Ann eine recht emanzipierte Heldin in den Mittelpunkt des Romans stellt. Und ganz ehrlich: Neben den Bellas und Anastasias dieser Welt liefert Ann ein moderneres Frauenbild als manche aktuelle Romane …
Der beschriebene Konflikt im Ponyclub führt außerdem zu herrlichen Dialogen wie diesem hier:
„Männer machen mich krank“, sagte Ann beim Abendessen in entschiedenem Ton.
„Möchtest du in diesem Fall, daß ich die Küche verlasse und anderswo weiteresse, oder gehst du lieber?“, erkundigte sich ihr Vater.
„Entschuldige bitte, Daddy. Dich habe ich nicht gemeint. Ich meine Leute wie Ernest und Chris Hales und solches Volk.“
„Es klingt, als ob du von einer Herde Rindviecher sprächst“, bemerkte Mrs. Rankin.
(S. 18)
Wirklich massiv hat mich aber die oft nahezu hastige Erzählweise gestört. In dem Roman passiert sehr viel und es werden zahlreiche unterschiedliche Themen angeschnitten, aber das alles in einem schwindelerregenden Tempo. Paul Buddee fegt so schnell von einer Szene zu nächsten, dass kaum so etwas wie eine Atmosphäre aufkommen kann. Manches liest sich beinahe wie eine Zusammenfassung.
Da ich aber inzwischen weiß, wie radikal früher manche Kinder- und Jugendbücher in der Übersetzung gekürzt wurden, frage ich mich, wie weit diese Probleme vielleicht nur die deutsche Version betreffen. An manchen Stellen kommt einem der Roman nämlich tatsächlich wie massiv gekürzt vor.
Auch ein anderes Problem ist möglicherweise auf die Übersetzung zurückzuführen: Im Schnelltempo und teils recht ungeschickt werden Schauplatz und Figuren eingeführt. Im Original handelt es sich aber nicht um einen Einzelband, sondern um eine ganze Reihe um Ann Rankin. Da „Ann Rankin and the Great Flood“ offensichtlich nicht der erste Band ist, ist man also im Original vermutlich längst mit dem Hintergrund vertraut.
Dasselbe gilt wohl auch für Erklärungen, die scheinbar speziell für die nicht-australischen Leser eingestreut wurden. Möglicherweise fand ich diese aber als Kind durchaus hilfreich.
Das australische Setting hat mir jedenfalls auch jetzt wieder gut gefallen. Durch die anderen geographischen Gegebenheiten gibt es doch so einige Unterschiede zu europäischen Pferdebüchern, die recht spannend sind. Der nächtliche Ritt etwa von Ann über die Berge, um einen Tierarzt während der Flut zu einem abgelegenen Hof zu führen, konnte mich auch als Erwachsene wieder fesseln.
Und schließlich hat der Roman – man hat es ja schon am Zitat oben gemerkt – teilweise herrlich ironische Dialoge zu bieten. Ich musste beim Lesen mehrmals losprusten. Äußerst komisch fand ich ja auch dieses Gespräch (als Ann sich für die Feier nach einem Turnier herausgeputzt hat):
Er schnüffelte und meinte: „Du hast aber heute tief in Mamis Parfumflasche gegriffen, Ann.“
„Etwas dagegen? Es ist ein besonderes französisches Parfum, das ich benutzen durfte.“
„Nein, nein, gar nichts. Du riechst gut. Wie eine von unseren guten Badeseifen zu Hause.“
„Vielen Dank für das Kompliment“, sagte Ann. „Wie gefällt dir das Badetuch, das ich anhabe?“
(S. 79)
Insgesamt war es ein zwar kurzweiliger, aber doch eher ernüchternder Reread. Mich würde es ja fast in den Fingern jucken, es mal mit dem australischen Original zu probieren, allerdings ist das wohl nicht ganz so einfach aufzutreiben.